Die Zuteilung von Restricted Stock Units (RSUs – beschränkte Aktienerwerbsrechte) ist ein gerne genutzter Weg, um Mitarbeiter an dem Erfolg des Arbeitgebers zu beteiligen und langfristig zu motivieren. Dabei können die Auszahlungen aus so einem Beteiligungsprogramm, je nach Erfolg des Unternehmens, einen wesentlichen Bestandteil der Gesamtvergütung des Mitarbeiters ausmachen.
RSUs werden dabei regelmäßig durch eine dritte Konzerngesellschaft – oft die ausländische Muttergesellschaft - ausgegeben, die selbst keine (arbeits-)vertragliche Beziehung zu dem Arbeitnehmer hat. Diese Vergütungsleistung durch Dritte führt in der Praxis zu einigen interessanten Fragestellungen. Mit einer dieser Fragen hatte es nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu tun:
RSU der Muttergesellschaft und Karenzentschädigungen
In dem vom BAG entschiedenen Fall, erhielt der Kläger RSUs nicht von seinem Vertragsarbeitgeber, sondern aufgrund einer eigenständigen Zuteilungsvereinbarung mit einer ausländischen Obergesellschaft der Unternehmensgruppe, der auch der Vertragsarbeitgeber angehörte. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses, zahlte der Vertragsarbeitgeber dem (späteren) Kläger eine Karenzentschädigung gemäß § 74 HGB für die Zeit eines zwischen den Parteien vereinbarten nachvertraglichen Wettbewerbsverbots. Dessen Berechnungsgrundlage griff der Kläger an, da der Vertragsarbeitgeber bei der Bestimmung der Karenzentschädigungshöhe, die dem Kläger jährlich von der Obergesellschaft zugeteilten RSUs nicht berücksichtige. Vielmehr berechnete er die Karenzentschädigung allein auf Basis des arbeitsvertraglichen Gehalts.
Streitig war daher die Reichweite des Begriffs der „vertragsmäßigen Leistungen“, die der Berechnung der Karenzentschädigung sowohl nach dem Wortlaut im Arbeitsvertrag des Klägers als auch nach § 74 HGB zugrunde zu legen waren. Das BAG musste entscheiden, ob Leistungen (in Form der RSUs) einer Obergesellschaft des Vertragsarbeitgebers diesem, hier im Rahmen eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, zugerechnet werden können.
Das BAG schafft Klarheit!
Ebenso wie die Vorinstanzen (zuletzt das LAG Hamm Urt. V. 11.08.2021 – 10 Sa 284/2) hat das BAG die Klage abgewiesen. Leistungen eines rechtlichen Dritten sind somit der Berechnung der Karenzentschädigung nicht zugrunde zu legen.
Nach Auffassung des BAG bestimmt sich die gesetzliche Karenzentschädigung eines Arbeitnehmers allein nach den von dem Vertragsarbeitgeber erbrachten Leistungen, die auf dem Austauschcharakter des Arbeitsverhältnisses beruhen und die der Arbeitgeber daher dem Arbeitnehmer als Vergütung für geleistete Arbeit schuldet.
Dabei stellt das BAG ausschließlich auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und dem Vertragsarbeitgeber ab. Eine mögliche tatsächliche Einflussnahme der Obergesellschaft auf den Vertragsarbeitgeber lässt das BAG nicht ausreichen, um von der klaren rechtlichen Trennung zwischen der die RSUs ausgebenden Obergesellschaft und dem Vertragsarbeitgeber abzuweichen.
Diese Auslegung ist nicht unumstritten, da darin eine Verletzung des Umgehungsverbot (§ 75 d HGB) gesehen werden kann. So wurde teils vertreten, dass das gesamte Einkommen des Arbeitnehmers bei der Berechnung der Karenzentschädigung zu berücksichtigen sei, also auch solche Entgeltbestandteile, die der Arbeitnehmer zwar nicht von seinem Vertragsarbeitgeber erhält, aber eben doch aufgrund seiner Tätigkeit für den Arbeitgeber, da dies den tatsächlichen Gegenwert der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers darstelle, der durch die Karenzentschädigung für die Zeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots ausgeglichen werden solle. Diese Befürchtungen teilt das BAG offensichtlich nicht.
Das BAG hält sich dennoch eine Hintertür offen. Wenn der Vertragsarbeitgeber im Hinblick auf die Gewährung von RSUs durch eine Obergesellschaft ausdrücklich oder konkludent eine eigene (Mit-)Verpflichtung eingeht, können die RSUs doch dem Vertragsarbeitgeber zugerechnet werden. Wann eine solche (Mit-)Verpflichtung anzunehmen ist, sagt das BAG nicht. Ein konzernweites nachträgliches Wettbewerbsverbot soll jedoch noch nicht ausreichend sein.
Was bedeutet das für die Praxis?
Das Urteil des BAG bestätigt die von uns bereits verfolgte Beratungspraxis. Aktienbeteiligungsprogramme (neben RSU auch klassische Stock Options) für Mitarbeiter, die nicht von dem Vertragsarbeitgeber selbst, sondern von einer Konzerngesellschaft durchgeführt werden, ohne dass der Vertragsarbeitgeber in die Durchführung eingebunden wird, stehen regelmäßig separat neben dem Arbeitsvertrag. Nach der Entscheidung des BAG wird es in Zukunft jedoch weiter wichtig sein, diese Trennung zu wahren und eine (Mit-)Verpflichtung des Vertragsarbeitgebers zu vermeiden.
Gleichzeitig stellt das Urteil eine Chance für Arbeitgeber dar. Sie können ihren Arbeitnehmern ein motivierendes RSU-Programm anbieten und die eigenen Arbeitnehmer an der Unternehmens- bzw. Konzernentwicklung beteiligen, ohne dass die RSUs den gleichen Schutz wie echtes Arbeitsentgelt genießen und bei der Berechnung der Karenzentschädigung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots berücksichtigt werden müssten.