Geplantes erhöht den Mehraufwand in Personalabteilungen erheblich
Die Bundesregierung nimmt einen zeitlichen Aufwand von drei Minuten an, um Arbeitsverträge aufgrund geplanter gesetzlicher Neuregelungen anzupassen. Diese Annahme hat mit der Arbeitsvertragspraxis nichts zu tun. Vielmehr wird das beabsichtigte Gesetz für erheblichen Mehraufwand in den Personalabteilungen sorgen. Praktisch alle Arbeitsverträge bedürfen zum 01. August 2022, sollte das Gesetz bis dahin in Kraft treten, einer Überarbeitung. Insbesondere in der Ferien- und Urlaubszeit wird dies ohne Unterstützung kaum zu schaffen sein. Jetzt aber erstmal der Reihe nach.
Worum geht es?
Die Bundesregierung hat im Frühjahr einen Gesetzentwurf (BT-Drucksache 20/1636) zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union im Bereich des Zivilrechts („Arbeitsbedingungenrichtlinie“) auf den Weg gebracht. Die Arbeitsbedingungenrichtlinie sieht vor, dass die dort festgelegten Rechte und Pflichten spätestens am 01. August 2022 für alle Arbeitsverhältnisse gelten müssen. Warum die Politik erst jetzt handelt, obwohl die Richtlinie schon knapp drei Jahre existiert, ist nur schwer verständlich.
Zur Umsetzung der Arbeitsbedingungenrichtlinie sieht der aktuelle Entwurf zahlreiche Änderungen bestehender Gesetze vor. Im Kern geht es aber um weitreichende Änderungen des Nachweisgesetzes, worauf sich dieser Beitrag konzentriert.
Was gilt bereits heute?
Nach aktueller Rechtslage müssen Arbeitgeber die wesentlichen Vertragsbedingungen – z.B. Beginn, Arbeitsort, Vergütung, Arbeitszeit, Kündigungsfristen – schriftlich niederlegen, die Niederschrift unterzeichnen und den Arbeitnehmern aushändigen. Das Nachweisgesetz sieht die strenge Schriftform vor (§ 126 Abs. 1 BGB), also die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers unter die Niederschrift. Die elektronische Form ist ausdrücklich ausgeschlossen. Zudem ist die Niederschrift spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses den Arbeitnehmern auszuhändigen. Rein praktisch erfüllen Arbeitgeber diese Pflichten meist mit dem Abschluss eines schriftlichen Arbeitsvertrages, der die wesentlichen Vertragsbedingungen enthält.
Im Falle der Änderung wesentlicher Vertragsbedingungen gilt: Auch diese sind Arbeitnehmern spätestens einen Monat nach der Änderung schriftlich mitzuteilen; dies ist jedoch nicht erforderlich bei einer Änderung der gesetzlichen Vorschriften, Tarifverträgen, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen und ähnlichen Regelungen, die für das Arbeitsverhältnis gelten.
Was plant die Bundesregierung?
Der Gesetzentwurf sieht eine erhebliche Ausweitung der Nachweispflichten der Arbeitgeber vor. Ein Nachweis ist auch zu erteilen zu
der Dauer einer vereinbarten Probezeit,
der Art der Auszahlung des Arbeitsentgelts,
vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie bei vereinbarter Schichtarbeit dem Schichtsystem, dem Schichtrhythmus und Voraussetzungen der Schichtänderungen;
Einzelheiten zur Arbeit auf Abruf (§ 12 Teilzeit- und Befristungsgesetz);
der vereinbarten Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen,
einem etwaigen Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung,
Namen und Anschrift des Versorgungsträgers, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger zusagt (die Nachweispflicht entfällt jedoch, wenn der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist),
dem bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltenden Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage; § 7 des Kündigungsschutzgesetzes ist auch bei einem nicht ordnungsgemäßen Nachweis der Frist zur Erhebung der Kündigungsschutzklage anzuwenden.
weiteren Nachweispflichten bei Auslandseinsätzen von Arbeitnehmern.
Zudem sollen künftig folgende Fristen zur Erfüllung der Nachweispflichten gelten: Bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsleistungen sollen Arbeitgeber Arbeitnehmern den Namen und die Anschrift der Vertragsparteien, die erforderlichen Angaben über die Vergütung sowie über die Arbeitszeit aushändigen. Andere Nachweispflichten (bspw. Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses, den oder die Arbeitsorte oder eine Charakterisierung oder Beschreibung der von dem Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit) sollen Arbeitgeber Arbeitnehmer spätestens am siebten Tag nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses aushändigen. Nur in wenigen Fällen soll es bei der bisherigen Monatsfrist bleiben. Eine Veränderung von Arbeitsbedingungen soll künftig bereits an dem Tag, an dem sie wirksam wird, Arbeitnehmern schriftlich mitzuteilen sein.
Leider soll die elektronische Form ausgeschlossen bleiben. Dies ist enttäuschend und missachtet die heutige Vertragswirklichkeit. Über die damit verbundenen Digitalisierungshemmnisse hatten wir bereits an anderer Stelle berichtet.
Der Ausschluss der elektronischen Form verwundert umso mehr, weil die Arbeitsbedingungenrichtlinie diese ausdrücklich zulässt, sofern die Informationen für Arbeitnehmer:innen zugänglich sind, gespeichert und ausgedruckt werden können und Arbeitgeber:innen einen Übermittlungs- oder Empfangsnachweis erhalten.
Was soll für Altverträge gelten?
Diesbezüglich stellt der Gesetzentwurf klar, dass bei Arbeitsverhältnissen, die bereits vor dem 01. August 2022 bestanden haben – all dies sind Altverträge (!) –, Arbeitnehmer auf ihr Verlangen spätestens am siebten Tag nach Zugang der Aufforderung bei dem Arbeitgeber die Niederschrift mit den Angaben über die wesentlichen Vertragsbedingungen auszuhändigen ist. Für bestimmte wesentliche Vertragsbedingungen soll eine Frist von spätestens einem Monat nach Zugang der Aufforderung gelten.
Achtung: Bußgelder drohen
Neu ist auch: Händigen Arbeitgeber entgegen den gesetzlichen Vorschriften wesentliche Vertragsbedingungen nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig aus, soll es sich dabei um eine Ordnungswidrigkeit handeln, die mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu EUR 2.000 – pro Arbeitsvertrag (!) – geahndet werden kann. Allein aus diesem Grund ergibt sich besonderer Handlungsbedarf für Arbeitgeber.
Stand des Gesetzgebungsverfahrens
Aktuell ist das Gesetz noch nicht in Kraft. Nach der ersten Lesung im Deutschen Bundestag fand am 20. Juni 2022 die öffentliche Anhörung im Ausschuss für Arbeit und Soziales statt. Es bleibt abzuwarten, welche Nachweiserfordernisse der Gesetzgeber tatsächlich verabschieden wird. Trotz der alten Regel, wonach kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hineinkommt, ist klar: Verschärfungen bei den Nachweispflichten werden kommen.
Was müssen Arbeitgeber tun?
Der Aufwand wird aller Voraussicht nach hoch sein. Bereits jetzt ist wichtig, sich auf Handlungsbedarf einzustellen und entsprechende Kapazitäten zu schaffen. Arbeitgeber werden Arbeitsverträge umfassend prüfen und anpassen müssen, insbesondere hinsichtlich der Hinweise zur Klagefrist bei Kündigungen, die in den seltensten Fällen in aktuellen Arbeitsverträgen enthalten sein werden. Alternativ können Arbeitgeber den Arbeitnehmern zur Erfüllung der (neuen) gesetzlichen Nachweispflichten auch ein gesondertes Schreiben mit sämtlichen wesentlichen Vertragsbedingungen aushändigen.
Fazit:
Natürlich ist transparente Vertragsgestaltung für die Vertragsparteien sinnvoll. Fraglich ist aber, ob immer längere und umfassendere Arbeitsverträge tatsächlich für die gewünschte Transparenz sorgen werden. Im Übrigen müssen Arbeitsverträge den immer strengeren Anforderungen der AGB-Kontrolle standhalten. Klar ist: Der in der Gesetzesbegründung genannte zeitliche Aufwand von drei Minuten für die Anpassung von Arbeitsverträgen ist abwegig. Wir beobachten das Gesetzgebungsverfahren und bleiben für Sie am Ball.