Neuigkeiten

Case Study: Mit Pre-Audits einen Schritt voraus bei der Lohntransparenz

Hintergrund und Kontext

Viele Unternehmen sind derzeit von der Berichtspflicht nach dem deutschen Entgelttransparenzgesetz befreit, da es nur für Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten gilt. Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie, die am 7. Juni 2026 in Kraft tritt, verpflichtet jedoch Unternehmen mit 150 oder mehr Beschäftigten, bis zum 7. Juni 2027 Berichte zur Entgeltgleichheit vorzulegen. Nach und nach werden auch Unternehmen mit 100 oder mehr Beschäftigten davon betroffen sein.

 

Audit-Methodik

Unser Ansatz basiert sowohl auf dem bestehenden deutschen Entgelttransparenzgesetz als auch auf der bevorstehenden europäischen Richtlinie. Die wichtigsten Schritte sind:

 

1. Rollentrennung

Wir beginnen mit der Kategorisierung aller Mitarbeiterrollen anhand der Rollentitel.

 

2. Geschlechtertrennung

In einem nächsten Schritt werden die Mitarbeitenden in jeder Rolle in zwei Gruppen eingeteilt: weiblich und männlich. Diese grundlegende Aufteilung ist entscheidend für die Analyse der Lohngleichheit innerhalb jeder Rolle.

 

3. Berechnung des durchschnittlichen Bruttoentgelts

Innerhalb jeder Geschlechtergruppe berechnen wir die durchschnittliche Bruttovergütung für alle Funktionen. Dies umfasst sowohl Festgehälter als auch variable Komponenten wie Boni und Provisionen oder gegebenenfalls betriebliche Altersversorgungssysteme.

 

4. Geschlechtsspezifischer Vergütungsvergleich

Wir vergleichen die durchschnittliche Bruttovergütung von männlichen und weiblichen Mitarbeitenden innerhalb jeder Funktion. Der Schwellenwert für akzeptable Gehaltsunterschiede liegt bei 5 %, in Übereinstimmung mit der EU-Entgelttransparenzrichtlinie. Ungleichheiten, die diesen Schwellenwert überschreiten, werden zur weiteren Prüfung gekennzeichnet.

 

5. Objektive Rechtfertigungsanalyse

Bei Lohnunterschieden von mehr als 5 % prüfen wir, ob sie durch objektive und legitime Kriterien gerechtfertigt werden können. Nach geltendem deutschem Recht können als Rechtfertigungsgründe u. a. die Arbeitsmarktbedingungen, die Leistung der Mitarbeitenden oder die erzielten Ergebnisse herangezogen werden, sofern der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt. Jüngste Urteile, wie die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom Februar 2023, werden berücksichtigt. So stellt das Gericht beispielsweise fest, dass überragendes Verhandlungsgeschick keine gültige Rechtfertigung darstellt, während Unterschiede aufgrund des Dienstalters zulässig sein können, wenn sie verhältnismäßig sind.

 

6. Analyse auf individueller und gruppenbezogener Ebene

Wir untersuchen auch die individuelle Vergütung von Mitarbeitenden, um Fälle zu ermitteln, in denen die Bruttovergütung einer Einzelperson deutlich unter dem Durchschnitt der Gruppe des anderen Geschlechts liegt.

  • Bei Unterschieden, die den Schwellenwert von 5 % überschreiten, führen wir eine detaillierte Analyse durch, um festzustellen, ob objektive Gründe die Differenz rechtfertigen.

  • Bei den Prüfungen werden keine gruppeninternen Gehaltsunterschiede (z. B. Unterschiede zwischen weiblichen oder männlichen Beschäftigten) bewertet.

Beobachtungen und Empfehlungen

Die Prüfungen zeigen Bereiche auf, in denen Lohnanpassungen erforderlich sein könnten, um die in der europäischen Richtlinie festgelegten Standards zu erfüllen. Wir geben Empfehlungen für die Beseitigung ungerechtfertigter Lohnunterschiede, darunter:

  • Festlegung interner Benchmarks für Lohngleichheit

  • Einführung von strukturierten Prozessen zur Überprüfung der Vergütung

  • Bereitstellung von Leitlinien für künftige Methoden der Entgeltfestlegung, um die Einhaltung der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Rechtfertigung zu gewährleisten

Unsere Ergebnisse geben Unternehmen einen klaren Fahrplan an die Hand, mit dem sie sowohl die aktuellen als auch die künftigen Verpflichtungen zur Lohntransparenz erfüllen können, um die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten und die Gerechtigkeit am Arbeitsplatz zu fördern.

3 Fragen an Dr. Sabine Vianden

Dr. Sabine Vianden ist eine ausgewiesene Expertin für Entgelttransparenz und Entgeltgleichheitsvorschriften und seit 2021 im Hamburger Büro von Littler tätig. Sie ist promovierte Juristin und hat ihre Dissertation zum Thema „Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit“ verfasst – ein Thema, das im Kontext der EU-Entgelttransparenzrichtlinie und dem deutschen Entgelttransparenzgesetz zunehmend an Bedeutung gewonnen hat. Ihr Fachwissen macht sie zur Expertin für Entgelttransparenz und damit zu einer gefragten Beraterin für Unternehmen, die komplexe Compliance-Anforderungen erfüllen und gerechte Entgeltstrukturen einführen müssen.

1) Warum ist Lohntransparenz ein wichtiges Thema?

Im Jahr 2021 verdienten männliche Arbeitnehmer in der EU27 im Durchschnitt 12,7% mehr pro Stunde als ihre weiblichen Kollegen. Diese Ungleichheit bedeutet, dass Frauen effektiv etwa eineinhalb Monate weniger Gehalt pro Jahr verdienen. In Deutschland ist die Situation noch ausgeprägter: Im Jahr 2023 verdienten Frauen rund 18 % weniger pro Stunde als Männer, basierend auf dem durchschnittlichen Bruttostundenlohn der Männer.

Das eigene Gehalt und das der Kollegen ist in Deutschland in vielen Branchen immer noch ein Tabuthema und weibliche Beschäftigte wissen schlichtweg nicht, was ihre Kollegen verdienen und können daher eventuell bestehende Lohnansprüche nicht geltend machen. 2017 hat der deutsche Gesetzgeber mit dem Entgelttransparenzgesetz einen Auskunftsanspruch für Beschäftigte in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitenden geschaffen. Seitdem können sie erfahren, was die Kolleginnen bzw.Kollegen in ihrer Vergleichsgruppe verdienen, sofern diese Gruppe aus mindestens 6 Beschäftigten besteht.

 

2) Was erwarten Sie von der neuen EU-Richtlinie?

Die EU-Mitgliedstaaten haben bis Juni 2026 Zeit, die Bestimmungen der Entgelttransparenzrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. Für Deutschland geht sie über das hinaus, was im aktuell geltenden Recht geregelt ist. Sie legt unter anderem fest, welche Kriterien zugrunde gelegt werden müssen, wenn wir ein System der Eingruppierung oder Entgeltfindung im Unternehmen haben. Im Einzelnen sind dies: Qualifikation, Arbeitsbelastung, Verantwortlichkeiten und die Arbeitsbedingungen des Arbeitsplatzes. Darüber hinaus soll das Informationsrecht auf die Anbahnung des Arbeitsverhältnisses ausgedehnt werden, damit auch Bewerber Kenntnis von den Vergütungsstrukturen erlangen können. Für Unternehmen oder externe Personalvermittler soll dagegen das Auskunftsrecht (z.B. über die Vergütung in früheren Arbeitsverhältnissen) eingeschränkt werden. Künftig sollen auch Arbeitgeber aktiv darauf hinwirken, dass Arbeitnehmer über ihre Informationsrechte informiert werden. Nicht zuletzt wird der verpflichtende Gender Pay Gap Report für Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten, der schrittweise eingeführt wird, viele Unternehmen vor große Herausforderungen stellen, wenn die geforderten Daten nicht bekannt sind. Und auch die Folgen der Nichteinhaltung, wie z. B. Geldstrafen, sollten nicht außer Acht gelassen werden.

 

3) Welche Empfehlung haben Sie für mitbestimmte deutsche Betriebe, die sich mit den Informationsrechten von Betriebsräten über diskriminierungsfreies Entgelt befassen?

Wir empfehlen mitbestimmten Unternehmen, die Frage der diskriminierungsfreien Entlohnung proaktiv anzugehen, indem sie eine strukturierte Analyse mit externen Experten durchführen. Dieser Ansatz ermöglicht es Arbeitgebern, potenzielle Entgeltunterschiede intern zu ermitteln und anzugehen, bevor sie dem Betriebsrat Daten vorlegen müssen. Arbeitgeber können so besser verstehen, wo Probleme bestehen könnten, Argumente zur Rechtfertigung bestimmter Lohnunterschiede entwickeln (sofern dies rechtlich zulässig ist) und Zeit gewinnen, um etwaige Fälle von Diskriminierung zu beseitigen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Weitergabe von Daten an den Betriebsrat zu den Bedingungen des Arbeitgebers erfolgt und das Risiko unnötiger Unruhen oder Zeitdruck minimiert wird. Analysiert dagegen ein mitbestimmter deutscher Arbeitgeber die Entgeltdaten selbst, kann der Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 BetrVG einen Echtzeit-Zugang zu den Rohdaten verlangen, was zu erheblichen betrieblichen Herausforderungen führen kann. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Arbeitgeber durch die Zusammenarbeit mit Experten die Kontrolle über den Prozess und den Zeitplan erhält, potenzielle Störungen vermeidet und die Einhaltung rechtlicher Anforderungen auf eine strategischere und handhabbarere Weise sicherstellt.

Case Study: Mit Pre-Audits einen Schritt voraus bei der Lohntransparenz
Dr. Sabine Vianden