In Betrieben mit wenigstens fünf schwerbehinderten Mitarbeitern, die nicht nur vorübergehend beschäftigt sind, ist eine Schwerbehindertenvertretung zu bilden. In getrennten Wahlgängen werden eine Vertrauensperson sowie mindestens ein stellvertretendes Mitglied gewählt.
Schwerbehinderte Mitarbeiter sind alle Personen, bei denen
eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX vorliegt und
der Grad der Behinderung (GdB) mindestens 50 beträgt.
Aber auch gleichgestellte behinderte Menschen gehören mit zu dieser zu vertretenden Gruppe. Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind Personen,
bei denen eine Behinderung festgestellt wurde,
bei denen der GdB weniger als 50 aber mindestens 30 beträgt,
die ohne eine Gleichstellung infolge ihrer Behinderung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder behalten können
und denen nach entsprechender Antragsstellung ein Gleichstellungbescheid erteilt worden ist.
Die regelmäßige Amtszeit der Schwerbehindertenvertretung beträgt vier Jahre. Doch was geschieht, wenn zwischenzeitlich die Anzahl der schwerbehinderten Mitarbeiter in einem Betrieb auf unter fünf Mitarbeiter sinkt?
Hierüber stritten gerade eine Arbeitgeberin und die Schwerbehindertenvertretung ihres Kölner Betriebes. In diesem war im November 2019 eine Schwerbehindertenvertretung gewählt worden. Zum August 2020 sank die Anzahl der schwerbehinderten Mitarbeiter und diesen Gleichgestellten im Betrieb auf vier ab.
Daraufhin teilte die Arbeitgeberin der Schwerbehindertenvertretung mit, dass aus ihrer Sicht eine Schwerbehindertenvertretung nicht mehr existiere. Vielmehr – so die Arbeitgeberin – würden die schwerbehinderten Beschäftigten künftig wieder von der Schwerbehindertenvertretung eines anderen Betriebs der Arbeitgeberin betreut werden. Sowohl das Arbeits- als auch das Landesarbeitsgericht Köln teilten in einem nachfolgenden Beschlussverfahren die Auffassung, dass eine Schwerbehindertenvertretung nicht mehr existiere; sie wiesen den Antrag der Schwerbehindertenvertretung auf Feststellung, dass ihre Amtszeit nicht aufgrund des Herabsinkens der Anzahl schwerbehinderter Mitarbeiter im Kölner Betrieb der Arbeitgeberin unter fünf beendet sei, zurück.
Das Bundesarbeitsgericht sah das allerdings anders und entschied im Rechtsbeschwerdeverfahren, dass das Amt der Schwerbehindertenvertretung nicht vorzeitig beendet ist. Es bestehe keine gesetzliche Regelung, die das Erlöschen der Schwerbehindertenvertretung bei Absinken der Anzahl schwerbehinderter Mitarbeiter im Betrieb unter den Schwellenwert von fünf (vgl. § 177 Abs. 1 S. 1 SGB IX) vorsehe. Eine solche vorzeitige Beendigung der Amtszeit sei weder aus Gründen der Gesetzessystematik noch im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Schwellenwerts geboten.
Wenn auch die Entscheidungsgründe zu dieser Entscheidung vom 19.10.2022 (7 ABR 27/21) noch nicht veröffentlicht worden sind, so lässt sich doch bereits jetzt festhalten, dass sich für Arbeitgeber im Falle des Absinkens der Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter im Betrieb unter den Schwellenwert von fünf zunächst einmal in der Zusammenarbeit mit der Schwerbehindertenvertretung in Ihrer täglichen Personalpraxis nichts ändert. Damit Sie für diese bestmöglich gewappnet sind, möchten wir Ihnen die folgenden drei Praxistipps mit auf den Weg geben:
Praxistipp 1:
Nehmen Sie die Schwerbehindertenvertretung und ihre gesetzlichen Aufgaben ernst und entscheiden Sie im Einzelfall wohlüberlegt, ob und wann Sie die Schwerbehindertenvertretung überobligatorisch (d.h. über Ihre gesetzlichen Pflichten hinaus) beteiligen. Wie auch in der Zusammenarbeit mit Betriebsräten gilt: Es ist ein ständiges „Geben und Nehmen“. Wenn Sie überobligatorisch handeln, empfehlen wir Ihnen, dies unbedingt klarzustellen.
Praxistipp 2:
Die wesentlichen Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung sind die
Förderung der Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb,
Interessenvertretung der schwerbehinderten Menschen im Betrieb sowie
Beratung und Unterstützung schwerbehinderter Menschen.
Anders als der Betriebsrat hat die Schwerbehindertenvertretung allerdings keine echten Mitbestimmungsrechte und keine Kompetenz zur Vereinbarung verbindlicher kollektiver Regelungen (ausgenommen hiervon ist der Abschluss einer Inklusionsvereinbarung).
Praxistipp 3:
Denken Sie bei einer beabsichtigten Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters daran, die Schwerbehindertenvertretung (spätestens parallel zum Betriebsrat) zu unterrichten und anzuhören. Da die Fristen zur Stellungnahme – anders als bei den Stellungnahmefristen des Betriebsrats – nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt sind, empfehlen wir Ihnen, sich an der Wochenfrist für die Betriebsratsanhörung (bzw. 3-Tages-Frist im Falle einer außerordentlichen Kündigung) zu orientieren, die Fristsetzung aber explizit in das Anhörungsschreiben aufzunehmen.