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Geschlechterdiskriminierung in der betrieblichen Altersversorgung: Handlungsbedarf und Kostenrisiken

van_portraits_840x840px_02_berdesinki.png Tobias Berdesinski

Februar 2025

Lesedauer: Min

Gleiches Entgelt für alle: Wegducken wird schwerer

Bekanntlich sorgt die Entgelttransparenzrichtlinie für Handlungsbedarf bei den Unternehmen. Es müssen Vergleichsgruppen der Mitarbeitenden gebildet werden, um mögliche Gender Pay Gaps zu identifizieren. Mitarbeitende erhalten weitere und sehr detaillierte Auskunftsrechte, auf welche auch noch aktiv hingewiesen werden muss. Schon im Bewerbungsverfahren müssen Unternehmen über Vergütungssysteme Auskunft geben können. Ab einer Größe von 100 Mitarbeitenden kommen umfangreiche Berichtspflichten hinzu, welche Vergütungsstrukturen öffentlich machen sollen. Die stärkere Einbeziehung der Mitbestimmungsgremien und der Behörden sollen dafür sorgen, dass Geschlechterdiskriminierungen beim Entgelt der Vergangenheit angehören. Umfangreiche Sanktionsmöglichkeiten runden das Ganze ab. Die Richtlinie muss dabei bis zum 7. Juni 2026 noch durch die nationale Gesetzgebung ausgestaltet werden. Im Zweifel ist aber in Deutschland damit zu rechnen, dass die ohnehin schon strengen Regelungen der Richtlinie noch weiter intensiviert werden.

Auch betriebliche Altersversorgung ist Entgelt

Was viele Unternehmen dabei noch nicht auf dem Schirm haben: Auch die betriebliche Altersversorgung (bAV) fällt unter den Geltungsbereich der Richtlinie. Dies liegt daran, dass betriebliche Altersversorgung in Deutschland nicht nur dem Versorgungszweck dient, sondern auch klassisches Entgelt ist.

Zahlreiche Sonderthemen bei bAV zu beachten

Hand aufs Herz: Die betriebliche Altersversorgung läuft in Ihrem Unternehmen eher so nebenher mit und niemand beschäftigt sich so recht mit ihr? Da sind Sie nicht allein. Die neue Richtlinie zwingt aber Unternehmen in Zukunft dazu, besser vorbereitet zu sein. Das fängt schon damit an, dass im Bewerbungsprozess über die bAV als Entgeltbestandteil informiert werden muss, mit konkreten Zahlen und Details. Berichts- und Auskunftspflichten erfordern aufgrund der Besonderheiten bei Anwartschaften und Sterbetafeln, unverfallbaren Ansprüchen sowie den verschiedenen Finanzierungswegen der bAV (Durchführungswege und Leistungsarten) andere Herangehensweisen als bei klassischen Vergütungsbestandteilen. So wird man neben dem Gesamtbestand der aktiven Mitarbeitenden zusätzlich zwischen den Anspruchsberechtigten der einzelnen Versorgungssysteme im Unternehmen differenzieren müssen.

Und obwohl Rentner und Ausgeschiedene als nicht mehr aktive Mitarbeitende vorbehaltlich der Entwicklung von Gesetzgebung und Rechtsprechung nicht unter die Berichtspflichten der Richtlinie fallen sollten, sind sie bei Diskriminierungen in der Vergangenheit ebenfalls anspruchsberechtigt hinsichtlich einer Anpassung der Rente nach oben. Denn der notwendige Ausgleich des Gehalts bei Vorliegen einer ungerechtfertigten Gender Pay Gap ist unabhängig von der Richtlinie. Diese wird nun aber für mehr Transparenz und Aufmerksamkeit für das Thema sorgen. Unternehmen müssen sich hier also auf mehr Klagemöglichkeiten von Betroffenen einstellen.

Extreme Kostenrisiken

Was den Handlungsbedarf hier besonders akut macht, liegt auf der Hand. Anpassungen nach oben beim Gehalt können je nach Ausgestaltung der Versorgungssysteme voll auf den Betriebsrentenanspruch durchschlagen. Insbesondere bei entgeltbezogenen Systemen können sich Anpassungen beim Gehalt stark auswirken, da das Rentenstammrecht betroffen ist. Neben der zukünftig erhöhten Zahlung auf Lebensdauer drohen bei aktiven Rentnern Rückzahlungen von zumindest drei, ggf. aber auch 10 Jahren Dauer, mit Einberechnung etwaiger unterlassener Anpassungen. Ausschlussklauseln, die bei „normalen“ Entgeltbestandteilen häufig als Rettungsanker für Unternehmen dienen werden, greifen bei der bAV im Zweifel nicht. Die Neuberechnung des Anspruchs auf die Betriebsrente kann zudem auf administrative, aber insbesondere auch praktische Probleme stoßen, wenn etwa ältere Tarife der Lebensversicherungen für Nachzahlungen nicht zur Verfügung stehen oder auf die einzelnen Jahre verteilt Rentenbausteine ermittelt werden müssen.

Problem: Diskriminierende Regelungen weit verbreitet

Was die Situation noch einmal verschärft: In zahlreichen Versorgungsordnungen finden sich „kritische“ Regelungen. Wenig überraschend enthalten gerade ältere, auf Schreibmaschine getippte Pläne noch unmittelbare frauendiskriminierende Regelungen. Dabei sind typische „Klassiker“ abweichende Startzeiten der Rentenbezugsdauer oder sogar unterschiedlich hohe Beitragszahlungen. Verbreiteter und zugleich kritischer sind aber mögliche mittelbare Diskriminierungstatbestände, also „verdeckte“ Diskriminierungen. Dies betrifft Regelungen, die scheinbar nicht an das Geschlecht geknüpft sind, aber bei genauerem Hinsehen doch entweder Frauen oder Männer benachteiligen.

So sind etwa Teilzeitformeln betroffen, die je nach Ausgestaltung diskriminierend sein können. In manchen Versorgungsordnungen gibt es etwa bei der Berechnung des betriebsrentenfähigen Gehalts Formeln bei der Berechnung von Teilzeitjahren, die nicht alle Jahre der Betriebszugehörigkeit gleich gewichten. Dies kann sich, je nach Gestaltung, diskriminierend auswirken. Denn da typischerweise Frauen in ihrer Erwerbshistorie familienbedingt Teilzeitjahre „einschieben“, kann es einen großen Unterschied machen, ob man für die Berechnung des Teilzeitgrads mehr auf die „jungen Lebensjahre“ abstellt oder auf die Jahre unmittelbar vor Rentenbezug.

Aber auch Männer können diskriminiert werden. Zwar finden sich nur noch ganz vereinzelt Unternehmen, die im Falle veralteter Versorgungssysteme tatsächlich „wortlautgemäß“ nur eine Witwenrente zahlen und das andere Geschlecht ignorieren.

Ein gewichtigeres Thema für die Männerdiskriminierung ist allerdings ernster zu nehmen und gerät zusehends in den Fokus: Da viele Frauen aufgrund ihrer Berufe und familienbedingten Berufsausfallzeiten eine kleinere Betriebsrente haben, haben Unternehmen häufig strukturelle Nachteile ausgleichen wollen. Es ist deswegen nicht selten der Fall, dass Frauen bevorzugt werden in Versorgungssystemen, etwa durch das Fehlen von Abschlägen, die erhöhende Wirkung von Rentenjahren usw. Diese guten Taten können sich leider rächen. Denn seit einiger Zeit kommt es vermehrt vor, dass Männer – die dann zwar regelmäßig einen höheren Rentenbetrag erhalten – sich dennoch benachteiligt fühlen, da ihnen diese Vorteile vorenthalten wurden. Vor dem Hintergrund der strengen europäischen Rechtsprechung sind solche Beschwerden je nach Einzelfallgestaltung auch nicht immer von vorneherein abzuwehren.

Ehegatten- und Altersabstandsklauseln sind nicht per se geschlechtsbezogen und unterliegen eigenen objektiven Anforderungen an ihre Zulässigkeit. Sie sollen im Kern verhindern, dass bei Witwen/Witwerrenten durch neue, sehr junge Lebenspartner:innen der Dotierungsrahmen gesprengt wird. Die Zulässigkeit solcher Klauseln richtet sich nach der Gestaltung und Ausgewogenheit im Einzelfall. Nichts desto trotz enthalten überraschenderweise immer noch genügend Versorgungspläne solche Klauseln auch mit klar geschlechtsbezogenen, von vorneherein diskriminierenden Charakter (Stichwort: Ausschluss Witwenrente in der Konstellation alter Mann, junge Frau, gerne auch in vergilbten Versorgungsplänen als „Geliebtenklausel“ klar benannt.).

Relativ neu sind im Übrigen Themen um Geschlechtsanpassungen oder das dritte Geschlecht. Hier muss man die Entwicklung abwarten, etwa im Hinblick auf die Berichtspflichten durch die vom Gesetzgeber umgesetzte Richtlinie.

Fazit: Handlungsbedarf!

Um Kostengräber zu vermeiden, empfiehlt es sich, das Thema Geschlechterdiskriminierung bei der bAV möglichst bald und rechtzeitig anzugehen. Diskriminierungsregelungen sollten geglättet werden. Strategische und taktische Beratung kann bei der Vergleichsgruppenentwicklung und den Berichtspflichten helfen, zu vermeiden, dass die betriebliche Altersversorgung als außergewöhnlicher Kostenrisikofaktor auf das Unternehmensergebnis durchschlägt.

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