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Die Anrechnung anderweitigen Verdienstes für die Dauer der Freistellung

van_portraits_840x840px_02_kast.png Dr. Matthias Kast

November 2023

Lesedauer: Min

Der Teufel liegt im Detail

Wir haben in einem früheren Beitrag bereits aufgezeigt, was geschieht, wenn ein Arbeitnehmer im Falle einer Trennung für die Dauer des Annahmeverzuges keiner anderen Beschäftigung nachgeht bzw. keine Bewerbungsbemühungen entfaltet. In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit der Frage, was eigentlich passiert, wenn der Arbeitnehmer bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist eine neue Beschäftigung aufnimmt und dort tatsächlich anderweitigen Erwerb erzielt.

Trennen sich die Wege von Arbeitnehmer und Arbeitgeber, spricht der Arbeitgeber häufig zeitgleich mit der Kündigung auch eine Freistellung aus. In der einseitigen Freistellung von der Arbeitspflicht ist die Erklärung des Arbeitgebers zu sehen, die Dienste des Arbeitnehmers nicht länger in Anspruch nehmen zu wollen, d.h. die Annahme der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsleistung abzulehnen. Durch diese Erklärung gerät der Arbeitgeber in Annahmeverzug, was dazu führt, dass er grundsätzlich dazu verpflichtet ist, Annahmeverzugslohn in Höhe der bislang erzielten monatlichen Vergütung zu zahlen. Tritt der Arbeitnehmer im Freistellungszeitraum, d.h. vor Ablauf der Kündigungsfrist, ein neues Beschäftigungsverhältnis an, stellt sich die Frage, inwieweit dieser anderweitige Verdienst vom alten Arbeitgeber auf den Annahmeverzugslohn angerechnet werden kann. Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang einige Voraussetzungen aufgestellt, die wir im Folgenden erläutern.

Konkrete Festlegung des Urlaubs erforderlich

Der Arbeitgeber, der den Arbeitnehmer für die Dauer der Kündigungsfrist freistellt will regelmäßig vermeiden, nach Ablauf der Freistellung Urlaub abgelten zu müssen. Dementsprechend hat er die Möglichkeit, offenen Urlaub auf den Zeitraum der Freistellung anzurechnen. Ein derartiger Anrechnungsvorbehalt setzt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 19.03.2022 – 9 AZR 16/01) allerdings voraus, dass der Urlaub hinsichtlich seines Beginns und Endes im Freistellungszeitraum konkret (d.h. datumsmäßig) festgelegt wird.

Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht in der Folge sogar noch dahingehend konkretisiert, dass bereits die Freistellungerklärung erkennen lassen muss, an welchen Tagen eine Freistellung zum Zwecke der Gewährung von Erholungsurlaub erfolgt (Urteil vom 14.05.2013 – 9 AZR 760/11). Anderenfalls dürfe der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass der Arbeitgeber komplett auf die Arbeitsleistung verzichtet und er den Urlaub nach Belieben nehmen kann. Da sich Urlaub und Annahmeverzug ausschließen, sei in diesem Fall kein Annahmeverzug gegeben, was automatisch dazu führt, dass auch keine Anrechnung von Zwischenverdienst erfolgt.

Gestaltungshinweis für Arbeitgeber

Aus diesem Grund ist es Arbeitgebern dringend zu empfehlen, den Urlaub hinsichtlich seines Beginns und Endes im Freistellungszeitraum konkret festzulegen. Der Ausspruch einer unwiderruflichen Freistellung ›unter Zahlung der Grundvergütung sowie unter Anrechnung des bis zu diesem Zeitpunkt und in Folge bis zum Beendigungsdatum zustehenden Urlaubs, der damit abgegolten ist, sowie unter Anrechnung anderweitiger Vergütung, die eventuell während der bzw. für die Freistellungsphase durch Verwendung der Arbeitskraft erworben bzw. beansprucht werden kann‹ ist insoweit unzureichend. Wird der Urlaubszeitpunkt seitens des Arbeitgebers nicht festgelegt, kommt eine Anrechnung anderweitigen Verdienstes gemäß § 615 S. 2 BGB nicht in Betracht.

Sie rechnen an – aber wie? 

Ist die Freistellungserklärung entsprechend der o.g. Voraussetzungen erfolgt, stellt sich für Arbeitgeber weiter die Frage, wie konkret anzurechnen ist. Der anderweitige Verdienst ist hierbei nicht zeitabschnittsbezogen (d.h. monatsbezogen), sondern auf die Gesamtvergütung für die Dauer des Annahmeverzugs anzurechnen. Wird ein Arbeitnehmer nach Kündigungsausspruch beispielsweise für 6 Monate freigestellt und erhält eine Monatsvergütung in Höhe von EUR 5.000,- brutto, so zahlt der Arbeitgeber in den ersten 3 Monaten der Freistellung insgesamt EUR 15.000,-. Tritt der Arbeitnehmer nach 3 Monaten einen neuen Job an, der ihm monatlich EUR 10.000,- einbringt, so hat er im Annahmeverzugszeitraum einen Zwischenverdienst in Höhe von EUR 30.000,- erzielt. Zum Zwecke der Vergleichsberechnung ist die Vergütung für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste zu ermitteln (EUR 30.000,-). Dieser Gesamtvergütung ist das gegenüberzustellen, was der Arbeitnehmer in der betreffenden Zeit anderweitig verdient hat (EUR 30.000,-). Der Arbeitnehmer hat somit die für die ersten drei Monate bereits gezahlten EUR 15.000,- vollständig an den ›alten Arbeitgeber‹ zurückzuzahlen.

Die Verrechnung mit Zwischenverdienst geschieht ›automatisch‹, eine Aufrechnungserklärung ist nicht erforderlich. Wesentlich für Sie als Arbeitgeber ist auch, dass Ausschlussfristen frühestens mit Ablauf Annahmeverzug (= Ablauf Kündigungsfrist beginnen). Zeitanteilig erarbeitete variable Vergütung ist ebenfalls einzubeziehen, auch wenn der Bonus erst Monate später fällig wird.

Worauf müssen Sie als Arbeitgeber achten?

Arbeitgeber sollten vor diesem Hintergrund daran denken, dass die Anrechnung von Zwischenverdienst bei der Freistellung die konkrete Festlegung des Urlaubs voraussetzt. Ohne Urlaubsfestlegung besteht die vorbehaltlose Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung im Freistellungszeitraum. Bei zulässiger Anrechnung ist sodann die Gesamtvergütung während des Annahmeverzugs anzurechnen und erfolgt keine zeitabschnittsbezogene Anrechnung.

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