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Weitere Klarheit in Sachen Entgelttransparenzgesetz: Spitzenverdiener als taugliche Vergleichsperson

van_portraits_840x840px_02_vianden.png Dr. Sabine Vianden

November 2025

Lesedauer: Min

Die Entgelttransparenzrichtlinie sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Ihre Regelungen bis zum 7. Juni 2026 in nationales Recht umsetzen müssen. Derzeit wartet man in Deutschland gespannt darauf, wann der entsprechende Gesetzesentwurf vorgelegt wird, nachdem am 24. Oktober 2025 die Kommission für „Bürokratiearme Umsetzung der Entgelttransparenzrichtlinie“ ihren Abschlussbericht mit Vorschlägen für eine entsprechende Umsetzung eingereicht hat. Die Umsetzung der Richtlinie wird in Deutschland zur Anpassung des derzeit geltenden Entgelttransparenzgesetzes führen, denn die Richtlinie hat nicht nur einen weiteren Anwendungsbereich als das deutsche Gesetz, sie sieht auch weitergehende Rechte und Pflichten im Hinblick auf individuelle Auskunftsansprüche und Berichtspflichten vor. Unter anderem wird die erforderliche Anpassung dazu führen, dass Arbeitnehmer die durchschnittliche Vergütung der aus den Arbeitnehmern des anderen Geschlechts bestehenden Vergleichsgruppe, erfragen können, wenn diese Arbeitnehmer ein gleiche oder gleichwertige Tätigkeit ausüben. Das Entgelttransparenzgesetz sieht derzeit einen solchen Auskunftsanspruch im Hinblick auf die Medianvergütung vor.

Nur einen Tag vor der Abgabe des Abschlussberichts hat das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung die Regeln der Beweislast im Rahmen des Entgelttransparenzgesetzes weiter konkretisiert (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Oktober 2025 – 8 AZR 300/24). In dem zugrundeliegenden Fall hatte eine Abteilungsleiterin des Automobilherstellers Daimler geltend gemacht, dass ihre Vergütung auf die Vergütung eines männlichen Abteilungsleiters angehoben werden müsse.

Der Sachverhalt

Die Information über die höhere Vergütung des Kollegen hatte die Klägerin aus einem Dashboard erhalten, über welches das Unternehmen im Intranet Auskünfte im Sinne des Entgelttransparenzgesetzes erteilt. Das besondere daran: Der Kollege, den die Klägerin als Vergleichsperson heranzieht, ist auch in der Gruppe der männlichen Abteilungsleiter der Spitzenverdiener. Er erhält eine Vergütung, die deutlich oberhalb der Medianvergütung der männlichen Abteilungsleiter liegt. Die Klägerin wiederum erhielt ihrerseits eine Vergütung die nicht nur unterhalb des Medians der männlichen Abteilungsleiter lag, sondern auch unter dem der weiblichen Abteilungsleiter.

Die Entscheidung der Vorinstanz

Vor diesem Hintergrund hatte die Vorinstanz – das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – noch entschieden, die Klägerin könne nicht die Anpassung ihrer Vergütung im Vergleich zu dem absoluten Spitzenverdiener verlangen: Angesichts der Größe der männlichen Vergleichsgruppe und der Medianentgelte beider vergleichbarer Geschlechtergruppen bestehe keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung. Das Landesarbeitsgericht hatte lediglich einen Anspruch in Höhe der Differenz zwischen dem Medianentgelt der weiblichen und dem der männlichen Vergleichsgruppe anerkannt.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die Klägerin ging dagegen in Revision und dies auch mit Erfolg: Das Bundesarbeitsgericht spielt den Ball zurück nach Stuttgart, wo nun neu entscheiden werden muss. Dabei muss das Landesarbeitsgericht jedoch die Klarstellungen des Bundesarbeitsgerichts berücksichtigen: Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine geschlechtsbedingte Benachteiligung ist nicht erforderlich, um erfolgreiche eine Entgeltgleichheitsklage zu begründen. Erforderlich ist lediglich der Vortrag von hinreichenden Tatsachen, die eine geschlechtsbedingte Entgeltbenachteiligung vermuten lassen. Dazu ist es ausreichend, wenn die klagende Person beweisen kann, dass ihr Arbeitgeber einem anderen Kollegen, der gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, eine höhere Vergütung zahlt. Dass in einem Einzelfall gleichzeitig die männliche Vergleichsgruppe relativ groß ist und die Klägerin selbst weniger verdient als die Medianentgelte beider Geschlechtsgruppen, ist daneben nicht relevant. Der Arbeitgeber kann diese Vermutungswirkung nur durch objektive und geschlechtsneutrale Kriterien widerlegen.

Folgen für die Praxis und Ausblick

Wirklich neu sind die Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts zu den Anforderungen an die Darlegung und den Beweis einer Entgeltdiskriminierung für den Arbeitnehmer nicht. Dass lediglich hinreichende Tatsachen vorgetragen werden müssen, die eine geschlechtsbedingte Entgeltbenachteiligung vermuten lassen, um den Arbeitgeber in die Position zu bringen, diese Vermutung widerlegen zu müssen, ist ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts im Rahmen des Entgelttransparenzgesetzes, welche auf der Rechtsprechung zu § 22 AGG aufbaut. Es handelt sich aber um eine wichtige Klarstellung dahingehend, welche Umstände nicht dazu geeignet sind, die Vermutungswirkung infrage zu stellen.

Gerade in Unternehmen mit über einen langen Zeitraum gewachsenen Vergütungssystemen ist es nicht unüblich, dass die Gehaltsspanne innerhalb ein und derselben Rollenbezeichnung sehr weit ist. Insbesondere in solchen Fällen ist zu empfehlen, die Job-Architektur zeitnah zu überprüfen. Verrichten diese Personen überhaupt alle die gleiche oder eine gleichwertige Tätigkeit? Wenn ja, können wir die Gehaltsunterschiede objektiv rechtfertigen? Dass das bessere Verhandlungsgeschick eines männlichen Kollegen kein taugliches Kriterium ist, hat das Bundesarbeitsgericht bereits festgestellt.

Und schließlich gibt die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts noch einen weiteren Fingerzeig, der eigentlich nicht im Sinne der durch das Entgelttransparenzgesetz angestrebten Transparenz sein dürfte: Die „überschießende“ Beantwortung von Auskunftsverlagen, also die Angabe von Daten, die über dasjenige hinausgehen, was das Gesetz verlangt (hier wäre es nur die Mitteilung des Medianentgeltes gewesen, die Klägerin hat über das Dashboard jedoch Kenntnis über die Vergütung des Spitzenverdieners in der Vergleichsgruppe erhalten) kann das mit einer Entgeltgleichheitsklage verbundene Risiko erhöhen.

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