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Mehr Bürokratie, weniger Lohnlücke?

Mai 2017

Lesedauer: Min

Das neue Entgelttransparenzgesetz

Der geschlechterspezifische Lohnunterschied beträgt in Deutschland bei vergleichbarer Arbeit und äquivalenter Qualifikation noch immer bis zu 7 Prozent. Um dem entgegenzuwirken, verabschiedete der Bundestag am 30. März 2017 das »Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen« (Entgelttransparenzgesetz), welches voraussichtlich im Juni/Juli 2017 in Kraft tritt. Durch Offenlegung von Entgeltregelungen und Entgeltpraxis sollen Impulse zu einer diskriminierungsfreien Entlohnung und eine Reduzierung geschlechtsdifferenter Entgeltbenachteiligungen geschaffen werden. Zur Angleichung der Gehälter dienen einerseits ein Auskunftsanspruch auf Arbeitnehmer- und andererseits verschiedene Überprüfungs- und Berichtspflichten auf Arbeitgeberseite.

Was beinhaltet der individuelle Auskunftsanspruch?
Das Entgelttransparenzgesetz ermöglicht dem einzelnen Beschäftigten, ein individuelles Verfahren zur Überprüfung von Entgeltgleichheit in die Wege zu leiten. Alle zwei Jahre kann in Betrieben mit mehr als 200 beschäftigten Arbeitnehmern seitens aller Beschäftigten gegenüber dem Betriebsrat oder dem Arbeitgeber ein individueller Auskunftsanspruch geltend gemacht werden, sofern die Vergleichstätigkeit von mindestens sechs Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts ausgeübt wird. Auf die Geltendmachung des Anspruches hin müssen innerhalb von drei Monaten Angaben zur Entgeltberechnung und zur Entgelthöhe in Bezug auf das Entgelt des jeweiligen Beschäftigten sowie bezüglich einer vergleichbaren Tätigkeit gemacht werden.

Welche weiteren Pflichten ergeben sich für den Arbeitgeber?
In Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten ist der Arbeitgeber darüber hinaus verpflichtet, regelmäßig die Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots zu überprüfen, indem er Prüfverfahren zu Entgeltregelungen und -praxis erfasst und analysiert. Bei Arbeitgebern ohne Tarifvertrag hat dies alle drei Jahre zu erfolgen. Zudem ist dort ein Bericht zur Gleichstellung und Entgeltgleichheit zu erstellen, der Maßnahmen zur Entgeltgleichstellung sowie Regelungen zur Herstellung von diskriminierungsfreier Entgeltgleichheit aufzeigt.

Ist der Betriebsrat mit einzubeziehen?
Mit der Einführung des Entgelttransparenzgesetzes erfolgt eine Stärkung der betrieblichen Interessenvertretungen. Um dem individuellen Auskunftsanspruch nachzukommen, darf der Betriebsrat Listen über die Bruttolöhne und -gehälter einsehen und auswerten. Zudem bestehen Mitwirkungsrechte bei der Planung und Durchführung des betrieblichen Prüfverfahrens sowie Informationsrechte bei der Auswahl der Prüfungsinstrumente.

Wie werden Verstöße gegen das Gesetz sanktioniert?
Kommt der Arbeitgeber dem Auskunftsverlangen innerhalb von drei Monaten nicht nach, so tritt eine Beweislastverlagerung ein. Der Arbeitgeber muss im Streitfall beweisen, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot existiert. Kann der Arbeitgeber den Beweis nicht erbringen, so liegt eine unmittelbare bzw. mittelbare Entgeltbenachteiligung vor. Entgeltbenachteiligungen sind nach freiem Ermessen des Arbeitgebers hinsichtlich der Art und Weise zu beseitigen. Ob die Beseitigung auch eine rückwirkende Lohnnachzahlung umfasst, wird vom Entgelttransparenzgesetz nicht geregelt. Es fehlt auch an einer ausdrücklichen Sanktion von Verstößen gegen das Entgeltgleichheitsgebot. Jedenfalls folgen aber aus den Vorschriften des AGG und aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz rückwirkende Ansprüche auf Nachzahlung der Vergütungsdifferenzen.

Welche Freiräume der Entgeltgestaltung verbleiben?
Grundsätzlich können Entgeltbenachteiligungen, die trotz gleicher oder gleichwertiger Arbeit vereinbart oder gezahlt werden, gerechtfertigt sein, wenn die Entgeltgestaltung geschlechtsneutral erfolgt. Erwägungen unterschiedlicher Entlohnung dürfen nur nicht wegen des Geschlechts vorgenommen werden. Insofern verbleiben dem Arbeitgeber Freiräume.

Auch innerhalb seiner Überprüfungs- und Berichtspflichten kann sich der Arbeitgeber auf Freiräume hinsichtlich der konkreten Ausführung berufen. Er darf nach seinem Ermessen die jeweiligen Instrumente und Methoden sowie das zugrunde gelegte Bewertungssystem wählen. Schließlich obliegt es dem Arbeitgeber, wie er festgestellte Entgeltbenachteiligungen beseitigt. Das Gesetz statuiert lediglich, dass er »geeignete Maßnahmen« zu ergreifen hat. Sowohl die Art und Weise als auch den Zeitraum der Beseitigung verbleiben im Ermessen des Arbeitgebers.

Trotz der weitreichenden Verpflichtungen, die das Entgelttransparenzgesetz für Arbeitgeber mit sich bringt, bestehen somit verschiedene Spielräume des Arbeitgebers sowohl bei der Gestaltung diskriminierungsfreier Entgelte als auch bei ihrer Überprüfung. Ob der dennoch hohe Bürokratieaufwand für Arbeitgeber das neue Gesetz zur Sicherstellung der Gleichbehandlung rechtfertigt bleibt abzuwarten. Dies wird erst in Zukunft zu beantworten sein und hängt erheblich von der Akzeptanz und Nutzung der beschäftigten Arbeitnehmer und einer damit einhergehenden spürbaren geschlechtsspezifischen Lohnangleichung ab.

Was jetzt zu tun ist
Die Auskunftsansprüche nach dem neuen Gesetz können erstmals sechs Monate nach Inkrafttreten geltend gemacht werden. Der Gesetzgeber gibt Unternehmen insoweit ein wenig Vorbereitungszeit. Soweit noch nicht geschehen, sollten Arbeitgeber jetzt damit beginnen, die Vergütungssysteme näher zu betrachten und die benötigen Informationen zusammenzustellen. Dann kann zugleich eine Bewertung erfolgen und etwaige Missstände noch rechtzeitig beseitigt werden.

Blogbeitrag von Jan-Ove Becker und Dr. Richard N. Lauer

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