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Abschluss von Arbeitsverträgen künftig per E-Mail? – Zurück in die Zukunft

van_portraits_840x840px_03_ritter.png Insa Ritter
Sabrina Niederöcker

Juli 2024

Lesedauer: Min

Einen großen Schritt in Richtung Bürokratieabbau verspricht die Bundesregierung Bürgerinnen und Bürgern durch das Bürokratieentlastungsgesetz IV (BEG IV). Zuletzt hatten wir Inhalte dieses Regierungsvorhabens bereits in unserer Podcast-Folge „vangard spricht – in München“ vorgestellt. Aktuelle Entwicklungen gab es nun am 19.06.2024, als das Bundesjustizministerium einen geänderten Regierungsentwurf zum BEG IV veröffentlichte, der Anpassungsvorschläge des Bundesrats und verschiedener Verbände aufgreift. Im Mittelpunkt steht dabei die Möglichkeit, Arbeitsverträge künftig digital – zum Beispiel per E-Mail – zu schließen.

Wie ist die aktuelle Rechtslage?

Obwohl es keine Neuheit ist, dass Arbeitsverträge im Grundsatz formfrei geschlossen werden können, ist dies bisweilen in der Praxis unüblich. Zum einen drohen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Falle von Unstimmigkeiten Beweisprobleme, zum anderen verpflichtet das sogenannte Nachweisgesetz seit August 2022 Arbeitgeber, zentrale Vertragsbedingungen zur besseren Nachvollziehbarkeit in Schriftform zu dokumentieren.

Außerdem gilt die Formfreiheit bei weitem nicht für jeden Arbeitsvertrag. Für Befristungen, welche in der Praxis weit verbreitet sind, schreibt § 14 Abs. 4 TzBfG zwingend die Schriftform – also die eigenhändige Unterzeichnung durch beide Vertragsparteien auf einem Papierdokument – vor. Das betrifft bisher selbst Verträge, die eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vorsehen.

Ferner ist die Schriftform bei der Vereinbarung von nachvertraglichen Wettbewerbsverboten und bei Arbeitnehmerüberlassungsverträgen einzuhalten. Vor diesem Hintergrund war bislang der Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages für beide Parteien die pragmatische, wenn auch manchmal umständliche Lösung.

Welche Anpassungen sieht der neue Regierungsentwurf vor?

Nachdem der erste Regierungsentwurf vom 13.03.2024 vorsah, dass der Arbeitgeber der Nachweispflicht nicht mehr schriftlich, sondern nur noch in elektronischer Form nachkommen muss, kamen in der Praxis vielfach Bedenken hinsichtlich der Praktikabilität dieser geplanten Neuregelung auf. Grund für diese Bedenken war, dass die elektronische Form eine sog. „qualifizierte elektronische Signatur“ voraussetzt, die Unterschrift also eines speziell verschlüsselten Zertifikats bedarf. Diese Anforderung erfüllt eine gewöhnliche E-Mail nicht; die elektronische Form würde beim Bürokratieabbau somit keine Abhilfe schaffen und die Praxisrelevanz der Neuerung wäre kaum wahrnehmbar.

Der überarbeitete Gesetzesentwurf reagiert auf diese Kritik, indem künftig der Nachweis der Vertragsbedingungen in Textform genügen soll. Damit würde für Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Möglichkeit eines Arbeitsvertragsschlusses bei gleichzeitiger Erfüllung der Nachweispflichten aus dem Nachweisgesetz bereits mittels Erklärungen, die lesbar auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden, das heißt bspw. durch E-Mails, bestimmte Messenger-Nachrichten oder vergleichbare Kommunikationsformen, eröffnet. Die Vertragsdokumente müssten für den Arbeitnehmer zugänglich sein, gespeichert und ausgedruckt werden können und der Arbeitgeber müsste den Arbeitnehmer mit der Übermittlung auffordern, einen Empfangsnachweis zu erteilen.

Auch Befristungen des Arbeitsverhältnisses bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze und Arbeitnehmerüberlassungsverträge bedürften bei Verabschiedung des geänderten Entwurfs zu ihrer Wirksamkeit künftig nur noch der Textform.

Wann ist weiterhin auf das Einhalten der Schriftform zu achten?

Bei allen sonstigen Befristungen oder Verträgen, die ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vorsehen, sind indes keine Änderungen geplant, sodass hier auch weiterhin die Schriftform einzuhalten sein wird. Auch wenn Arbeitnehmer explizit einen schriftlichen Nachweis der wesentlichen Arbeitsbedingungen verlangen sowie in den Wirtschaftsbereichen nach § 2a Abs. 1 des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes – bspw. im Bau- oder Gaststättengewerbe – sieht der neue Regierungsentwurf vor, dass der Arbeitgeber wie bisher einen schriftlichen Nachweis zur Verfügung stellen muss. Auch Kündigungen und Aufhebungsverträge sind von den geplanten Neuregelungen ausgenommen und bedürfen auch weiterhin der Schriftform.

Wann treten die Neuerungen des Bürokratieentlastungsgesetzes IV in Kraft?

Wann das Gesetz endgültig beschlossen wird, ist aktuell noch nicht absehbar. In Kürze wird zunächst die erste Lesung im Bundestag erwartet. Sollte das Gesetz indes so verabschiedet werden, wie der aktuelle Regierungsentwurf es vorsieht, würden die Neuerungen ab dem ersten Tag des auf die Verkündung folgenden Quartals in Kraft treten. Aufgrund der bisher unklaren Zeitschiene gehen wir davon aus, dass die Neuerungen damit frühstens ab dem 01.10.2024 gelten werden.

Welche Folgen hat das Bürokratieentlastungsgesetz IV für die Praxis?

Der Arbeitswelt stehen mit dem BEG IV wesentliche Neuerungen bevor. Werden die Neuerungen wie geplant verbschiedet, erlaubt es die Formerweiterung im Nachweisgesetz Unternehmen, Abläufe zu digitalisieren und die Personalverwaltung zu modernisieren. Der „digitale Arbeitsvertrag“ wird möglich und stellt ein Etappenziel in Richtung Digitalisierung der Arbeitswelt dar. Gerade Unternehmen und Verbände befürworten diese Entwicklung. Aber auch Arbeitnehmer werden durch Bürokratieabbau entlastet, wobei sichergestellt bleibt, dass sie ihre Arbeitsbedingungen im Streitfall einfach nachweisen können.

Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im internationalen Geschäftsverkehr und zur Entlastung der Wirtschaft ist es notwendig, durch effektive Maßnahmen die Fortschrittlichkeit von Unternehmen zu sichern und einen zukunftsorientierten, zunehmend digitalisierten Arbeitsalltag zu garantieren. Sollte das Gesetz wie nun geplant verabschiedet werden, wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung getan.

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