Regelungen zu Mehrarbeitszuschlägen müssen so ausgestaltet sein, dass sie die individuelle Arbeitszeit berücksichtigen. Teilzeitbeschäftigte müssen daher bei entsprechender Überschreitung ihrer Arbeitszeit ebenso wie Vollzeitbeschäftigte Zuschläge erhalten. Eine Orientierung an einer festen Schwelle – das heißt z.B. die Zahlung eines Mehrarbeitszuschlages ab der 41. Wochenstunde – ist unzulässig.
Das Verbot der Diskriminierung in Bezug auf das Arbeitsentgelt von Teilzeitbeschäftigten
Nach dem Gesetz muss einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer das Arbeitsentgelt mindestens in dem Umfang gezahlt werden, der dem Anteil seiner Arbeitszeit im Verhältnis zu der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht (§ 4 Abs. 1 S. 2 TzBfG).
Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Mehrarbeitsvergütung erst bei Überschreitung der Vollzeit-Wochenarbeitszeit
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat im November 2025 entschieden, dass eine (tarifvertragliche) Regelung, welche die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen erst ab der 41. Wochenstunde vorsieht, gegen das Diskriminierungsverbot Teilzeitbeschäftigter verstößt. Teilzeitbeschäftigte werden durch eine solche Regelung schlechter gestellt, da sie im Vergleich mit ihren in Vollzeit beschäftigten Kollegen mehr Überstunden ansammeln müssen, um Mehrarbeitszuschläge zu erhalten (BAG v. 26.11.2025, 5 AZR 118/23).
Bislang liegt zu der Entscheidung lediglich die Pressemitteilung vor. Nach Auffassung des BAG sei die Zahlung eines Mehrarbeitszuschlags erst ab der 41. Wochenstunde nicht deshalb gerechtfertigt, weil die Gesundheit der Arbeitnehmer ggf. erst bei einer 40 Stunden überschreitenden Arbeitszeit beeinträchtigt sein könne. Eine solche Beurteilung lasse Belastungen unberücksichtigt, die Teilzeitbeschäftigten auch bei einem Überschreiten ihrer Teilzeit-Wochenarbeitszeit entstehen.
Die Nichtigkeit der (im entschiedenen Fall tariflichen) diskriminierenden Regelung zur Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen hat zur Folge, dass der Arbeitgeber an Teilzeitbeschäftigte bereits vor Erreichen der 41. Wochenstunde einen Mehrarbeitszuschlag zahlen muss. Nach dem sogenannten Pro-rata-temporis-Grundsatz ist zu bestimmen, ab wann dem jeweiligen Teilzeitbeschäftigten ein Zahlungsanspruch zusteht: Das Verhältnis der Wochenarbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten zur ersten zuschlagspflichtigen Mehrarbeitsstunde ist entsprechend auf die individuelle Teilzeit-Wochenarbeitszeit zu übertragen.
Im vom BAG entschiedenen Fall lag eine Vollzeitbeschäftigung bei einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden vor. Mehrarbeitszuschläge waren vorgesehen, wenn 40 Wochenstunden überschritten werden.
Der Kläger war in Teilzeit mit einer Wochenarbeitszeit von 30,8 Stunden tätig – deshalb stand ihm bei mehr als 1,2 Stunden Mehrarbeit, das heißt ab der 33. Wochenstunde ein Mehrarbeitszuschlag zu:
38,5 Wochenarbeitszeit Vollzeit
= 1,5 Stunden unbezahlte Mehrarbeit
30,8 Wochenarbeitszeit Teilzeit
= 1,2 Stunden unbezahlte Mehrarbeit
Praxishinweis:
Die Entscheidung des BAG zur Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Zahlung eines Mehrarbeitszuschlages erst ab einer festen, für alle Arbeitnehmer gleichen Wochenstundenanzahl ist auf Regelungen außerhalb von Tarifverträgen übertragbar. Auch in Arbeitsverträgen oder kollektivrechtlichen Vereinbarungen wie Betriebsvereinbarungen ist darauf zu achten, dass bei der Gewährung von Mehrarbeitszuschlägen die individuelle Wochenarbeitszeit berücksichtigt werden muss.
Eine solche Regelung könnte wie folgt lauten:
Mehrarbeitszuschläge für Mitarbeiter in Vollzeit (38,5 Wochenarbeitsstunden) werden gezahlt, sofern und soweit die Wochenarbeitszeit 40 Stunden überschreitet.
Mehrarbeitszuschläge für Mitarbeiter in Teilzeit (individuelle Teilzeitarbeitszeit) werden gezahlt, sofern und soweit eine individuelle Wochenarbeitszeit überschritten wird, welche wie folgt berechnet wird: 40 ¸ 38,5 x individuelle Teilzeitarbeitszeit
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