Ein ernüchternder Blick auf die Rechtslage
Fast täglich beschließen die Landesregierungen drastischere Maßnahmen zur Beschränkung des öffentlichen Lebens. Insbesondere Gaststättenbetreiber werden durch diese Maßnahmen stark betroffen. Zuletzt wurde durch den Erlass vom 17.03.2020 in NRW beschlossen, dass Restaurants und Speisegaststätten frühestens ab 6 Uhr zu öffnen und spätestens um 15 Uhr zu schließen sind und nur unter strengen Auflagen in dieser Zeit geöffnet bleiben dürfen. Die Landesregierung hat damit bisher noch immer keinen Gebrauch von ihrer Verordnungsermächtigung aus § 32 IfSG gemacht, sondern die konkrete Ausgestaltung im Einzelfall in die Hände der Städte und Gemeinden gelegt. Die Landeshauptstadt Düsseldorf hat daher auf Grundlage des Erlasses am 18.03.2020 eine im Wesentlichen gleichlautende Allgemeinverfügung erlassen, die nicht über diesen Erlass hinausgeht, sondern ihn letztlich umsetzt.
Viele Gastronomen fordern derzeit, dass die Landeshauptstadt Düsseldorf – über den Erlass des Landes NRW hinaus – die vollständige Schließung sämtlicher Gaststätten und Restaurants anordnen soll. Denn dann würde ihnen angeblich ein Entschädigungsanspruch für die wirtschaftlichen Einbußen zustehen. Doch stimmt das wirklich?
Vollständige Schließung = Entschädigung?
Die ernüchternde Antwort lautet: Nein.
Hintergrund dessen ist, dass das Infektionsschutzgesetz (IfSG), welches die Grundlage für die behördlichen Maßnahmen bildet, keine Entschädigungsregelung für den Fall der Beschränkung der Öffnungszeiten oder gar vollständige Schließung vorsieht. Denn:
Lediglich für den Fall, dass durch eine behördliche Maßnahme nach den §§ 16 und 17 IfSG „Gegenstände vernichtet, beschädigt oder in sonstiger Weise in ihrem Wert gemindert werden oder ein anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird“ (§ 65 IfSG) ist eine Entschädigungsregelung vorgesehen. Die Beschränkungen des öffentlichen Lebens wie das Verbot von Veranstaltungen, die Beschränkung der Öffnungszeiten oder Betriebsschließungen finden ihre Rechtsgrundlage jedoch in § 28 Abs. 1 IfSG für die keine Entschädigung vorgesehen ist.
Anders würde der Fall allenfalls dann liegen, wenn eine Schließung aufgrund eines konkreten „Corona-Falles“ (oder zumindest Verdachtes) letztlich faktisch erfolgen würde, weil die Belegschaft durch eine Quarantäne vorübergehend an ihrer Berufsausübung gehindert ist. Eine Schließung ohne Verdachtsfall oder konkrete Erkrankung führt allerdings auch nach § 56 IfSG zu keiner Entschädigung.
Die Regelungen des IfSG sind darüber hinaus abschließend. Ein Rückgriff auf allgemeine Entschädigungsregelungen, z.B.§ 39 Abs. 1 lit. a OBG NRW, ist daher nicht möglich. Das gilt jedenfalls solange die Allgemeinverfügung rechtmäßig war.
Staatshaftungsrechtlicher Anspruch?
Wenn die Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Düsseldorf rechtswidrig wäre, könnte ein staatshaftungsrechtlicher Anspruch (etwa aus § 39 Abs. 1 lit. b OBG oder dem enteignungsgleichen Eingriff) in Betracht kommen. Angesichts der unklaren Sachlage hinsichtlich der Ansteckungsgefahren und der Verbreitung des Virus und der hohen Bevölkerungsdichte in Düsseldorf dürfte den Behörden jedoch ein weiter Ermessensspielraum einzuräumen sein. Daran ändert auch der anderslautende Erlass der Landesregierung nichts. Die getroffenen Maßnahmen dürften daher noch innerhalb des Ermessensspielraums der Behörden liegen. Erstattungsansprüche dürften damit – auch im Falle einer Betriebsschließung – ausscheiden. Hinzu kommt: Auch die Befürworter einer die vollständige Schließung anordnenden Allgemeinverfügung halten eine solche über den Erlass des Landes NRW hinausgehende Verfügung wegen der Ansteckungsgefahren für rechtmäßig. Dass die Verwaltung zum Schutz der Gastronomen eine rechtswidrige Allgemeinverfügung erlässt, hat bisher noch niemand verlangt.
Lichtblick Betriebsschließungsversicherung?
Hoffnungen, bei einer Betriebsschließung entschädigt zu werden, können sich jedoch Gastronomen machen, die eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen haben, welche auch durch eine Pandemie veranlasste Schließungen abdeckt. Nur eine solche Versicherung könnte derzeit zu einer Entschädigung führen. Für alle anderen Fälle besteht hingegen kein Ausgleichsanspruch.
Fazit:
Wir raten unseren Mandanten, derzeit nicht (vollständig) zu schließen, sondern ggf. auf einen kontaktlosen Cateringbetrieb bzw. eine kontaktlose „Essensausgabe“ (oder Neudeutsch: „Drive In“) bei geschlossenem Gastraum umzustellen. Auch in diesen Fällen kann selbstverständlich nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe NRW Kurzarbeit angeordnet und für die Belegschaft bzw. Teile der Belegschaft, für die derzeit weniger oder gar keine Arbeit vorhanden ist, Kurzarbeitergeld beantragt werden. Wenn irgendwann doch vollständige Restaurantschließungen angeordnet werden, sollte parallel eine Entschädigung nach dem IfSG beantragt werden. Ein solcher Entschädigungsanspruch besteht zwar derzeit nicht. Aber ggf. entschließt sich die Politik in Zukunft doch dazu, dass das IfSG einen weiteren Anwendungsbereich erhält. Für diesen – derzeit nicht prognostizierbaren Fall – sollte die 3-monatige Antragsfrist aus § 56 Abs. 11 IfSG vorsorglich gewahrt werden. Aber vor wenigen Tagen hat auch noch niemand prognostiziert, dass wir überhaupt über solche Fragen diskutieren müssen.
Nach derzeitiger Rechtslage führt eine öffentlich-rechtliche Schließungsverfügung nicht zu einem Entschädigungsanspruch gegen die „öffentliche Hand“, sondern stellt allenfalls einen Versicherungsfall dar.