Ein Überblick über den aktualisierten Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes
Das Bundesjustizministerium hat kürzlich den Ankündigungen im Ampel-Koalitionsvertrag Taten folgen lassen und den überfälligen Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes neu aufgelegt. Wir beantworten Ihnen die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit diesem in zweiter Fassung aktualisierten Gesetzesvorhaben und beleuchten insbesondere die wesentlichen Änderungen im Vergleich zur Vorgängerfassung – von den nun verschärften Sanktionen bis hin zu neuen Möglichkeiten der Flexibilisierung.
Wie ist der status quo?
Der Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes (HinSchG) wurde vom Bundesjustizministerium ausgearbeitet und befindet sich nunmehr in der Abstimmung der Ministerien. Bereits im vergangenen Jahr wurde ein noch unter der Großen Koalition erstellter Entwurf präsentiert, welchen wir Ihnen bereits im Detail vorgestellt haben (siehe Blogbeitrag: Die EU-Whistleblowing-Richtlinie, sowie FAQS: Schutz von Hinweisgebern). Aufgrund verschiedener Unstimmigkeiten gelang es jedoch nicht, das Gesetzesvorhaben noch bis zum Abschluss der letzten Legislaturperiode im Herbst 2021 final umzusetzen (siehe Blogbeitrag: Ist ihr Unternehmen angemessen auf die EU-Whistleblowing Richtlinie vorbereitet?)
Das HinSchG soll die Anforderungen der EU-Richtlinie 2019/1937 in nationales Recht überführen und damit ein einheitliches Schutzniveau für Whistleblower etablieren. Da dies bereits innerhalb einer in der Richtlinie vorgesehenen Umsetzungsfrist bis zum 17. Dezember 2021 hätte geschehen müssen, hat die EU-Kommission zu Beginn des Jahres sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.
Was bleibt gleich?
Neben solchen Kernbestandteilen wie einem umfassenden Schutz der Hinweisgebenden vor sämtlichen Repressalien (wie etwa einer Kündigung, aber auch jeglicher anderer Ungleichbehandlung oder Schlechterstellung im Zusammenhang mit der abgesetzten Meldung) inklusive einer Beweislastumkehr u.a. in arbeitsgerichtlichen Verfahren, bleibt es auch mit dem neuen Entwurf bei der grundsätzlichen Wahlfreiheit für Hinweisgebende: Ob eine Meldung intern an die vom Unternehmen eingerichtete oder extern an die nun nicht mehr beim Bundesdatenschutzbeauftragten sondern beim Bundesamt für Justiz eingesetzte Stelle erfolgt, soll allein der Entscheidung der hinweisgebenden Person obliegen. Ein sofortiger Gang an die Öffentlichkeit bleibt zudem auch weiterhin nur im Ausnahmefall möglich.
Der persönliche Anwendungsbereich umfasst weiterhin alle Personen, die im beruflichen Umfeld Informationen über Verstöße erlangt haben (also nicht nur Arbeitnehmer). Auch in Bezug auf die Grundsätze zur Einrichtung der internen Meldestellen werden keine strengeren Grenzen gesetzt und insofern den Vorgaben der Richtlinie gefolgt. Zunächst sind also lediglich Arbeitgeber mit mindestens 250 Beschäftigten verpflichtet, entsprechende Kanäle aufzusetzen. Erst ab dem 17. Dezember 2023 greift dies auch für Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten.
Gemeinsame Nutzung einer zentralen Hinweisgeberstelle
Für letztgenannte, regelmäßig im Mittelstand anzusiedelnde Arbeitgeber sieht der Entwurf eine weitere Erleichterung vor und ermöglicht die unternehmensübergreifende gemeinsame Nutzung von Ressourcen im Rahmen der Einrichtung sog. „gemeinsamer Stellen“.
Eine entsprechende unternehmensübergreifende Nutzung sieht die Begründung des Entwurfs nunmehr ausdrücklich auch im Konzern vor. Die EU-Kommission hatte hierzu im vergangenen Juni verlautbart, die Richtlinie sei so auszulegen, dass getrennte Meldekanäle für jedes einzelne Konzernunternehmen aufzusetzen sind (siehe Blogbeitrag: Ist ihr Unternehmen angemessen auf die EU-Whistleblowing Richtlinie vorbereitet?). Entgegen dieser Auffassung und entsprechender Umsetzungsgesetze anderer EU-Mitgliedstaaten ermöglicht der Referentenentwurf hier nun mehr Flexibilität und gestattet den Rückgriff auf zentral, z.B. bei einer Konzernmutter, zur Verfügung gestellte Meldesysteme.
Prüfung und Aufklärung der Meldungen haben aber in den Fällen des gemeinsamen Zugriffs auf zentrale Stellen jeweils lokal bzw. dezentral zu erfolgen.
Welche weiteren Änderungen bringt der neue Entwurf mit sich?
Ebenso wie im Entwurf aus 2021 geht der sachliche Anwendungsbereich des HinSchG über die Vorgaben der Richtlinie hinaus, wenngleich der Umfang des Katalogs der meldefähigen Verstöße etwas reduziert wurde.
Während der vorherige Entwurf noch sämtliche straf- und bußgeldbewehrten Verstöße als mögliche Meldetatbestände benannte, begrenzt der Neuentwurf Meldungen auf solche Ordnungswidrigkeiten, die dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane (wie z.B. Betriebsräten) dienen. Ausdrücklich werden etwa Regelungen aus dem Feld des Arbeitsschutzes in der Entwurfsbegründung genannt. Hinzu kommen weitere, im Entwurfstext im Einzelnen aufgeführte Regelungen, welche überwiegend dem Europarecht entspringen (u.a. Vorschriften im Bereich von Umweltschutz, Produktsicherheit oder Datenschutz).
Durch diese Klassifizierung verschiedener Arten von Verstößen bleibt es für Arbeitgeber weiterhin herausfordernd, diesen spezifischen Hinweisgeberschutz entsprechend betrieblich zu implementieren. Daher sollten sich Unternehmen jedenfalls konkret mit der Überlegung befassen, ob eine Öffnung der Meldekanäle auch über den fest umrissenen Katalog von meldefähigen Regelungen hinaus sinnvoll erscheint.
Welche Sanktionen drohen Arbeitgebern?
Nachdem der Vorgängerentwurf noch dem entsprechenden Rahmen der Richtlinie nachempfunden war und insofern keine Sanktionen für Arbeitgeber vorsah, die pflichtwidrig keine interne Meldestelle einrichten, setzt die neue Fassung des Entwurfs hier andere Vorgaben.
Als Ordnungswidrigkeit sanktioniert wird nun – neben dem Ergreifen von unzulässigen Repressalien und einer Verletzung der Vertraulichkeit bezüglich der Identität hinweisgebender Personen – ausdrücklich auch, wenn Meldungen durch oder Kommunikation mit Hinweisgebenden ver- und behindert oder die Einrichtung und das Betreiben interner Meldestellen unterlassen wird.
Zudem wurde der Bußgeldrahmen verschärft und ermöglicht nun Sanktionen gegen Unternehmen in einem finanziellen Umfang von bis zu EUR 1.000.000,-. Der Verstoß gegen die Pflicht zur Einrichtung und zum Betreiben eines internen Meldesystems kann mit bis zu EUR 20.000,- sanktioniert werden.
Muss die Anonymität der Hinweisgebenden gesichert sein?
Auch ausweislich des neuen HinSchG-Entwurfs sind Arbeitgeber nicht verpflichtet, die internen Meldekanäle in einer Art zur Verfügung zu stellen, dass die Anonymität von Whistleblowern geschützt ist.
Zu berücksichtigen ist aber weiterhin, dass die Gewährleistung anonymer interner Meldungen die Akzeptanz und das Vertrauen in das unternehmensinterne Hinweisgebersystem signifikant verbessern kann. Wenngleich die Wahrscheinlichkeit substanzloser Denunziationen gleichermaßen ansteigen könnte, sollten Arbeitgeber die Anreizwirkung anonymer, interner Meldungen im Rahmen einer attraktiven Gestaltung der eigenen Kanäle zumindest ernsthaft in Betracht ziehen. Je attraktiver die internen Meldesysteme ausgestaltet sind, umso geringer dürfte die Motivation der Arbeitnehmer sein, sich gleich von Beginn an externen Kanälen zuzuwenden.
Wie sind die nächsten Schritte?
Nach erfolgter Abstimmung der Ministerien sind in einem nächsten Schritt erst die Verbände (Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften gleichermaßen) zu beteiligen. Ferner ist die Zustimmung des Bundesrates notwendig. Grundsätzlich ist – jedenfalls politisch – ein zeitnahes Inkrafttreten des Gesetzes nach der parlamentarischen Sommerpause und damit wohl im Herbst angestrebt.
Was sollte ich als Arbeitgeber jetzt tun?
Auch wenn sich im weiteren Gang der Gesetzgebung durchaus noch Änderungen ergeben können, sind Arbeitgeber gut beraten, sich schon jetzt konkret mit diesem Thema zu befassen – insbesondere wenn sie derzeit noch kein Hinweisgebersystem eingerichtet haben. Doch auch Arbeitgeber, die bereits einen entsprechenden Kanal vorhalten, sollten zügig damit beginnen, diesen im Hinblick auf die neuen Vorgaben zu überprüfen. Von besonderer Bedeutung wird dabei eine attraktive Gestaltung der internen Meldekanäle sein, um auf diesem Wege einen deutlichen Anreiz für interne Meldungen zu setzen und einem möglichen Reputationsverlust vorzubeugen.
Neben den technischen Voraussetzungen sollten über die Regelungen im HinSchG hinaus frühzeitig auch weitere rechtliche Rahmenbedingungen, wie etwa datenschutzrechtliche Anforderungen oder bestehende Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, berücksichtigt werden.