Ein Gespräch über die Vorteile der Wirtschaftsmediation in der täglichen Praxis
Vorstand, Unternehmer und Wirtschaftsmediation. Das passt. Wir hatten darüber im ersten Teil dieser Reihe gesprochen. Und nun: Der Praxistest. Welche großen Vorteile bietet die Wirtschaftsmediation? Welchen täglichen praktischen Nutzen haben Unternehmen, Unternehmer, Vorstände, Geschäftsführer und Führungskräfte? Wir sprechen darüber – im zweiten Teil dieser Reihe – mit zwei erfahrenen Wirtschaftsmediatoren. Wir laden Sie ein, mitzulesen und gern auch Ihre Anmerkungen und Fragen direkt an die unten stehende Adresse zu senden.
Interviews von Dr. Frauke Biester-Junker und Christoph Kaul mit Thomas Borghardt (Vorstand der Hamburger Family Office Bank Marcard, Stein und Co und Frank Dehnke (Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Oberhessen)
Teil 2 – „Wirtschaftsmediatoren als Vorstände und Unternehmer?“
Frauke Biester: „Thomas, Frank, wie schön, dass Ihr Euch wieder die Zeit nehmt, um unser Leidenschaftsthema vorzustellen. Wie kam es dazu, dass ihr beide sogar selbst die umfassende und zeitintensive Ausbildung zum Wirtschaftsmediator absolviert habt? Was war eure Motivation, was waren die Hintergründe?
Frank Dehnke: „Ausschlaggebend waren bei mir die eigenen Erfahrungen aus den drei Mediationsverfahren, an denen ich als Vorstandsvorsitzender und damit als Partei teilgenommen hatte. Mich haben die hervorragenden Ergebnisse der Mediationsverfahren, die wir an jeweils nur einem Tag erreicht hatten, beeindruckt. Und der Weg hat mich fasziniert, wie wir zu diesen Ergebnissen gelangt sind. Dazu ein konkretes Beispiel: Während der gesamten Dauer der Mediationsverfahren haben die Wirtschaftsmediatoren stets sehr kluge Fragen gestellt, die jeweils ein echter „Volltreffer“ waren. Die Fragen waren so punktgenau, dass ich mich ausführlich damit befassen musste, auch emotional. Und genau in diesen Fragen und unseren Antworten darauf lag der Schlüssel zur Lösung. Ich wollte wissen, wo kann ich diese Fragetechniken lernen, das brauche ich für meine tägliche Arbeit mit Kunden und Mitarbeitern. Das wird viel ändern: im klassischen Geschäft und der Führungskultur. Ich habe mich sodann bei den Wirtschaftsmediatoren erkundigt und habe die Ausbildung zum Wirtschaftsmediator absolviert.“
Frauke Biester: „Interessant ist: die drei Fälle waren juristisch beinahe gleich zu behandeln. Vor Gericht hätten wir dreimal den identischen Urteilstenor erhalten. Im Rahmen der Mediationen haben wir in allen Fällen unterschiedliche, nämlich individuell passende Abschlussvereinbarungen getroffen. Dies aus einem einfachen Grund: Die Wirtschaftsmediation berücksichtigt die jeweiligen Interessen der Parteien. Die juristischen Positionen mögen gleich sein. Die dahinterstehenden Interessen der Parteien sind es jedoch gerade nicht. Und gerichtliche Verfahren können diese Interessen häufig nicht berücksichtigen und erfüllen.“
Frank Dehnke: „Das stimmt absolut. Aus heutiger Sicht und mit meinem Wissen, das ich als Wirtschaftsmediator erlangt habe, verstehe ich auch genau, wie uns der Mediator damals zu solchen passgenauen Lösungen begleitet hat und warum genau das mit den „üblichen“ Mitteln nicht geklappt hätte.“
Thomas Borghardt: „Mein persönliches und unternehmerisches Ziel war es, im Zusammenhang mit der Mediationsausbildung Konflikte nicht mehr primär mit Intuition und Lebenserfahrung zu lösen, wie ich es bis dahin meist getan hatte. Denn dafür steht viel zu viel auf dem Spiel. Ich habe deshalb ein erfolgreiches Werkzeug des professionellen Konfliktmanagements gesucht. Hierfür habe ich mir einige Anbieter angeschaut und mich ganz bewusst für die Wirtschaftsmediation entschieden. In der Wirtschaftsmediation geht es häufig um Konflikte zwischen Personen, die eine sehr große Verantwortung tragen, sei es für ein Unternehmen, für ein Vermögen, oder für eine Vielzahl von Mitarbeitern. Ganz besonders wichtig war mir, dass ich einen Ausbildungsgang finde, der den Fokus ganz klar auf die Praxis legt. Als Praktiker hatte ich kein Interesse, universitäre Seminare zu besuchen und wollte nicht nur analytisch-theoretisch auf die Konfliktlösung schauen. Ich wollte das Konfliktlösungsinstrument praktisch lernen und schnellstmöglich nutzen. Exakt dies ist mit der Wirtschaftsmediation möglich.“
Christoph Kaul: „Dies ist ein sehr großer Vorteil der Wirtschaftsmediation. Die Ausbildung ist entscheidend, sie kann in einem kleinen Kreis mit direkten Fallbeispielen erfolgen. Das halten wir für immens wichtig. Die praktische Erfahrung beginnt dann mit Tag 1 der Ausbildung. Auf diese Weise haben alle Wirtschaftsmediatoren von vangard gelernt. Insofern wissen wir als Wirtschaftsmediatoren auch ganz genau, was wir tun.
Kommen wir zum Praxistest: Was macht ihr denn heute damit? Wie nutzt ihr eure Ausbildung zum Wirtschaftsmediator?“
Frank Dehnke: „Kürzlich habe ich wieder ein Verfahren als Wirtschaftsmediator begleitet. Die Parteien haben binnen eines Tages eine Abschlussvereinbarung getroffen. Vorangegangen war ein monatelanger Rechtsstreit. Dies hat mich erneut von der Wirtschaftsmediation überzeugt. Doch es geht weit darüber hinaus. Mein Mindset, meine persönliche Haltung und Einstellung gegenüber Mitarbeitern hat sich durch die Ausbildung zum Wirtschaftsmediator deutlich verändert. Das aktive Zuhören und das interessenbasierte Verhandeln gehören seitdem für mich zum Alltag. Diese Techniken stellen einen ganz erheblichen Mehrwert dar, den ich in meiner Position als Vorstandsvorsitzender täglich nutze.“
Frauke Biester: „Das überrascht uns nicht. Hast Du diesbezüglich konkrete Beispiele?“
Frank Dehnke: „Wir schließen in unserem Hause nur noch Arbeitsverträge mit Mediationsklauseln ab. Dies liegt mir sehr am Herzen. Bislang habe ich keinen Mitarbeiter erlebt, der aufgrund der Mediationsklausel Abstand von einem Vertragsschluss genommen hat. Im Gegenteil, viele Mitarbeiter sprechen mich aktiv darauf an und finden dies sehr modern und innovativ. Außerdem werden bei uns alle MitarbeiterInnen der ersten und zweiten Führungsebene – also auch der Vorstand – die Ausbildung zum Wirtschaftsmediator absolvieren. Wir haben ihnen die Möglichkeit eröffnet, diese Ausbildung zu absolvieren. Die Rückmeldung war grandios: Alle Angesprochenen sind dabei. Meine Überzeugung ist, dass dies einen erheblichen und positiven Einfluss auf unsere Führungskultur haben wird. Darüber freue ich mich sehr.“
Thomas Borghardt: „Bei meiner täglichen Arbeit steht die Nutzung der Mediationstechniken im Vordergrund, nicht so sehr das konkrete Mediationsverfahren. Insbesondere kann ich die verschiedenen Instrumente und Techniken der Mediation bei klassischen Führungsthemen täglich nutzen. Durch meine Ausbildung zum Wirtschaftsmediator, das kann ich sagen, gehe ich in allen Lebensbereichen viel achtsamer mit dem Thema Konfliktmanagement um.
Christoph Kaul: „Mit Blick auf die Führungskultur war die Ausbildung also ein voller Erfolg. Nützt Euch die Ausbildung auch im Verhältnis zu Euren Kunden?
Thomas Borghardt: „Von meiner Seite ein klares ja. Familiensituationen sind in aller Regel emotional geprägt und damit potentiell konfliktträchtig. Das Sprichwort sagt treffend: 'Bei Geld hört die Freundschaft auf'. Generell scheuen unsere Kunden Gerichtsverfahren. Die damit verbundene Eskalation eines Konflikts wäre schwer einzufangen. Gerade in einer Familie kann die Sachebene meist nicht von den dahinterstehenden Emotionen getrennt werden. Insofern nutze ich die „Diagnostik der Mediationsarbeit“, um frühzeitig die hinter den Positionen stehenden Interessen und Wünsche zu klären. Dies ermöglicht die Lösung von Konflikten in einem frühen Stadium. Vor diesem Hintergrund handele ich in der Beratungspraxis eher als Konfliktmoderator. Die Techniken der Wirtschaftsmediation sind hierfür hervorragend nutzbar.“
Frank Dehnke: „Ich nutze die Mediationstechniken ebenfalls mit Blick auf unsere Kunden. Wir haben als Sparkasse eine sehr heterogene Kundenstruktur mit großen, mittelständischen und kleinen Unternehmen, ebenso gehören Privatkunden mit unterschiedlich großen Vermögen dazu. Seit meiner Ausbildung zum Wirtschaftsmediator stelle ich mir häufig die Fragen: Was bewegt unsere Kunden wirklich? Was ist das Interesse unserer Kunden? Heute verhandele ich anders und kann insofern noch besser auf die Wünsche unserer Kunden eingehen.“
Frauke Biester: „Thomas du sagtest, dass du die Mediationstechniken präventiv zur Vermeidung von Konflikten nutzt. Dies halten wir für ganz bemerkenswert und, wenn wir das sagen dürfen, für genau den richtigen Weg. In vielen Fällen erfolgt der Einstieg, also der erste Versuch einer Mediation, in sehr eskalierten und verfahrenen Fällen, also eher reaktiv. Mit den Techniken aber am anderen Ende zu beginnen, das ist natürlich ideal.“
Thomas Borghardt: „Wir müssen in der Tat früh an die Probleme heran. Das gehört zu unserer Aufgabe als Family Office. Es ist im Sinne des 'Familienzusammenhalts' Teil unserer Unternehmens-Philosophie. Wir wollen – wie oben beschrieben – Verfahren vermeiden, müssen dafür die meist emotional aufgeladenen Konflikte dennoch lösen. Der präventive Einsatz von Mediationstechniken zur Vermeidung weiterer Eskalationen ist aus meiner Sicht für alle Parteien ein Mehrwert. Insbesondere bietet diese Vorgehensweise den großen Vorteil, dass keine der Parteien eine formale Hürde überspringen muss, es gibt insofern keine Sorge vor einem Gerichtsverfahren oder einem Mediationsverfahren nach dem Mediationsgesetz. Diese häufig zu beobachtende Hemmschwelle fällt vollständig weg.“
Christoph Kaul: „Genau das ist der Grund, warum in solchen präventiven Fällen ein Mediationsverfahren nach dem Mediationsgesetz noch gar nicht zwingend erforderlich ist. In einem frühzeitigen Stadium kann durch eine gezielte Konfliktmoderation der Konflikt häufig beigelegt werden.“
Frauke Biester: „Bei unserer täglichen Beratung geht es im Kern meist um Geld und um Verantwortung. Unsere Erfahrung zeigt, dass Unternehmen die Wirtschaftsmediation oder verwandte Techniken (Moderationen etc.) noch zu selten präventiv nutzen. Dies deshalb, weil schlicht und einfach nicht genügend 'Druck auf dem Kessel' ist. Erst wenn der Konflikt weiter eskaliert und die juristische Aussichtslosigkeit eines gerichtlichen Verfahrens klar ist, ziehen Entscheider ein Mediationsverfahren in Betracht.“
Christoph Kaul: „Die Eskalation ist häufig so weit vorangeschritten und die Kommunikation zwischen den Parteien derart gestört, dass sie lediglich Rechtsansichten austauschen. Darunter leiden die eigentlichen Interessen der Parteien, das Geschäft, am Ende auch wirtschaftliche Themen. Genau hier setzen die Mediationstechniken an.
Wir danken Euch vielmals für das heutige Gespräch, lieber Frank, lieber Thomas.“
Teil 3 unseres Interviews wird hier in Kürze erscheinen. Wir werden dabei vor allem über prägende Anekdoten und Erfahrungen aus der Praxis sprechen. Bereits jetzt freuen wir uns über Feedback, Fragen und Anregungen. Bitte nutzen Sie dazu die Adresse wirtschaftsmediation@vangard.de.