Das deutsche Arbeitsrecht ist über seine Grenzen hinaus bekannt für seinen weitreichenden Kündigungsschutz. Während es noch allgemein bekannt sein mag, dass nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit und Überschreiten einer bestimmten Schwelle an regelmäßig Beschäftigten jede Kündigung eines rechtfertigenden Kündigungsgrundes bedarf, ist vielen - vor allem ausländischen - Arbeitgebern nicht bewusst, dass (wenn auch nur vorübergehend) bei bestimmten Arbeitnehmergruppen überhaupt keine ordentliche Kündigung möglich ist oder eine solche nur unter bestimmten Voraussetzungen, z.B. mit Zustimmung bestimmter Behörden, zulässig ist.
Welchen besonderen Kündigungsschutz gibt es in Deutschland?
Nach dem deutschen Recht existiert eine Vielfalt an Sonderkündigungsschutzregelungen. Die für Arbeitgeber in der Praxis relevantesten betreffen die folgenden Personengruppen:
Mitglieder einer Arbeitnehmervertretung genießen für unterschiedlich lange Zeiträume besonderen Kündigungsschutz. Dazu gehören die Mitglieder des Betriebsrats und der Auszubildendenvertretung sowie unter weiteren Voraussetzungen deren Stellvertreter. Darüber hinaus sind die Mitglieder des Wahlvorstandes, die Wahlbewerber und (zeitlich und zahlenmäßig begrenzt) die Arbeitnehmer, die zu einer Betriebs- oder Wahlversammlung nach § 15 KSchG einladen, vor ordentlichen Kündigungen geschützt. Das Gleiche gilt für die Schwerbehindertenvertretung (§ 179 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Einen besonderen Kündigungsschutz für Mitglieder des Aufsichtsrates sieht das deutsche Arbeitsrecht hingegen nicht vor
Schwerbehinderte (und ihnen gleichgestellte) Menschen genießen ebenfalls einen besonderen Kündigungsschutz nach § 168 SGB IX
Auch schwangere Frauen genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Betroffene Arbeitnehmerinnen können dem Arbeitgeber die Schwangerschaft zudem noch bis zu zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitteilen. Arbeitnehmerinnen im Mutterschutz genießen ebenso bis mindestens zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung Sonderkündigungsschutz
Kündigungsschutz während der Eltern- oder Pflegezeit wird nach § 18 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) und bei der (Familien-)Pflegezeit nach § 5 PflegeZG in der Regel ab dem Zeitpunkt der Beantragung der Freistellung gewährt.
Im Rahmen von Umstrukturierungen sollten Arbeitgeber außerdem etwaigen tarifvertraglichen Kündigungsschutz berücksichtigen: Viele Tarifverträge sehen einen besonderen Kündigungsschutz für Arbeitnehmer ab einem bestimmten Alter und/oder einer bestimmten Betriebszugehörigkeit vor. Auch können Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen Klauseln enthalten, die die ordentliche (betriebsbedingte) Kündigung von Arbeitnehmern für einen bestimmten Zeitraum an einem bestimmten Standort ausschließen.
Welchen eher unbekannten Sonderkündigungsschutz sieht das deutsche Recht vor?
Eher unbekannt, aber in der Praxis dennoch relevant, sind die folgenden Sonderkündigungsschutztatbestände:
Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) können Auszubildende nach Ablauf der Probezeit nur aus wichtigem Grund gekündigt werden. Dies ist nach ständiger Rechtsprechung nur dann der Fall, wenn das Ausbildungsziel erheblich beeinträchtigt wird und die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses unzumutbar ist. Davon ist in der Regel nur bei schwerwiegenden Störungen im Vertrauensbereich auszugehen, bspw. bei Diebstahl oder Betrug.
Ein weiterer, eher unbekannter Sonderkündigungsschutztatbestand ist der besondere Kündigungsschutz für bestimmte Betriebsbeauftragte:
Der aufgrund gesetzlicher Verpflichtung bestellte Datenschutzbeauftragte genießt besonderen Kündigungsschutz nach § 6 Abs. 4 Satz 2, § 38 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Somit kann der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis nur dann fristlos kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Nach § 6 Abs. 4 Satz 3 BDSG gilt dieser besondere Kündigungsschutz noch für ein Jahr nach Beendigung der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter. Wie das BAG erst kürzlich bestätigte, gilt dieser besondere Kündigungsschutz auch während der Probe- und Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG. 1 KSchG (d.h. ab Beginn des Arbeitsverhältnisses).
In einigen Fällen unterliegen auch Arbeitnehmer, die ein politisches Mandat ausüben oder sich im Rahmen bestimmten Ehrenämtern engagieren, dem besonderen Kündigungsschutz. So verbietet beispielsweise § 2 Abs. 3 AbgG die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Mitgliedern und Kandidaten des Bundestages. Der besondere Kündigungsschutz beginnt mit der Nominierung des Kandidaten durch das zuständige Gremium der Partei oder mit der Einreichung des Wahlvorschlags und dauert ein Jahr nach Ablauf des Mandats an. Eine Kündigung aus wichtigem Grund bleibt zulässig. Gleiches gilt für Mitglieder des Europäischen Parlaments (§ 3 Abs. 3 EuAbgG). In einigen Fällen sieht auch das Landesrecht auch einen besonderen Kündigungsschutz für Mitglieder der Landes- und Kreistage sowie auf kommunaler Ebene vor.
Besonderer Kündigungsschutz kann sich auch aus dem Arbeitsvertrag ergeben
Schließlich kann das Recht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch durch vertragliche Vereinbarung eingeschränkt werden. So ist der Ausschluss einer ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber im Arbeitsvertrag wirksam. Entsprechende Regelungen finden sich in der Praxis oft in Arbeitsverträgen mit Compliance-Beauftragten, die anderenfalls keinen besonderen Kündigungsschutz genießen würden. Entsprechende Vereinbarungen sind oft Teil von Verhandlungen, da anderenfalls oft keine ausreichend qualifizierten Personen für diese spezielle Aufgabe gewonnen werden können. Eine Vereinbarung im Arbeitsvertrag, wonach die Kündigung von der Zustimmung des Betriebsrats abhängig ist, ist hingegen unwirksam.
Welche weiteren Sonderkündigungsschutztatbestände darüber hinaus in Deutschland existieren und wie es sich im Vergleich dazu beispielsweise in anderen europäischen Ländern (z.B. im Rechtsvergleich zu Portugal verhält) können Sie hier lesen.
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