Blog

Kein Urlaub während Quarantäne

van_portraits_840x840px_17_kaul.png Christoph Kaul

November 2022

Lesedauer: Min

Selten gab es so viele Krisen und Herausforderungen wie derzeit. Auch die COVID-19-Pandemie ist nach wie vor allgegenwärtig, der nächste Winter mit üblicherweise steigenden Infektionszahlen steht bevor. Zum Jahresende rückt in vielen Unternehmen zudem das Thema Urlaub vermehrt in den Fokus. Die konkrete Frage lautet vielfach: Welcher Mitarbeiter hat noch wie viele Urlaubstage? Im Zusammenhang von Pandemie und Urlaub hat der Gesetzgeber nun eine äußerst praxisrelevante Frage geklärt.

 

Was hat der Gesetzgeber geregelt?

Seit den letzten Änderungen des Infektionsschutzgesetzes („IfSG“) existiert eine gesetzliche Regelung zur Frage, ob Urlaubstage, während derer ein arbeitsfähiger Beschäftigter in behördlich angeordnete Quarantäne muss, auf den Jahresurlaub anzurechnen sind oder ob der Arbeitgeber diese Urlaubstage nachgewähren muss.

 

Die eindeutige Antwort des IfSG lautet: Solche Quarantäne-Tage sind nicht auf den Urlaub anzurechnen (§ 59 Abs. 1 IfSG). Mit anderen Worten: Eine behördlich angeordnete Quarantäne und Urlaub schließen sich aus. Die Neuregelung erinnert an den im Bundesurlaubsgesetz geregelten Grundsatz, wonach der Anspruch auf Erholungsurlaub nicht untergeht, wenn ein Arbeitnehmer währenddessen erkrankt (und diese Tage der Arbeitsunfähigkeit durch ärztliches Zeugnis nachweist).

 

Bundesarbeitsgericht legte die Frage dem Europäischen Gerichtshof vor 

In der Rechtsprechung war das Verhältnis von Tagen behördlich angeordneter Quarantäne und Urlaub umstritten. Viele Landesarbeitsgerichte – beispielsweise Düsseldorf, Köln, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bremen – haben entschieden, dass eine behördlich angeordnete Quarantäne arbeitsfähiger Beschäftigter Urlaub nicht ausschließt. Denn eine behördlich angeordnete Quarantäne sei gerade nicht mit einer Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen. Anders entschied das Landesarbeitsgericht Hamm, das eine Vergleichbarkeit von Quarantäne und Arbeitsunfähigkeit annahm.

 

Im August 2022 befasste sich auch das Bundesarbeitsgericht mit dieser Problemkonstellation und legte sie dem Europäischen Gerichtshof vor. Eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs steht noch aus. Insofern hat der Gesetzgeber mit seiner Neuregelung im IfSG das Bundesarbeitsgericht und den Europäischen Gerichtshof überholt.

Wie gehen Arbeitgeber mit der Neuregelung um?

Das neue Gesetz ist seit dem 17. September 2022 in Kraft. Eine Rückwirkung ist nicht vorgesehen. Dazu schweigt auch die Gesetzesbegründung. Insofern ist die Rechtslage nur ab diesem Zeitpunkt klar: Der Arbeitgeber hat ab dem 17. September 2022 Urlaubstage nachzugewähren, für die eine behördliche Quarantäne angeordnet wurde. Die Rechtslage in dieser Konstellation für Urlaubstage vor dem 17. September 2022 bleibt hingegen unklar. Maßgeblich wird die Entscheidung des EuGH sein. Unter Berufung auf die überwiegende instanzgerichtliche Rechtsprechung ist es vertretbar, Zeiten behördlicher Quarantäne (vorläufig) auf Urlaubstage anzurechnen. Eine davon abweichende Rechtsauffassung des EuGH ist aber gut möglich.

Im Übrigen bleibt es dabei: Für – geimpfte – Beschäftige kann für Zeiten behördlich angeordneter Quarantäne regelmäßig ein Entschädigungsanspruch bestehen, wir hatten darüber berichtet (Corona und Urlaub – mit dem Virus am Pool).