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Es bleibt spannend beim BAG: Sind Reisezeiten in der Regel zu vergüten?

van_portraits_840x840px_03_lessnau.png Dagmar Lessnau

Oktober 2018

Lesedauer: Min

Das Urteil des BAG vom 17. Oktober 2018

Das BAG (Urt. v. 17.10.2018 – Az. 5 AZR 553/17) hat entschieden, dass erforderliche Reisezeiten im Rahmen einer Auslandsdienstreise in der Regel zu vergüten sind.

Der Sachverhalt
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall wurde ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber anlässlich eines Projektes auf eine Baustelle nach China entsandt. Auf den Wunsch des Arbeitnehmers hin buchte der Arbeitgeber für die Hin- und Rückreise statt eines Direktflugs in der Economy-Class einen Flug in der Business-Class mit Zwischenstopp in Dubai. Nachdem der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Reisetage nur die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung für jeweils acht Stunden zahlte, machte der Arbeitnehmer mit seiner Klage die Vergütung für weitere 37 Stunden mit der Begründung geltend, die gesamte Reisezeit von seiner Wohnung bis zur auswärtigen Arbeitsstelle und zurück sei wie Arbeit zu vergüten. Auf das Arbeitsverhältnis findet der RTV-Bau Anwendung, der in § 7 Nr. 4.3 RTV-Bau eine tarifliche Regelung zur Vergütung erforderlicher Reisezeiten enthält.

Die Entscheidung
Das ArbG hat die Klage abgewiesen. Das LAG hat auf die Berufung des Arbeitnehmers der Klage stattgegeben. Die Revision des Arbeitgebers hatte vor dem BAG teilweise Erfolg.

Das BAG stellte fest, dass die Reise zur auswärtigen Arbeitsstelle und von dort zurück ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolge und deshalb in der Regel wie Arbeit zu vergüten sei, auch wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland entsende. Mangels ausreichender Feststellungen des LAG zum Umfang der tatsächlich erforderlichen Reisezeiten des Arbeitnehmers konnte das BAG in der Sache jedoch nicht abschließend entscheiden und hat sie deshalb unter Aufhebung des Berufungsurteils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.

Ob das BAG den Vergütungsanspruch auf die streitgegenständliche tarifliche Regelung des § 7 Nr. 4.3 RTV-Bau oder aber die allgemeine Regelung der §§ 611 Abs. 1, 612 Abs. 1 BGB stützte, bleibt bis zur Veröffentlichung der vollständigen Urteilsgründe jedoch abzuwarten; bislang liegt lediglich eine entsprechende Pressemitteilung vor. Die Tatsache, dass das BAG den Rechtsstreit mangels ausreichender Feststellungen zum Umfang der tatsächlich erforderlichen Reisezeiten an das LAG zurückverwies, deutet jedoch darauf hin, dass das BAG der Auffassung des LAG folgt und den Vergütungsanspruch auf § 7 Nr. 4.3 RTV-Bau stützt, welcher auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien Anwendung findet und eine Regelung über die Vergütung für erforderliche Reisezeiten enthält. Eine allgemeingültige Regelung zur Vergütung von Reisezeiten ohne entsprechende tarifliche oder arbeitsvertragliche Vereinbarung hätte das BAG damit – entgegen zahlreicher Erwartungen und Kommentare in der Presse – nicht aufgestellt.

Es verbliebe vielmehr bei der bisherigen Rechtsprechung, nach der „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste im Sinne des § 611 Abs. 1 BGB jede Tätigkeit ist, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient und daher auch betrieblich veranlasste Reisen umfasst. Durch die Einordnung der Reisezeiten als Arbeit ist die Frage ihrer Vergütung indes noch nicht geklärt (BAG, Urt. v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17; BAG, Urt. v. 26.10.2016 – 5 AZR 226/16). Denn durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann auch eine gesonderte Vergütungsregelung für Reisezeiten getroffen werden. Fehlt eine solche, ist allerdings auf die allgemeine Vergütungspflicht nach § 612 Abs. 1 BGB abzustellen. Hierbei ist anhand individueller Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob für diese Reisezeit eine Vergütung zu erwarten war, wobei insbesondere von Bedeutung ist, ob die Reisetätigkeit während der regulären vertraglichen Arbeitszeit oder außerhalb derselben erbracht wird. Eine allgemeingültige Regelung zur Vergütung von Reisezeiten gibt es nach der bisherigen Rechtsprechung aber gerade nicht. Werden abweichende Regelungen für Reisezeiten getroffen, muss aber jedenfalls der gesetzliche Mindestlohn im Auge behalten werden:  Die Bruttomonatsvergütung muss demnach zumindest einen Betrag erreichen, der sich aus der Anzahl der in diesem Monat tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden (inklusive veranlasster Reisezeit) multipliziert mit (derzeit) 8,84 Euro brutto ergibt (BAG, Urt. v. 25.4.2018 – 5 AZR 424/17).

Ob sich hieran durch das BAG Urteil tatsächlich etwas geändert hat, bleibt bis zur Veröffentlichung der Urteilsgründe daher mit Spannung abzuwarten.

Fazit:
Arbeitgebern, die bislang keine individual- oder kollektivrechtlichen Regelungen zur Vergütung von Reisezeiten vereinbart haben, empfehlen wir daher weiterhin, transparente Vergütungsregelungen zu vereinbaren, die insbesondere auch die Vergütung von Reisezeiten regeln.

Und Achtung: Der Umstand, dass Reisezeit unter Umständen zu vergüten ist, bedeutet nicht zwangsläufig, dass es sich auch um Arbeitszeit handelt, die hinsichtlich der Höchstarbeitszeitgrenzen und der Einhaltung von Ruhezeiten nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zu berücksichtigen ist!