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Wichtige Klarstellungen zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen

van_portraits_840x840px_17_kaul.png Christoph Kaul

Januar 2019

Lesedauer: Min

Das BAG hat offene Fragen zum Anhörungsverfahren der Schwerbehindertenvertretung geklärt

1. Ausgangssituation
Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes (§ 168 SGB IX). Außerdem muss der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung den Betriebsrat anhören. Unterlässt dies der Arbeitgeber, ist die Kündigung unwirksam (§ 102 Abs. 1 BetrVG). Der Arbeitgeber hat auch die Schwerbehindertenvertretung „unverzüglich und umfassend“ zu unterrichten und anzuhören (§ 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX). Achtung: Falls der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung nicht oder fehlerhaft beteiligt, ist die Kündigung unwirksam (§ 178 Abs. 2 S. 3 SGB IX). Wir hatten hier darüber berichtet.

Offen war bislang: Welchen Inhalt muss die Anhörung haben? Wie lange hat die Schwerbehindertenvertretung Zeit für eine Stellungnahme? Zu welchem Zeitpunkt muss die Anhörung erfolgen? Diese umstrittenen Fragen hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr mit Urteil vom 13. Dezember 2018 (Az. 2 AZR 378/18) beantwortet. Dieses Urteil erging zu § 95 Abs. 2 SGB XI a.F., der gleichlautenden Vorgängerreglung des § 178 Abs. 2 SGB IX und ist deshalb eins zu eins auf die heute Rechtslage übertragbar.

2. Inhalt der Anhörung
Das Gesetz schweigt zum erforderlichen Inhalt der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung. Das Arbeitsgericht Leipzig (Urteil vom 17. August 2017, Az. 8 Ca 1122/17) war der Auffassung, dass die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers gegenüber der Schwerbehindertenvertretung inhaltlich hinter der gegenüber dem Betriebsrat zurückbleiben könne. Dies hat das Bundesarbeitsgericht abgelehnt. In dem bislang als Pressemitteilung vorliegenden Urteil vom 13. Dezember 2018 hat das Bundesarbeitsgericht betont, dass sich der erforderliche Inhalt der Anhörung der Schwerbehindertenvertretung nach den für die Anhörung des Betriebsrats geltenden Grundsätzen richte.

3. Frist zur Stellungnahme
Dies gilt auch für die Frist zur Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung. Auch diesbezüglich existieren keine gesetzlichen Regelungen. Die Praxis hatte sich bislang bereits an den für die Anhörung des Betriebsrats geltenden Fristen des § 102 BetrVG orientiert. Nunmehr erfolgte die Bestätigung des 2. Senats: Im Falle einer ordentlichen Kündigung hat die Schwerbehindertenvertretung ihre Bedenken spätestens innerhalb von einer Woche schriftlich mitzuteilen, bei einer außerordentlichen Kündigung spätestens innerhalb von drei Tagen.

4. Zeitpunkt der Anhörung

Ebenso völlig ungeklärt war bislang, ob die Reihenfolge der Beteiligung von Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung sowie des Zustimmungsverfahrens vor dem Integrationsamt Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Kündigung hat.

Das sächsische Landesarbeitsgericht als Vorinstanz zum aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts ließ die Wirksamkeit einer Kündigung aufgrund eines Verstoßes gegen die Anhörungspflicht der Schwerbehindertenvertretung scheitern (Urteil vom 08. Juni 2018, Az. 5 Sa 458/17). Die Schwerbehindertenvertretung dürfe nicht erst nach Abschluss eines Verfahrens beim Integrationsamt und/oder der Anhörung des Betriebsrats beteiligt werden. Auch das Arbeitsgericht Leipzig stellte in seinem Urteil vom 17. August 2017 (Az. 8 Ca 1122/17) die Unwirksamkeit einer Kündigung fest, weil der Arbeitgeber erst nach Zugang des Bescheides des Integrationsamts und nach Anhörung des Betriebsrats die Schwerbehindertenvertretung unterrichtet hatte. So hatte in einem anderen Verfahren auch das Arbeitsgericht Hagen entschieden (Urteil vom 06. März 2018, Az. 5 Ca 1902/17).

Das Bundesarbeitsgericht stellte nun klar: Eine Kündigung ist nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung entgegen § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX nicht unverzüglich über seine Kündigungsabsicht unterrichtet oder ihr das Festhalten an seinem Kündigungsentschluss nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Deshalb habe das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, die Kündigung sei unwirksam, weil die Beklagte die Schwerbehindertenvertretung erst nach Abschluss des Verfahrens vor dem Integrationsamt und nach Anhörung des Betriebsrats beteiligt habe.

Konsequenzen für die Praxis
Die Klarstellungen des Bundesarbeitsgerichts sind zu begrüßen. Wir empfehlen eine zeit- und inhaltsgleiche Anhörung der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebsrats. Die Fristen für die Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung orientieren sich an denen für Betriebsräte. In Übereinstimmung mit einem Positionspapier der Integrationsämter vom 21. März 2017 ist die zeitliche Reihenfolge der Anhörungen von Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung sowie des Zustimmungsverfahrens bei dem Integrationsamt für die Wirksamkeit der Kündigung ohne Bedeutung.