Das Hinweisgeberschutzgesetz (›HinSchG‹) ist ›beschlossene Sache‹. Nachdem der Bundesrat dem ursprünglichen Gesetzentwurf der Regierungskoalition zunächst die Zustimmung verweigert hatte, fanden Bundesrat und Bundestag am 09.05.2023 im Vermittlungsausschuss einen Kompromiss, der zwischenzeitlich Bundestag und Bundesrat passiert hat. Das HinSchG soll einen Monat nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft treten – nach derzeitigem Stand voraussichtlich bereits Mitte Juni 2023. Eines der Kernstücke des HinSchG ist die Verpflichtung von Arbeitgebern zur Einrichtung und zum Betrieb einer internen Stelle zur Entgegennahme von Meldungen aus der Belegschaft.
Was Sie nun beachten sollten:
Wer muss bis wann die Vorgaben des HinSchG umsetzen?
Jeder Arbeitgeber mit 50 oder mehr Mitarbeiter:innen muss eine interne Meldestelle und entsprechende Meldekanäle einrichten.
Unternehmen mit 50 bis 249 Mitarbeiter:innen müssen die Meldestelle bis zum 17.12.2023 einrichten.
Für Unternehmen mit in der Regel 250 und mehr Mitarbeiter:innen gelten die Vorgaben mit Inkrafttreten des HinSchG, d.h. nach derzeitigem Stand voraussichtlich bereits ab Mitte Juni 2023. Das Gleiche gilt, unabhängig von der Zahl der Mitarbeiter:innen, für Unternehmen in speziellen Branchen, u.a. im Finanzdienstleistungsbereich. Diese Unternehmen müssen bereits in ca. einem Monat eine interne Meldestelle nach den Vorgaben des HinSchG anbieten.
Was sind die wesentlichen Vorgaben bei der Einrichtung und dem Betrieb der Meldestelle?
Zu den meldefähigen Verstößen gehören u.a. Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie Verstöße gegen diverse Rechtsvorschriften (z.B. Umweltschutz, Datenschutz oder Geldwäsche), sofern die Verstöße durch den Arbeitgeber oder eine andere Stelle, mit der die hinweisgebende Person beruflich im Kontakt stand, begangen wurden.
Hinweisgebende Personen müssen die Möglichkeit erhalten, Meldungen mündlich oder in Textform abzugeben.
Eine Pflicht zur Entgegennahme anonymer Meldungen besteht nicht; die Meldestellen ›sollen‹ jedoch auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten. Dies gilt für interne als auch für externe Meldestellen.
Die Meldestelle muss die Vertraulichkeit der Identität (i) der hinweisgebenden Person, (ii) der Personen, die Gegenstand der Meldung sind, und (iii) von sonstigen, in der Meldung genannten Personen wahren. Nur in gesetzlich definierten Ausnahmefällen können Informationen über diese Identitäten u.a. an Gerichte oder Strafverfolgungsbehörden weitergegeben werden.
Die Dokumentation der jeweiligen Meldung muss grundsätzlich drei Jahre nach Abschluss des Verfahrens gelöscht werden. Eine längere Aufbewahrung ist nur erlaubt, solange dies erforderlich ist, um Anforderungen nach dem HinSchG oder nach anderen Rechtsvorschriften zu erfüllen.
Hinweisgebende Personen sind umfassend gegen Repressalien und andere Vergeltungsmaßnahmen geschützt.
Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen das HinSchG?
Wird die interne Meldestelle nicht (rechtzeitig) eingerichtet und betrieben, droht dem Unternehmen ein Bußgeld in Höhe von bis zu EUR 20.000,- (die Vorschrift findet erstmals sechs Monate nach Verkündung des HinSchG Anwendung).
Bei Verstößen gegen das HinSchG drohen Geldbußen in Höhe von bis zu EUR 50.000,- (insbes. bei Behinderung einer Meldung, Ergreifen von Repressalien, vorsätzlichem oder leichtfertigem Verstoß gegen das Gebot zur Vertraulichkeitswahrung).
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates beachten!
Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates besteht grundsätzlich, da ein internes Meldeverfahren die Ordnung im Betrieb regeln und das Verhalten der Mitarbeiter:innen steuern soll. Außerdem wird dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zukommen, wenn zur Ausgestaltung der internen Meldestelle technische Einrichtungen eingesetzt werden, die geeignet sind, Leistung und Verhalten der Beschäftigten zu kontrollieren. Dies gilt auch dann, wenn sich Arbeitgeber dazu entscheiden, die interne Meldestelle bei einem externen Dritten anzusiedeln.
Zudem bestehen weitere mögliche Mitbestimmungstatbestände u.a. in Bezug auf die personelle Besetzung der mit der Einrichtung eines Meldesystems einhergehenden Aufgaben sowie die im Gesetzesentwurf angelegten Schulungen der mit den Aufgaben des Meldesystems befassten Personen.
Gestaltungsmöglichkeiten bei der Einrichtung der internen Meldestelle
Auch wenn die Entgegennahme anonymer Meldungen gesetzlich nicht zwingend ist, wird die Öffnung des internen Meldekanals auch für anonyme Meldungen die Akzeptanz und Nutzung des Hinweisgebersystems steigern. Damit wird ein Anreiz für die hinweisgebende Person gesetzt, zunächst den internen statt einen externen Meldekanal zu nutzen.
Die Arbeitgeber können den Anwendungsbereich des Hinweisgebersystems erweitern, z.B. dadurch, dass auch ›einfache‹ gesetzliche oder vertragliche Rechtsverstöße gemeldet werden können. Dies verstärkt den Anreiz, den internen Meldekanal zu nutzen und stärkt die innerbetriebliche Compliance.
Insbesondere Unternehmen mit 250 oder mehr Beschäftigten sowie Unternehmen, in denen ein Betriebsrat gebildet ist, sollten - soweit noch nicht geschehen – nunmehr umgehend handeln und die Einrichtung der internen Meldestelle angehen. Auch Unternehmen, in denen bereits interne Meldestellen/-kanäle bestehen, sollten prüfen, ob diese Stellen und Kanäle sowie die entsprechenden Prozesse mit den Vorgaben des HinSchG übereinstimmen.
Sollten Sie unsere Unterstützung bei der Einrichtung der internen Meldestelle benötigen, melden Sie sich gern jederzeit bei uns.