Zum Abschluss des letzten Jahres haben die EU-Mitgliedsstaaten die Verordnung (EU) 2024/3015 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2024 über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten auf dem Unionsmarkt sowie zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 – kurz: EU-Zwangsarbeits-Verordnung – verabschiedet. Die EU-Zwangsarbeits-Verordnung ist das jüngste in einer Reihe von EU-Gesetzen, die Transparenz und Sorgfaltspflichten in der Lieferkette für Unternehmen in der EU vorschreiben. Sie gilt ab dem 14. Dezember 2027.
Was ist die EU-Zwangsarbeits-Verordnung?
Die EU-Zwangsarbeits-Verordnung soll ergänzend neben die bis Mitte 2026 in nationales Recht umzusetzende europäische Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD) bzw. neben das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) treten. Die EU-Zwangsarbeits-Verordnung enthält Vorschriften, die es Unternehmen verbieten, in Zwangsarbeit hergestellte Produkte auf dem Unionsmarkt in Verkehr zu bringen und bereitzustellen oder aus dem Unionsmarkt auszuführen.
Unter Zwangsarbeit i.S.d. der EU-Zwangsarbeits-Verordnung wird jede Art von Arbeit oder Dienstleistung verstanden, die von einer Person unter Androhung irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat. Insoweit knüpft die Verordnung an die in Art. 2 des Übereinkommens Nr. 29 der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization, ILO) an. Auch das LkSG verwendet in § 2 Abs. 2 Nr. 3 diese Definition.
Welche Unternehmen sind von der EU-Zwangsarbeits-Verordnung betroffen?
Die Verordnung richtet sich an alle „Wirtschaftsakteure“. Die EU-Zwangsarbeits-Verordnung sieht daher – im Gegensatz zu LkSG und CSDDD – keine Beschränkung auf bestimmte Unternehmen oder Unternehmensgrößen vor. Adressat sind vielmehr alle natürlichen und juristischen Personen oder Personenvereinigungen, die Produkte auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringen, bereitstellen oder aus ihm ausführen, und zwar unabhängig von Sitz, Unternehmensgröße, Branche o.ä.
Anders als bisherige EU-Verordnungen, , ist der Anwendungsbereich der EU-Zwangsarbeits-Verordnung nicht auf eine bestimmte Art von Produkten beschränkt. Das Verbot, in Zwangsarbeit hergestellte Produkte auf dem Unionsmarkt in Verkehr zu bringen und bereitzustellen oder aus dem Unionsmarkt auszuführen, gilt für alle in der EU verkauften Produkte, einschließlich ihrer Bestandteile, unabhängig von ihrer geografischen Herkunft oder Branche.
Zwar ist Zwangsarbeit ein globales und branchenübergreifendes Phänomen und die EU-Zwangsarbeits-Verordnung ist nicht auf eine bestimmte Art von Produkten beschränkt. Dennoch lassen sich – insbesondere unter Bezug auf Informationen von ILO, OECD und die Praxis des Menschenrechtsausschusses – einige Industriebranchen in Deutschland benennen, bei denen die Wahrscheinlichkeit von Zwangsarbeit höher ist als in anderen Branchen. Hierzu zählen:
Textilindustrie
Zulieferbetriebe in der Automobilbranche
Landwirtschaft, Fischerei, Forstwirtschaft
Baubranche
Bergbau
Was haben Unternehmen nun zu beachten?
Die gute Nachricht ist: Die EU-Zwangsarbeitsverordnung statuiert ausdrücklich, dass mit der Verordnung keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten für die Unternehmen eingeführt werden als jene, die bereits im Unionsrecht oder im nationalen Recht vorgesehen sind. Die EU-Zwangsarbeits-Verordnung enthält vielmehr „nur“ ein Verbot von Produkten, die in Zwangsarbeit hergestellt sind.
Bei Missachtung der EU-Zwangsarbeits-Verordnung können die Behörden das Verbot des Inverkehrbringens, der Bereitstellung bzw. der Ausfuhr anordnen. Außerdem kann angeordnet werden, betroffene Produkte zurückzunehmen oder aus dem Verkehr zu ziehen. Was ein Unternehmen zu befürchten hat, wenn es eine derartige Anordnung nicht befolgt, steht derzeit noch nicht fest, da dies den einzelnen Mitgliedstaaten obliegt. Es ist allerdings zu erwarten, dass es – wie so häufig – einen umfangreichen Bußgeldkatalog geben wird, der erhebliche Bußgelder beinhaltet.
Um den bei einem Verstoß gegen das Zwangsarbeitsverbot drohenden Sanktionen zuvorzukommen, sollten Unternehmen allein schon aus wirtschaftlichen Erwägungen nach Möglichkeit sicherzustellen, dass die von ihnen vertriebenen Produkte nicht unter Zwangsarbeit hergestellt wurden. Die EU-Kommission wird bis Mitte 2026 Leitlinien veröffentlichen, um den Unternehmen Anhaltspunkte zu bieten, wie sie ihre Sorgfaltspflichten in Bezug auf Zwangsarbeit bestmöglich erfüllen können, sowie eine Datenbank für Bereiche und Produkte mit Zwangsarbeitsrisiko aufbauen.
Bis zu diesem Zeitpunkt ist Unternehmen anzuraten, sich an den Vorgaben des LkSG zu orientieren, insbesondere ein Risiko-Management inklusive Risikoanalyse zu etablieren sowie ihre Verträge mit Zulieferern auf Änderungsbedarf zu überprüfen. So erkennt die EU-Zwangsarbeits-Verordnung an, dass die Beachtung gesetzlich festgelegter Sorgfaltspflichten von den Behörden berücksichtigt wird. Auch Unternehmen, die nicht in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, könnten sich hieran orientieren. Unternehmen sollten sich außerdem darauf einstellen, dass die Behörden kurzfristig Unterlagen verlangen können, aus denen die Maßnahmen ersichtlich werden, die sie ergriffen haben, um das Zwangsarbeitsrisiko in ihren Geschäftsabläufen und Lieferketten zu ermitteln, zu verhindern, zu minimieren, zu beenden oder entsprechende Abhilfe zu schaffen. Eine gründliche und aktuell gehaltene Dokumentation sollte daher sichergestellt werden.
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