Angesichts tiefgreifender Veränderungen, auch im US-amerikanischen Arbeitsrecht, stehen Arbeitgeber in den Vereinigten Staaten vor einer zunehmenden Regulierung durch Bundesbehörden sowie einem immer komplexeren Geflecht staatlicher und lokaler Vorschriften. Diese Entwicklungen stellen Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen – insbesondere im Personalmanagement und in der rechtlichen Umsetzung. Die Ergebnisse der 13. jährlichen US-Arbeitgeberumfrage von Littler bieten fundierte Einblicke in die aktuell drängendsten Themen aus Sicht von Unternehmensjuristen, HR-Verantwortlichen und Führungskräften.
Auch für deutsche Unternehmen mit US-Präsenz sind diese Trends von Relevanz. Wir haben die wichtigsten Erkenntnisse für Sie zusammengefasst.
Inklusion, Gleichberechtigung & Diversität: Zwischen politischem Druck und unternehmerischer Verantwortung
Die IE&D-Initiativen US-amerikanischer Unternehmen stehen aktuell unter massivem politischem Druck. In den ersten 100 Tagen seiner zweiten Amtszeit leitete Präsident Trump eine durchaus aggressive Kampagne zur Überprüfung von Diversitätsprogrammen ein: Durch präsidentielle Dekrete wurden staatliche IE&D-Maßnahmen beendet, Affirmative-Action-Vorgaben für Bundesauftragnehmer aufgehoben und Bundesbehörden angewiesen, gezielt Unternehmen im privaten Sektor zu untersuchen. Trotz dieses Drucks und des erhöhten Risikos rechtlicher Auseinandersetzungen bleiben 45 % der befragten Unternehmen bei ihren bisherigen IE&D-Strategien. Nur 7 % erwägen umfassende Rücknahmen, während die Mehrheit vorsichtig abwartet und ihre Programme gezielt auf rechtliche Konformität und Wirksamkeit überprüft.
Relevanz für deutsche Unternehmen mit US-Tochtergesellschaften oder Mitarbeitenden in den USA:
Rechtsfragmentierung beachten: Während auf Bundesebene ein klarer Rollback erfolgt, halten zahlreiche Bundesstaaten – etwa Kalifornien oder New York – an den bisherigen Vorgaben zur Förderung von Diversität fest. Hierzu zählen gesetzliche Schulungsanforderungen, Berichtspflichten oder Regelungen zur Gehaltstransparenz. Wer US-weit agiert, sollte also entsprechend differenzieren.
Zentral gesteuerte Konzernrichtlinien anpassen: Globale IE&D-Strategien deutscher Unternehmen können in einzelnen US-Bundesstaaten rechtlich problematisch oder sogar untersagt sein, während sie andernorts verpflichtend sind. Die Herausforderung liegt in der dynamischen Balance zwischen globaler Konsistenz und lokaler Compliance.
Erhöhtes Haftungs- und Reputationsrisiko: Verstöße gegen bundesstaatliche oder lokale IE&D-Anforderungen – etwa durch unterlassene Schulungen oder unzulässige Formulierungen in Stellenanzeigen – können zu Klagen, behördlichen Untersuchungen oder medialer Kritik führen. Auch interne Spannungen zwischen US-Management und deutscher Konzernzentrale sind nicht ausgeschlossen.
Fazit: Deutsche Unternehmen mit US-Präsenz müssen IE&D-Initiativen künftig deutlich differenzierter steuern – rechtssicher, lokal angepasst und strategisch durchdacht. Der politische Gegenwind in Washington bedeutet nicht das Ende von IE&D, sondern verschiebt den Fokus stärker auf die Ebene der Bundesstaaten – und erhöht so die Komplexität.
Einwanderungspolitik Fachkräftemangel: Globale Auswirkungen
Die US-Umfrage zeigt deutlich: Arbeitgeber blicken mit wachsender Sorge auf die verschärfte Einwanderungspolitik unter Präsident Trump. 58 % der befragten Unternehmen erwarten Personalengpässe infolge regulatorischer Hürden, während 70 % von einem signifikanten oder moderaten Einfluss verstärkter Durchsetzungsmaßnahmen durch ICE (Immigration and Customs Enforcement) und das Department of Homeland Security auf ihre Arbeitsplätze im kommenden Jahr ausgehen. Die momentanen Planungen der Trump-Administration sowie neue Executive Orders erschweren die legale Einwanderung, etwa durch strengere Visavoraussetzungen, zusätzliche Prüfverfahren und Reisebeschränkungen. Erste Konsequenzen: verlängerte Bearbeitungszeiten, Unsicherheiten nach privaten oder geschäftlichen Auslandsreisen ein Visum für die Rückreise in die USA zu erhalten sowie steigende Kosten für Arbeitgeber mit internationalen Teams.
Relevanz für deutsche Unternehmen mit US-Tochtergesellschaften oder Mitarbeitenden in den USA:
Visavergabe wird unberechenbarer: Verschärfte Kriterien bei bestimmten Visa-Typen sowie geplante Änderungen an den Lohnstufen für Green-Card-Bewerber treffen vor allem junge, internationale Fachkräfte. Das kann Entsendungen aus Deutschland erheblich erschweren.
Verstärkte Compliance-Anforderungen: US-Niederlassungen deutscher Firmen müssen ihre internen Prozesse – insbesondere rund um Visa-Formulare, Beschäftigungsnachweise und Audit-Vorbereitungen – auf mögliche Kontrollen vorbereiten.
Projektverzögerungen & Planungsunsicherheit: Reisen zu US-Standorten für Meetings, Projektstarts oder technische Einsätze können durch neue Travel Bans oder langwierige Sicherheitsprüfungen kurzfristig blockiert werden.
Notwendigkeit strategischer Vorbereitung: HR- und Legal-Abteilungen in Deutschland und den USA sollten vorab gemeinsam Exit-Strategien, Eskalationspläne bei Behördenbesuchen und juristisch belastbare Prozesse aufsetzen, um operativ auch kurzfristig handlungsfähig zu bleiben.
Fazit: Die politischen Entwicklungen in den USA haben nicht nur symbolische Bedeutung, sondern wirken unmittelbar auf Personalentscheidungen deutscher Unternehmen mit US-Bezug. Eine vorausschauende, rechtskonforme Ausrichtung der globalen Mobilitätsstrategie wird damit zum klaren Wettbewerbsvorteil.
Künstliche Intelligenz in der Arbeitswelt: Liberalisierung in den USA – neue Risiken im transatlantischen Kontext
Nach Jahren regulatorischer Unsicherheit zeigt sich in den USA unter der neuen Trump-Administration ein klarer Kurswechsel: Bereits am ersten Amtstag hob Präsident Trump zentrale Sicherheitsanforderungen für KI-Systeme auf. Kurz darauf folgten politische Signale zur Förderung der globalen Technologiedominanz der USA. Der Effekt: Unternehmen fühlen sich regulatorisch entlastet – insbesondere beim Einsatz von KI in HR-Prozessen wie Rekrutierung und Bewerbervorauswahl.
Diese Entwicklung schlägt sich deutlich in den Umfragezahlen nieder:
31 % aller Unternehmen – und sogar 47 % der Technologieunternehmen – planen den verstärkten Einsatz von KI im HR-Bereich,
nur noch 16 % zeigen nennenswerte Sorge vor arbeitsrechtlichen Klagen im Zusammenhang mit KI,
und nur 24 % befürchten aktuell stärkere Eingriffe durch US-Bundesbehörden.
Gleichzeitig wird ein wachsendes Spannungsfeld zwischen Bundes- und einzelstaatlicher Regulierung sichtbar: In mindestens 31 US-Bundesstaaten wurden 2024 KI-Gesetze oder Resolutionen verabschiedet, mehr als 570 neue Gesetzesentwürfe sind 2025 bereits eingebracht worden. Viele davon betreffen ausdrücklich den Einsatz von KI am Arbeitsplatz – etwa mit Blick auf Transparenz-, Audit- und Diskriminierungsvorgaben.
Für deutsche Unternehmen mit US-Geschäft ergeben sich daraus zentrale Herausforderungen:
Spannungsfeld zwischen regulatorischer Freiheit in den USA und Compliance-Pflichten in der EU: Während KI-basierte Recruiting- oder Performance-Systeme in den USA aktuell weniger Risiko bergen, stehen sie in der EU – insbesondere vor dem Hintergrund des AI Act – unter erheblicher Beobachtung. Das gilt vor allem für sogenannte "Hochrisikoanwendungen" im Arbeitskontext, für die künftig strenge Prüf-, Dokumentations- und Transparenzpflichten gelten. Wer global einheitliche Systeme nutzt, muss zwei regulatorische Welten abdecken.
Unterschätzte transatlantische Risiken: Zwar sorgen sich nur 38 % der US-Unternehmen um Auflagen durch ausländische Regulatoren – unter Großunternehmen sind es immerhin 51 %. Für deutsche Arbeitgeber bedeutet das: Der Einsatz von KI-Systemen in US-Tochtergesellschaften kann mittelbar auch Haftungs- oder Reputationsrisiken für die europäische Muttergesellschaft mit sich bringen, insbesondere bei potentiell diskriminierenden oder intransparenten Algorithmen.
Vorausschauende Governance erforderlich: Trotz Deregulierung auf US-Bundesebene sollten Compliance-Standards am strengeren Markt ausgerichtet werden – also der EU. Ein pragmatischer Ansatz wäre etwa: KI-Systeme, die EU-Vorgaben standhalten, können mit hoher Wahrscheinlichkeit auch künftigen US-Bundesstaatenregelungen gerecht werden.
Fazit: Während der US-Markt derzeit für KI-Anwendungen in der Arbeitswelt immer liberaler wird, müssen global agierende Unternehmen auf ein zunehmend zersplittertes Regulierungsumfeld reagieren – und dabei die strengeren Standards der EU als strategische Leitlinie für rechtskonformen und verantwortungsvollen KI-Einsatz im Blick behalten.
Zurück ins Büro: Rückkehrpflichten, Rechtsrisiken und mentale Gesundheit als neue Compliance-Baustellen
Fünf Jahre nach dem pandemiebedingten Umbruch der Arbeitswelt kehren viele US-Arbeitgeber zur Präsenzarbeit zurück – teils schrittweise, teils mit klaren Vorgaben. Knapp die Hälfte der befragten Unternehmen mit remote-fähigen Tätigkeiten hat ihre Präsenzanforderungen bereits verschärft oder plant dies. Große Arbeitgeber treiben diese Entwicklung besonders stark voran.
Für deutsche Unternehmen mit US-Tochtergesellschaften ist diese Entwicklung aus mehreren Gründen besonders relevant:
Politische Signale zur Rückkehr ins Büro: Die Trump-Administration macht deutlich, dass sie Remote Work jedenfalls nicht fördern will: Bereits im Januar 2025 ordnete Präsident Trump die Beendigung von Telearbeit für Bundesbedienstete an – ein Signal, das viele private Unternehmen aufnehmen.
Rechtliche Risiken bei Remote-Work-Verweigerung: Die Zahl der Anfragen nach Remote-Work-Optionen als sog. medizinische oder psychische „Accommodation“ steigt weiter, wobei Fehler bei der Bewertung oder Ablehnung solcher Wünsche zu Diskriminierungsklagen führen können, welche US-Gerichte zunehmend im Sinne der Beschäftigten entscheiden.
Spannungsfeld Kultur, Produktivität und Talente: Die Rückkehr ins Büro wird oft mit besserer Unternehmenskultur und einem Mehr an Kontrolle begründet – doch nur 26 % der Arbeitgeber sehen tatsächlich einen Produktivitätsgewinn. Gleichzeitig zeigen sich klare Nachteile wie eine erhöhte Fluktuation (35 %), Schwierigkeiten bei der Talentgewinnung (30 %), eine sinkende Mitarbeiterzufriedenheit (44 %) sowie vermehrte Beschwerden und Non-Compliance mit Büro-Anwesenheitsregeln (47 % bzw. 40 %). Für global agierende Unternehmen bedeutet das: Während der Trend in Europa weiterhin hybride Modelle stärkt, kann eine zu rigide Rückkehrstrategie in den USA den Arbeitsmarkt-Zugang und die Arbeitgeberattraktivität massiv beeinträchtigen – besonders im Wettbewerb um digitale und technische Fachkräfte.
Fazit: Deutsche Unternehmen mit US-Bezug müssen hinsichtlich ihrer globalen Arbeitsmodelle differenzieren – und zugleich für die US-amerikanischen (Arbeits-)Markt spezifische Prozesse zur rechtskonformen Bewertung von Remote-Work- und Abwesenheitsanfragen aufbauen. Die Rückkehrpflicht ist nicht nur ein kulturelles Thema, sondern eine neue arbeitsrechtliche Baustelle mit erheblichem Litigation-Risiko.
Den vollständigen Littler Annual Employer Survey 2025 finden Sie hier.
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