Das arbeitsrechtliche FAQ zur fünften Jahreszeit
Im Karneval ist alles erlaubt. Falsch! Auch hier gelten feste Regeln, die nicht nur jeder Jeck beachten sollte.
Muss ich zur Arbeit erscheinen?
Auch Altweiber, Rosenmontag (und der darauf folgende Dienstag) sind Arbeitstage! Jeder Arbeitnehmer muss also zur Arbeit erscheinen – wenn er nicht gerade Urlaub hat. Selbstverständlich ist auch die Teilnahme an der betriebsinternen Karnevalsparty (Betriebsfeier) Pflicht. Auch für Norddeutsche. Und über die volle Arbeitszeit.
Darf ich verkleidet zur Arbeit erscheinen?
Auch wenn an Altweiberfastnacht in vielen rheinischen Büros deutlich mehr Cowboys und Indianer arbeiten als sonst: Ein Recht auf Verkleidung gibt es nicht! Die sonst üblichen Vorgaben des Arbeitgebers gelten auch an Karneval. Eine Kostümierung muss der Arbeitgeber nicht erst ausdrücklich untersagen. Selbstverständlich kann er sie aber auch gestatten. Und nur dann ist eine Verkleidung keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung.
Darf ich am Arbeitsplatz Alkohol trinken?
Der Arbeitnehmer schuldet seine volle Arbeitskraft. Er muss also nüchtern zur Arbeit erscheinen. Auch wenn der Chef die Belegschaft mit langen Witzen unterhält, muss er grundsätzlich nüchtern zuhören. Rheinische Chefs ordnen jedoch in der Regel den maßvollen Genuss alkoholischer Getränke an. Dieser Anweisung muss man nicht folgen, kann man aber. Eine Pflichtverletzung liegt dann nicht vor. Auch wenn man den Alkohol plötzlich schlechter verträgt als die Kollegen.
Darf ich meinen Chef Bützen?
Im Karneval ist ein „Bützje“ (Küsschen) keine Sünde. Er ist Ausdruck der allgemeinen Lebensfreude, nicht (zwingend) sexuellen Begehrens. Er bleibt unverbindlich, verpflichtet zu nichts. Und: Er geht von der Frau aus! (Frauenrecht im Karneval). Doch schnell „verschwimmt“ die Grenze zur Beleidigung oder gar zur sexuellen Belästigung und damit zu einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung. Nach dem OLG Oldenburg (15.03.2010 – 1 Ss 23/10) steht ein „Lecken an Hals und Ohr“ nicht unter Strafe, auch wenn dies im Einzelfall grob abstoßend sein mag. Eine zur Abmahnung berechtigende arbeitsrechtliche Pflichtverletzung liegt in einem solchen Fall dennoch vor. Genau wie bei einem Mitarbeiter, der einer Putzfrau „an den Busen gefasst“ hat. Auch wenn dieses einmalige Vergehen den Arbeitgeber nicht unmittelbar zur außerordentlichen Kündigung berechtigt hat (BAG, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/13). Bei wiederholten abgemahnten sexuellen Bemerkungen und einem „Klapps auf den Po“ kann ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis jedoch auch außerordentlich kündigen (BAG, Urteil v. 9.6.2011 – 2 AZR 323/10). Ein „Bützjen“ auf die Wange ist an Altweiberfastnacht allerdings gestattet. Mehr nur mit Einwilligung. Und auch dann besser außerhalb der Arbeitszeit. Den augenzwinkernden Antrag eines Gewerkschaftssekretärs auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Untersagung der „weiblichen Umtriebe“ an Altweiberfastnacht hat das ArbG Düsseldorf am 06.02.2002 ebenso augenzwinkernd zurückgewiesen.
Darf ich meinen Chef beleidigen?
Eine Beleidigung während der Arbeitszeit ist immer eine grobe Pflichtverletzung. Egal, ob sie den Chef oder einen Kollegen trifft. Aber auch wer außerhalb der Arbeitszeit vor versammelter Belegschaft auf einer Betriebsfeier den Arbeitgeber grob beleidigt, bewegt sich nicht im außerdienstlichen Bereich. Er untergräbt die Autorität seines Arbeitgebers und verstößt damit erheblich gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten (BAG, Urteil vom 06.02.1997 – 2 AZR 38/96). Beleidigungen sollten also generell unterbleiben. Auch unter (gestattetem) Alkoholeinfluss.
Darf ich meinem Chef den Schlips abschneiden?
Wer an Altweiberfastnacht rheinischen Boden betritt, sollte das besser ohne (oder nur mit altem) Schlips tun. Andernfalls wird er ihm kurzerhand von der weiblichen Bevölkerung gestutzt. Das Amtsgericht Essen hat jedoch bereits am 03.02.1988 - 20 C 691/87 - entschieden, dass dies nicht gegen den Willen des Trägers geschehen darf, und eine Mitarbeiterin eines Reisebüros zu 40 DM Schadensersatz verurteilt. Auch eine Arbeitnehmerin sollte also besser vorher ihren Chef, Kollegen oder Kunden um Erlaubnis fragen. Denn ist dieser nicht mit dem rheinischen Brauch vertraut oder gar absolut dagegen, könnte der Chef den Spaß mit einer berechtigten Abmahnung beenden.
Darf ich Karnevalsmusik hören?
Ein Anspruch auf das Hören (gleich welcher) Musik besteht nicht. Ein Chef darf es untersagen. Allerdings ist das Hören von Musik – vor allem an Rosenmontag – kein Kündigungsgrund, „weil an einem solchen Tag auch das Publikum erfahrungsgemäß keinen Anstoß an einem solchen Verhalten nimmt“ (Hessisches LAG, Urteil vom 16.06.1989 – 14 Sa 895/87). Hört der Arbeitnehmer jedoch gegen den ausdrücklichen Willen des Chefs Karnevalsmusik, ist jedenfalls eine Abmahnung berechtigt.
Fazit:
Arbeitnehmer sollten sich auch an Karneval bewusst sein, dass in der „fünften Jahreszeit“ kein Sonderrecht gilt. Sie müssen zur Arbeit erscheinen, dürfen sich grds. nicht verkleiden, keinen Alkohol trinken, grds. keine Musik hören, dem Chef den Schlips nicht abschneiden und ihn auch nicht beleidigen. Nur dem Chef ein „Küsschen“ geben - das ist immer erlaubt. Nicht nur an Karneval.