„Ein Spiel dauert 90 Minuten“ – diese altbekannte Fußballweisheit wird während der im Sommer 2024 in Deutschland stattfindenden Fußball-Europameisterschaft wieder einige Ausnahmen durch Nachspielzeiten, Verlängerungen und Elfmeterschießen erfahren. Gleiches gilt für die im Arbeitszeitgesetz festgelegten Höchstarbeitszeiten. Nordrhein-Westfalen nimmt als Gastgeber mit gleich vier von zehn Austragungsorten (Dortmund, Düsseldorf, Gelsenkirchen und Köln) eine zentrale Rolle bei diesem Großevent ein. Um einen reibungslosen Ablauf der Fußball-Europameisterschaft sicherzustellen, hat die Landesregierung auf Grundlage des § 15 Abs. 2 ArbZG eine befristete Ausnahmegenehmigung geschaffen, die die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schützen und gleichzeitig den Erfolg der UEFA EURO 2024 sicherstellen soll. Die Eckpunkte dieser in NRW geltenden Ausnahmegenehmigung stellen wir kurz vor.
Geltungsbereich der Regelung
Die Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz gelten befristet für den Zeitraum vom 15. Mai 2024 bis zum 31. Juli 2024 und ausschließlich für das Land Nordrhein-Westfalen. Es ist aber davon auszugehen, dass auch die Arbeitsschutzbehörden in den anderen Bundesländern (jedenfalls in den weiteren gastgebenden Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Berlin, Hamburg, Hessen und Sachsen) gleichlautende oder vergleichbare Ausnahmeregelungen erlassen werden. Inhaltlich gilt die Ausnahmeregelung für alle Personen, die zur Vorbereitung, Teilnahme, Durchführung und Nachbereitung der UEFA EURO 2024 beauftragt oder akkreditiert werden, insbesondere in folgenden Branchen und Bereichen:
1. Repräsentanten, Mitarbeiter und Beauftragte von Verbänden und Organisationen, insbesondere der UEFA, einschließlich Schiedsrichtern und Schiedsrichterassistenten, Spieler sowie anderes bezahltes Personal der teilnehmenden Mannschaften,
2. Vertreter und Mitarbeiter der offiziellen Verbands- und Lizenzpartner,
3. Vertreter der Medien einschließlich des technischen Personals sowie die Mitarbeiter der Fernseh- und Medienpartner,
4. Mitarbeiter des Facility-Managements und
5. Service (Hospitality), Wach- und Sicherheitsgewerbe.
Befristete Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz
Kern der Ausnahmegenehmigung ist die darin vorgesehene Möglichkeit, die tägliche Höchstarbeitszeit auf maximal 12 Stunden (erforderlichenfalls auch an Sonn- und Feiertagen) zu erweitern. Diese Erweiterung darf ohne gesonderte Bewilligung der Aufsichtsbehörde in Anspruch genommen werden. Das gilt allerdings nur dann, wenn eine solche Arbeitszeitverlängerung aufgrund logistischer Probleme oder einer nicht abschätzbaren Bedarfslage erforderlich ist und nicht durch vorausschauende organisatorische Maßnahmen einschließlich notwendiger Arbeitszeitdisposition, durch befristete Einstellungen oder sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden kann.
Zudem gilt diese Ausnahme ausschließlich für Arbeiten, die im unmittelbaren inhaltlichen und räumlichen Zusammenhang mit der UEFA EURO 2024 stehen. Um den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sicherzustellen, haben Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber bei einer Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung zudem folgende Vorgaben zu beachten:
Die maximale wöchentliche Höchstarbeitszeit darf 60 Stunden nicht überschreiten.
Beginn und Ende der tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten sowie Lage und Dauer der Ruhepausen sind für alle betroffenen Beschäftigten aufzuzeichnen (§ 3 Absatz 2 Nummer 1 ArbSchG).
Im Falle von Sonn- und Feiertagsarbeit muss der Ersatzruhetag in der gesetzlich vorgeschriebenen Frist von 14 Tagen erfolgen (§ 11 Absatz 3 ArbZG).
Mindestens 15 Sonntage im Jahr müssen beschäftigungsfrei bleiben (§ 11 Absatz 1 ArbZG).
Alle Tätigkeiten im Rahmen der Vorbereitung, Teilnahme, Durchführung und Nacharbeitung der UEFA EURO 2024 sind nach §§ 5 und 6 ArbSchG im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln, zu bewerten und zu dokumentieren.
Für Beschäftigte unter 18 Jahren gelten die Ausnahmeregelungen nicht, sondern es bleibt bei den Regelungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes. Für schwangere und stillende Frauen gelten die Regelungen des Mutterschutzgesetzes.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass die wöchentliche Arbeitszeit auch unter Einbeziehung des Sonntags die gesetzliche Höchstgrenze von 48 Stunden im Durchschnitt von 6 Kalendermonaten oder 24 Wochen nicht überschreiten darf. Daher ist bei Personalplanung und -einsatz im Anschluss an die Fußball-Europameisterschaft darauf zu achten, dass die durchschnittliche Arbeitszeit innerhalb des Ausgleichszeitraums wieder auf die gesetzliche Höchstgrenze von 48 Stunden zurückgefahren wird. Das kann durch die Gewährung entsprechender Ausgleichstage geschehen.
Wichtig auch: Mitbestimmungsrechte des Betriebs- bzw. des Personalrates nach den jeweiligen Betriebs- bzw. Personalvertretungsgesetzen werden durch die Ausnahmegenehmigung nicht berührt. Das heißt, dass die Arbeitnehmervertretungen bei einer beabsichtigten Änderung der Arbeitszeit im Rahmen ihrer Mitbestimmungsrechte zu beteiligen sind. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, bereits frühzeitig das Gespräch mit den Arbeitnehmervertretungen zu suchen und eine gemeinsame Strategie für den Personaleinsatz während der Fußball-Europameisterschaft zu erörtern.
Kontrollen der Arbeitsschutzbehörden
Auch während der UEFA EURO 2024 werden die Arbeitsschutzbehörden die Einhaltung des Arbeitsschutzes überwachen und gegebenenfalls erforderliche aufsichtsrechtliche Maßnahmen festlegen. Allerdings plant die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen für die UEFA EURO 2024 keine zusätzlichen personellen und materiellen Mittel für die Arbeitsschutzkontrollen ein.
Fazit
Die UEFA EURO 2024 steht vor der Tür und wird zahlreiche nationale und internationale Fans und Gäste in die Stadien und Gastgeberstädte bringen. Um dem offiziellen Turniermotto „United by Football. Vereint im Herzen Europas“ gerecht zu werden und dieses Großevent zu einem vollen Erfolg werden zu lassen, braucht es Planungssicherheit für den zu erwartenden hohen Arbeitsanfall rund um das Turnier. Die von der Landesregierung kurzfristig geschaffenen befristeten Ausnahmeregelungen geben den Beteiligten die benötigte Planungssicherheit sowie gute und verlässliche Rahmenbedingungen für die spontane Anpassung von Arbeitsabläufen und Arbeitseinsätzen, ohne den Arbeitsschutz aus den Augen zu verlieren. Da die Landesregierung die Ausnahmeregelungen mit einem dringenden öffentlichen Interesse gemäß § 15 Abs. 2 ArbZG aufgrund der Größe und Bedeutung der UEFA EURO 2024 begründet, lässt sich diese befristete Ausnahme nicht ohne Weiteres auf andere (regionale) Großveranstaltungen übertragen.
Darüber hinaus zeigt die zügige politische und verwaltungstechnische Umsetzung der Ausnahmegenehmigung, dass mit dem entsprechenden (politischen) Willen viel erreicht werden kann. Ein derartiger Antrieb wäre – auch ganz ohne Sportereignis im Hintergrund – bundespolitisch mit Blick auf die dringend nötige Reform des Arbeitszeitgesetzes (insbesondere hinsichtlich der Arbeitszeiterfassungspflicht) ebenfalls wünschenswert.
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