Voraussetzungen und Praxistipps
In Zeiten des Fachkräftemangels erlangen die Möglichkeiten der Beschäftigung von Altersrentnern immer größere Bedeutung. Arbeitgeber haben insbesondere ein erhöhtes Interesse daran, Mitarbeiter in Schlüsselpositionen zumindest befristet weiterzubeschäftigen, um sich deren Know-How für eine gewisse Zeit zu sichern.
Seit dem 1. Juli 2014 besteht gemäß § 41 S. 3 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) die Möglichkeit der befristeten Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern, sofern diese die Regelaltersgrenze erreicht haben und ihr Arbeitsvertrag ab diesem Zeitpunkt eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsieht. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann der Beendigungstermin ohne feste Begrenzung (sogar mehrfach) befristet hinausgeschoben werden.
Die Europarechtskonformität der Regelung des § 41 S. 3 SGB VI war lange Zeit umstritten. Nunmehr hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 28. Februar 2018 (C-46/17, „John“) die Wirksamkeit der Norm bestätigt. Für eine wirksame Weiterbeschäftigung von Altersrentnern müssen Arbeitgeber allerdings folgende Punkte beachten:
1. Bereits bestehendes, auf die Regelaltersgrenze befristetes Arbeitsverhältnis
Die Möglichkeit einer befristeten Beschäftigung von Altersrentnern gemäß § 41 S. 3 SGB VI besteht nur bei Verlängerung eines bereits bestehenden Arbeitsverhältnisses und kann dementsprechend nicht zur Grundlage von Neueinstellungen gemacht werden. Befristete Neueinstellungen von Altersrentnern unterliegen vielmehr dem allgemeinen Befristungsrecht (vgl. § 14 Teilzeit- und Befristungsgesetz, TzBfG).
Das zu verlängernde Arbeitsverhältnis muss auf die Regelaltersgrenze befristet sein. Eine solche Regelung kann sich grundsätzlich aus dem Arbeitsvertrag, aber auch aus Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ergeben.
2. Schriftliche Verlängerung des bestehenden Arbeitsverhältnisses vor dessen Beendigung
Die Verlängerungsvereinbarung muss schriftlich abgeschlossen werden – und zwar zwingend noch vor der automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund Erreichen des Renteneintrittsalters. Dies bedeutet, dass sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer auf einer einheitlichen Vertragsurkunde im Original unterzeichnen müssen.
Zudem ist für die Wirksamkeit der Befristung eine nahtlose Weiterbeschäftigung des Altersrentners erforderlich; es darf also keinesfalls zu einer Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses kommen – auch nicht aufgrund eines Wochenendes oder Feiertages. Dies gilt auch, wenn der Mitarbeiter selbst eine kurze „Auszeit“ zwischen seinem bisherigen Arbeitsverhältnis und seiner befristeten „Rentnerbeschäftigung“ wünscht; solche Konstellationen müssen beispielsweise durch die Gewährung von (ggf. unbezahltem) Urlaub gestaltet werden.
Praxistipp:
Auch wenn die Regelung des § 41 S. 3 SGB VI ihrem Wortlaut nach eine unbegrenzte Anzahl an Verlängerungen über das Renteneintrittsalter hinaus erlaubt, ist bei mehrmaliger Verlängerung Vorsicht geboten: Eine zu häufige Verschiebung des Beendigungsdatums kann aufgrund Rechtsmissbrauchs unwirksam sein.
3. Keine Veränderung der übrigen Vertragsbedingungen
Nach Auffassung des EuGH dürfen „die übrigen Vertragsbedingungen“ durch die Verlängerungsvereinbarung „in keiner Weise geändert werden“. Erfolgt neben der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses zeitgleich eine Anpassung sonstiger Vertragsbedingungen, hat dies die Unwirksamkeit der Befristung und damit das Entstehen eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zur Folge. Dieses kann nur durch Kündigung, einvernehmliche Beendigung oder den Tod des Arbeitnehmers beendet werden. Dies führt in der Praxis zu der meist schwierigen Konsequenz, dass insbesondere dem häufigen Wunsch des betroffenen Mitarbeiters auf Verringerung seiner Arbeitszeit nicht – jedenfalls nicht sofort – nachgekommen werden kann, da hiermit die bisherigen Vertragsbedingungen (Arbeitszeit sowie Vergütung) geändert werden würden.
Praxistipp:
Um neben der befristeten Verlängerung des Arbeitsverhältnisses dennoch weitere Vertragsbedingungen anpassen zu können, empfiehlt es sich, zwei separate Vereinbarungen (in Form einer Verlängerungs- sowie einer Änderungsvereinbarung) abzuschließen. Idealerweise sollten beide Vereinbarungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten unterzeichnet werden und nicht zeitgleich wirksam werden (z.B. Reduzierung der Arbeitszeit erst einen Monat nach der befristeten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses).
4. Mitbestimmung des Betriebsrates
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG liegt eine mitbestimmungspflichtige Einstellung auch dann vor, wenn der Arbeitgeber sich entschließt, ein bislang befristetes Arbeitsverhältnis über die vereinbarte Befristung hinaus fortzusetzen. Aus diesem Grund ist der Betriebsrat auch vor dem Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts eines auf das Erreichen der Regelaltersgrenze befristeten Arbeitsverhältnisses gemäß § 99 BetrVG zu beteiligen.
Praxistipp:
Da die Vereinbarung über die befristete Verlängerung des Arbeitsverhältnisses noch vor Erreichen der Regelaltersgrenze schriftlich abgeschlossen werden muss (s.o. Ziff. 2), sollte insbesondere die dem Betriebsrat im Rahmen der Beteiligung gemäß § 99 BetrVG zustehende Ein-Wochen-Frist bei der zeitlichen Planung einkalkuliert werden.