Verordnung soll die gesellschaftliche Grundversorgung in der COVID-19-Epidemie sicherstellen
Der Gesetzgeber handelt – nun auch im Arbeitszeitrecht. Infolge der COVID-19-Epidemie sind in bestimmten Branchen Ausnahmen von den Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) in Bezug auf Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten sowie vom grundsätzlichen Beschäftigungsverbot an Sonn- und Feiertagen möglich.
Diese Ausnahmen hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit mit Verordnung 07. April 2020 (Verordnung) auf Basis des neuen § 14 Abs. 4 ArbZG zugelassen. Die Ausnahmen gelten für einen befristeten Zeitraum, und zwar bis zum 30. Juni 2020.
Ziel der Verordnung
Ziel ist, in der aktuellen Situation die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge sowie der Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern sicherzustellen.
Um welche Branchen geht es?
Dabei geht es unter anderem um die Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs, Arzneimitteln und Medizinprodukten sowie Produkten, die zur Eingrenzung, Bekämpfung und Bewältigung der COVID-19-Epidemie erforderlich sind. Ebenfalls sind Tätigkeiten in der medizinischen Behandlung und Pflege, bei Not- und Rettungsdiensten, sowie der Feuerwehr umfasst. Dies gilt auch für Apotheken und Sanitätshäuser oder Energie-, Wasserversorgungs-, Abfall- und Abwasserentsorgungsbetriebe.
Welche Ausnahmen sind konkret möglich?
Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer auf bis zu 12 Stunden. Dies gilt nur, soweit die Verlängerung nicht durch vorausschauende organisatorische Maßnahmen, einschließlich notwendiger Arbeitszeitdisposition, durch Einstellungen oder sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden kann. Wie im ArbZG üblich, muss innerhalb von sechs Monaten ein Ausgleich auf acht Stunden werktäglich (48 Stunden wöchentlich) erfolgen.
Die tägliche Ruhezeit darf um bis zu zwei Stunden verkürzt werden, wobei eine Mindestruhezeit von neun Stunden nicht unterschritten werden darf. Jede Verkürzung der Ruhezeit ist innerhalb von vier Wochen auszugleichen. Der Ausgleich ist nach Möglichkeit durch freie Tage zu gewähren, ansonsten durch Verlängerung anderer Ruhezeiten auf jeweils mindestens 13 Stunden.
Arbeitnehmer dürfen auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden, sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können. Die Regelung zur Verlängerung der täglichen werktäglichen Arbeitszeit gilt auch an Sonn- und Feiertagen, soweit keine entgegenstehenden Ladenschlussgesetze bestehen. Der Ersatzruhetag für Sonntagsbeschäftigung kann außerhalb von acht Wochen gewährt werden, er muss spätestens bis zum Außerkrafttreten der Verordnung am 31. Juli 2020 gewährt worden sein.
Wird von den vorstehend genannten Abweichungen Gebrauch gemacht, darf die Arbeitszeit 60 Stunden wöchentlich nicht überschreiten. Nur in dringenden Ausnahmefällen darf die Wochenarbeitszeit auch über 60 Stunden hinaus verlängert werden, soweit die Verlängerung nicht durch vorausschauende organisatorische Maßnahmen einschließlich notwendiger Arbeitszeitdisposition, durch Einstellungen oder sonstige personalwirtschaftliche Maßnahmen vermieden werden kann.
Abwägung im Einzelfall
Aufgrund der negativen Auswirkungen langer Arbeitszeiten, verkürzter Ruhezeiten und der Verschiebung der wöchentlichen Ruhezeit muss der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht und entsprechend der Zwecksetzung des ArbZG – insbesondere der Gewährleistung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer sowie Schutz des Sonntags und der staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Ruhe – stets abwägen, ob eine Abweichung unter Berücksichtigung von Sicherheit und Gesundheitsschutz angesichts des außergewöhnlichen Notfalls zu vertreten ist.
Verhältnis zu anderen gesetzlichen Regelungen
Regelungen zum Arbeitsschutz in anderen Gesetzen, z.B. im Jugendarbeitsschutzgesetz und Mutterschutzgesetz sowie die Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten bleiben durch die Verordnung unberührt. Auch die Mitbestimmung des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz oder dem Personalrat nach den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der Länder bleiben unberührt. Die Verordnung tritt neben andere Vorschriften, die aufgrund der im ArbZG bestehenden Regelungsbefugnisse der Länder ergangen sind. Weitere Ausnahmevorschriften durch die Länder sind möglich. Hiervon haben die Länder bereits umfassend Gebrauch gemacht und entsprechende Allgemeinverfügungen erlassen, beispielsweise Nordrhein-Westfalen.
Außerkrafttreten
Die Verordnung insgesamt gilt bis zum 31. Juli 2020. Hierdurch wird sichergestellt, dass der Ausgleich bei verkürzter Ruhezeit sowie bei Sonntagsarbeit innerhalb der Laufzeit der Verordnung erfolgt.