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Darf der Betriebsrat bei der Nutzung von ChatGPT mitbestimmen?

van_portraits_840x840px_09_papke.png Pia Scheer

Februar 2024

Lesedauer: Min

NEIN sagt das Arbeitsgericht Hamburg!

Künstliche Intelligenz (KI) erleichtert das Arbeitsleben. Es verwundert daher nicht, dass Unternehmen bestrebt sind, die technischen Möglichkeiten von KI, insbesondere mittels ChatGPT, zur Arbeitserleichterung nutzen zu wollen. Damit einher gehen jedoch eine Vielzahl ungelöster Rechtsfragen. Aus arbeitsrechtlicher Sicht stellt sich unter anderem die Frage, ob ein Betriebsrat bei der Einführung von ChatGPT mitzubestimmen hat. Wir konnten in diesem Zusammenhang die erste Entscheidung zu dieser Frage vor dem Arbeitsgericht Hamburg (Beschluss vom 16. Januar 2024 – 24 BVGa 1/24) erstreiten.

Worum ging es?

Die Arbeitgeberin wollte ihren Mitarbeitenden generative KI als neues Werkzeug zur Arbeitsunterstützung erlauben. Zu diesem Zweck veröffentlichte sie im Intranet Richtlinien zur Duldung der Nutzung von IT-Tools mit künstlicher Intelligenz bei der Arbeit. Die Nutzung der Tools erfolgte mittels Webbrowser. Wollten die Mitarbeitenden die Tools nutzen, mussten sie sich einen privaten Account (hier: ChatGPT) auf eigene Kosten zulegen.

Der Konzernbetriebsrat sah durch die Nutzungserlaubnis von ChatGPT verbunden mit der Veröffentlichung der Richtlinien seine Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte grob verletzt. Er forderte die Arbeitgeberin u.a. dazu auf, ChatGPT zu sperren und die Nutzung zu untersagen. Nachdem die Arbeitgeberin dies ablehnte, beantragte der Konzernbetriebsrat eine einstweilige Verfügung gegen unsere Mandantin.

Entscheidung des Arbeitsgerichts

Das Arbeitsgericht folgte vollumfänglich unserer Argumentation und wies die beantragte einstweilige Verfügung zurück. Die Verfügungsanträge seien unbegründet, da die Mitbestimmungsrechte des Konzernbetriebsrates nicht verletzt worden seien.

  • Ein Verstoß gegen § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG liege nicht vor. Die Richtlinie zur Nutzung von ChatGPT unterfalle dem mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten. Sie regele nur die Art und Weise der Arbeitsausführung. Die Verfügbarmachung neuer Arbeitsmittel sei kein Fall des Ordnungsverhaltens.

  • Auch das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG sei nicht verletzt. Die Nutzung privater ChatGPT Accounts stelle keine technische Einrichtung dar, die zur Überwachung von Verhalten oder Leistung bestimmt sei. Es erfolge weder eine Installation von ChatGPT auf Arbeitsmitteln der Arbeitgeberin, noch stelle diese Unternehmens-Accounts zur Verfügung. Eine Kontrolle privater Accounts sei der Arbeitgeberin nicht möglich. Allenfalls die Browseraufzeichnungen, die die tatsächliche Nutzung von ChatGPT ausweisen, seien als technische Einrichtung zu bewerten. Zur Nutzung von Browsern hatten die Beteiligten aber bereits eine Konzernbetriebsvereinbarung abgeschlossen.

  • Ebenfalls bestünde kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Es fehle vorliegend bereits an einer konkreten Gefährdung.

Das Arbeitsgericht wies darauf hin, dass die Unterrichtungs- und Beratungsrechte nach § 90 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BetrVG, die künstliche Intelligenz ausdrücklich erwähnen, zu wahren seien. § 90 BetrVG gewähre aber lediglich Unterrichtungs- und Beratungsrechte und kein Mitbestimmungsrecht. Ein möglicher Verstoß begründe daher keinen Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch.

Fazit

Das Arbeitsgericht sendet für die vorliegende Konstellation ein erleichterndes Signal sowohl für Unternehmen, die nun schnell rechtssichere Regelungen zur Nutzung schaffen können, als auch für Mitarbeitende, die die enorme Arbeitserleichterung zu schätzen gelernt haben. Regelungen zur Nutzung von ChatGPT können unter Bezugnahme auf die Entscheidung kurzfristig auch bei Bestehen eines Betriebsrats eingeführt werden. Die Einführung solcher Regelungen empfehlen wir insbesondere auch deshalb, weil sie den Mitarbeitenden einen Rahmen für den Einsatz generativer KI vorgeben. Dies dient der Sicherstellung korrekter, diskriminierungsfreier Arbeitsprodukte im Unternehmen. Die Unterrichtungs- und Beratungsrechte nach § 90 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BetrVG sollten aber in jedem Fall beachtet werden.

Zu beachten ist, dass die Entscheidung den Sonderfall betraf, dass die Einführung von ChatGPT mittels privater Accounts und auf eigene Kosten der Mitarbeitenden erfolgen sollte. Eine andere Bewertung der Rechtslage wird bei der Zurverfügungstellung von Unternehmens-Accounts für ChatGPT zu erfolgen haben. Zudem muss abgewartet werden, ob andere Instanzgerichte sich der Auffassung des Arbeitsgerichts Hamburg anschließen. Das Arbeitsgericht hat durch seine Entscheidung aber den Grundstein für weitere Diskussionen gelegt. Es bleibt spannend!

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