Der Weg in die Einigungsstelle
Bestehen Meinungsverschiedenheiten zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und sind diese nicht durch Verhandlungen beizulegen, sieht das Betriebsverfassungsgesetz die Bildung einer Einigungsstelle vor. In der Einigungsstelle verhandeln die Betriebsparteien unter Leitung eines/einer unparteiischen Vorsitzenden und mit meist zwei oder drei Beisitzern je Seite über die Beilegung der Streitfrage. Gelingt die Einigung nicht, entscheidet die Einigungsstelle durch einen Spruch, bei dem in der Regel die Stimme des Vorsitzenden ausschlaggebend ist (siehe auch https://www.vangard.de/blog/vorsicht-vor-der-einigung-der-einigungsstelle).
In Betrieben, in denen das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat zerrüttet ist, scheint der Gang in die Einigungsstelle beim Auftreten jedes noch so kleinen Konflikts oft vorgezeichnet.
Oftmals ist es der Betriebsrat, der die Bildung der Einigungsstelle erzwingt, da er sich in der Ausübung seiner Mitbestimmungsrechte beschränkt sieht. Der Arbeitgeber wiederum trägt stets die Kosten der Einigungsstelle, was eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen kann – je nach Zusammensetzung sind Kosten in Höhe von EUR 10.000 oder mehr für einen vollen Sitzungstag der Einigungsstelle nicht ausgeschlossen. Das erhöht natürlich den Einigungsdruck.
Niedrige Hürden
Zwar kann bei Meinungsverschiedenheiten über mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten grundsätzlich keine Seite die Mitwirkung an der Bildung der Einigungsstelle verweigern. Kommt allerdings eine Einigung über die Person des Vorsitzenden oder über die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle nicht zustande, so kann die Entscheidung darüber nach Antrag einer Betriebspartei durch das Arbeitsgericht erfolgen. Bei Zurückweisung eines solchen Antrags durch das Arbeitsgericht ist die Bildung der Einigungsstelle gescheitert.
Das Arbeitsgericht prüft dabei, ob die Einigungsstelle für den in Frage stehenden Streit überhaupt zuständig wäre. Diese Zuständigkeitsprüfung erfolgt jedoch nur nach einem sehr eingeschränkten Maßstab: Anträge dürfen in diesem Zusammenhang nämlich grundsätzlich nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Fehlt es an einer offensichtlichen Unzuständigkeit, obliegt es dann der Einigungsstelle selbst, ihre Zuständigkeit zu prüfen.
Neben dieser eingeschränkten Zuständigkeitskontrolle prüft das Arbeitsgericht, ob vor Antragsstellung tatsächlich Verhandlungen zwischen den Betriebsparteien mit dem ernsten Willen zur Einigung geführt wurden und gescheitert sind.
Sowohl an die Zuständigkeit der Einigungsstelle wie auch an das Scheitern der Verhandlungen stellt die Rechtsprechung keine allzu scharfen Anforderungen. Nichtsdestotrotz kann die antragsstellende Betriebspartei nicht blind darauf vertrauen, dass die Einigungsstelle tatsächlich gebildet wird.
Offensichtliche Unzuständigkeit
„Wenn ich länger als zwei Minuten darüber nachdenken muss, ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig“
Dieser beispielhafte Satz eines Arbeitsrichters veranschaulicht, dass Arbeitsgerichte die Einsetzung der Einigungsstelle im Zweifel nicht an der offensichtlichen Unzuständigkeit scheitern lassen. Strebt etwa der Betriebsrat die Bildung der Einigungsstelle an, ist diese nur offensichtlich unzuständig, wenn das in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht offensichtlich nicht besteht.
Dennoch ist der Einzelfall genau zu prüfen, da ein Mitbestimmungsrecht etwa deshalb ausgeschlossen sein kann, weil überhaupt kein kollektiver Spielraum für eine Regelung besteht. So gibt es beispielsweise Landesarbeitsgerichte, welche die Bildung von Einigungsstellen im Hinblick auf die Pflicht des Arbeitgebers, Homeoffice anzubieten, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen (vormals SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung, nunmehr im Infektionsschutzgesetz des Bundes geregelt), ablehnen, weil in der jeweiligen Konstellation kein auszufüllender Regelungsspielraum mehr besteht, der aber für die Ausübung von Mitbestimmungsrechten erforderlich ist.
Scheitern der Verhandlungen
Weiterhin tritt gerade bei zerrütteten Verhältnissen zwischen den Betriebsparteien häufig der Reflex auf, von Beginn an davon auszugehen, dass eine gütliche Einigung ohnehin nicht zustande kommen wird und umgehend beim Arbeitsgericht einen Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden zu stellen. Dies kann aber dazu führen, dass der Antrag wegen des Fehlens eines Rechtsschutzinteresses zurückgewiesen wird. Denn der Antragssteller muss zuvor tatsächlich den Versuch unternommen haben, über eine Einigung zu verhandeln. Nur wenn die Gegenseite die Verhandlungen verweigert oder diese gescheitert sind, besteht ein Bedürfnis für die Einsetzung einer Einigungsstelle.
Die Rechtsprechung stellt zwar auch diesbezüglich keine hohen Anforderungen an die Darlegung des Scheiterns der Verhandlungen. Doch befreit die Annahme, die Gegenseite sei ohnehin nicht verhandlungsbereit, nicht davon, Verhandlungen mit dem Ziel einer Einigung zumindest zu versuchen. So fehlt es beispielsweise an dem Bedürfnis für eine sachliche Entscheidung des Arbeitsgerichts, wenn der Betriebsrat in einer E-Mail an den Arbeitgeber ankündigt, eine Einigungsstelle anzurufen, sofern nicht innerhalb von etwa drei Wochen vier verschiedene Betriebsvereinbarung zustande gekommen sein sollten. Diese Aufforderung des Betriebsrats zeigt keine Verhandlungsbereitschaft, sondern nur den Willen die eigenen Vorstellungen umgehend umzusetzen. Der Zeitraum von drei Wochen war in diesem Fall von vornherein zu kurz bemessen.
Fazit
Auch wenn die Anforderung an eine gerichtliche Einsetzung einer Einigungsstelle gering sind, ist ein entsprechender Antrag kein „Selbstläufer“. Es lohnt daher gerade aus Arbeitgebersicht immer, bei entsprechenden Anträgen des Betriebsrats genauer hinzusehen.
Ferner kann eine Wirtschaftsmediation oftmals eine konstruktivere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat fördern (siehe https://www.vangard.de/mediation).