Im Zuge der EU-Entgelttransparenzrichtlinie sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, die Vorgaben der Richtlinie bis zum 7. Juni 2026 in nationales Recht umzusetzen. Die Richtlinie bringt neue Compliance-Pflichten für Arbeitgeber sowie erweiterte Rechte für Beschäftigte mit sich. Hierzu zählt unter anderem das individualrechtliche Auskunftsrecht hinsichtlich der Vergütung und die damit einhergehende Offenlegungspflicht der Arbeitgeber. Zwar hat Deutschland die EU-Entgelttransparenzrichtlinie noch nicht in nationales Recht umgesetzt, jedoch existiert in Deutschland ein entsprechender Auskunftsanspruch bereits nach der aktuellen Gesetzeslage. Der folgende Beitrag skizziert die rechtlichen Anforderungen an das Auskunftsrecht gemäß der EU-Entgelttransparenzrichtlinie und geht auf Erfahrungswerte mit den existierenden deutschen Regelungen ein, aus denen Rückschlüsse für den Umgang mit den zu erwartenden Regelungen gezogen werden können.
Welche Informationen müssen Arbeitgeber gemäß der EU-Entgelttransparenzrichtlinie bereitstellen?
Arbeitgeber müssen die Kriterien (diese müssen objektiv und geschlechtsneutral sein) für die Festsetzung der Vergütung, des Lohnniveaus sowie der Gehaltsentwicklung in transparenter Weise zugänglich machen. Die Richtlinie sieht vor, dass Mitgliedstaaten Arbeitgeber mit weniger als 50 Beschäftigten von der Verpflichtung zur Offenlegung der Kriterien zur Gehaltsentwicklung ausnehmen können.
Beschäftigte haben das Recht, Auskunft über ihr individuelles Entgelt sowie über das durchschnittliche Entgelt von Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts zu verlangen, sofern diese eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit ausüben.
Die Auskunft ist innerhalb einer angemessenen Frist – spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Antragstellung – bereitzustellen.
Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Beschäftigten jährlich proaktiv über dieses Auskunftsrecht zu informieren.
Wie ist das Auskunftsrecht im deutschen Recht derzeit geregelt?
Nach geltendem deutschen Recht haben Beschäftigte das Recht, Informationen über die Kriterien zur Bestimmung ihres eigenen Entgelts sowie des Entgelts einer vergleichbaren Tätigkeit zu erhalten. Darüber hinaus kann Auskunft über das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt und bis zu zwei einzelne Entgeltbestandteile der Vergleichsgruppe des jeweils anderen Geschlechts verlangt werden.
Dabei ist jedoch zu beachten: Der statistische Median ist nicht identisch mit dem Durchschnittsentgelt der Vergleichsgruppe. Je nach Verteilung kann der Median deutlich vom Durchschnitt abweichen, was seine Aussagekraft hinsichtlich potenzieller Entgeltdiskriminierung einschränken kann. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch entschieden, dass ein Entgelt unterhalb des Medians der Vergleichsgruppe ein Indiz für eine geschlechtsbezogene Diskriminierung darstellen kann. In diesem Fall liegt die Beweislast beim Arbeitgeber, die mit der Indizwirkung einhergehende Vermutung zu widerlegen. Beschäftigte müssen die Vergleichstätigkeit eigenständig benennen. Sofern der Arbeitgeber die Gleichwertigkeit bestreitet, ist er verpflichtet, dies zu begründen und eine aus seiner Sicht gleichwertige Tätigkeit zu benennen.
Typische Fallstricke und Handlungsoptionen für Arbeitgeber
Zuständigkeit und Vorbereitung
Das Auskunftsrecht hat in vielen Unternehmen bislang weder auf Arbeitgeber- noch auf Arbeitnehmerseite besondere Aufmerksamkeit erfahren. Im Fall einer konkreten Anfrage verschafft eine gute Vorbereitung jedoch entscheidende Vorteile. Dazu gehört insbesondere die eindeutige Zuweisung der Verantwortung an eine zuständige Stelle oder ein Team. Diese Personen sollten entsprechend geschult sein – idealerweise existiert zudem bereits ein Antwortmuster.
In mitbestimmten Betrieben ist regelmäßig der Betriebsrat für die Bearbeitung der Anfrage zuständig. Die hierfür benötigten Daten müssen jedoch in der Regel vom Arbeitgeber bereitgestellt werden. Arbeitgeber können die Zuständigkeit zur Beantwortung solcher Anfragen auch an sich ziehen – dies sollte jedoch frühzeitig geklärt werden. Eine Diskussion über die Zuständigkeit im konkreten Fall bei einem bereits existierenden Auskunftsverlangen kann zu Reibungen mit dem Betriebsrat führen und ist häufig zeitaufwendig.
Fristenmanagement
Eine klare Zuständigkeit und ggf. ein standardisiertes Antwortschreiben dienen auch der Fristenwahrung: Während das deutsche Recht aktuell eine Frist von drei Monaten vorsieht, hat nach der EU-Entgelttransparenzrichtlinie eine Antwort innerhalb von zwei Monaten zu erfolgen. Der Fristbeginn sollte daher dokumentiert und die Fristüberwachung sichergestellt werden. Wird die Frist versäumt oder erfolgt nur eine unvollständige bzw. offensichtlich fehlerhafte Antwort, führt dies zu einer Beweislastumkehr zugunsten der anfragenden Person – der Arbeitgeber muss dann nachweisen, dass keine Entgeltdiskriminierung vorliegt.
Weitere strategische Erwägungen
Das Auskunftsrecht ist bislang kein Massenphänomen in Deutschland, tritt aber vermehrt im Zusammenhang mit anderen Auskunftsverlangen oder arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen auf – insbesondere in Kündigungsschutzprozessen oder bei Streitigkeiten über die Eingruppierung. Zudem wird es nicht selten durch Betriebsratsmitglieder geltend gemacht, die damit ein "Testballon" für andere Beschäftigte starten. Die Wirkung solcher Auskunftsverlangen reicht somit oftmals über den Einzelfall hinaus. Eine gerichtliche Entscheidung über das Vorliegen einer geschlechtsbezogenen Entgeltdiskriminierung kann sowohl unter Compliance-Gesichtspunkten als auch im Hinblick auf die öffentliche Wahrnehmung erhebliche Auswirkungen haben. Ist die Beweislast einmal auf den Arbeitgeber übergegangen, ist eine rein reaktive Verteidigung regelmäßig schwierig. Es empfiehlt sich daher, das Auskunftsrecht frühzeitig ernst zu nehmen und innerbetriebliche Prozesse im Hinblick auf die bevorstehende Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie zu überprüfen.
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