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Die einrichtungsbezogene Impfpflicht betrifft mich nicht – oder doch?!

van_portraits_840x840px_10_einhaus.png Jan Einhaus

Februar 2022

Lesedauer: Min

Der einrichtungsbezogenen Impfpflicht unterfallen mehr Unternehmen und Beschäftigte als gedacht

Landauf, landab wird über die allgemeine Impfpflicht debattiert, in der Arbeitswelt ist sie längst Realität. Denn am 10. Dezember 2021 hat der Gesetzgeber die sog. einrichtungsbezogene Impfpflicht für Beschäftigte in Gesundheits- und Pflegeberufen durch § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) eingeführt. Man muss davon ausgehen, dass dieser Verpflichtung bereits aktuell mehr Unternehmen und Beschäftigte außerhalb der originären Gesundheits- und Pflegeberufe unterfallen, als auf den ersten Blick vermutet. 

Ausgangslage
Beschäftigte, die in Einrichtungen des Pflege-, Betreuungs- und Gesundheitswesens (vgl. Katalog gem. § 20a Abs. 1 IfSG) tätig sind, müssen bis zum Ablauf des 15. März 2022 einen Immunitätsnachweis gegen Covid-19 erbringen. Wird der Nachweis nicht innerhalb dieser Frist vorgelegt, ist das zuständige Gesundheitsamt darüber zu benachrichtigen, welches sodann über ein Beschäftigungs- und Tätigkeitsverbot der betroffenen Personen entscheidet. Ab dem 16. März 2022 erstmalig neu tätig werdende Beschäftigte müssen einen solchen Nachweis bereits vor ihrem Tätigkeitsbeginn vorlegen, andernfalls dürfen sie die Tätigkeit erst gar nicht aufnehmen.

Aufgrund des Tätigkeitsverbots entfällt grundsätzlich der Lohnanspruch der Beschäftigten, soweit keine andere Beschäftigungsmöglichkeit besteht (Grundsatz: „Ohne Arbeit kein Lohn“). Ein Fall des Annahmeverzugs dürfte aufgrund des Leistungshindernisses in der Sphäre der Beschäftigten in der Regel nicht bestehen. Ein fehlender Nachweis kann ferner Anlass zu personellen Einzelmaßnahmen von der Abmahnung bis hin zur (personen- und/oder verhaltensbedingten) Kündigung geben, welche im Einzelfall zu prüfen sind.  

Betrifft das wirklich nur Beschäftigte der Gesundheitseinrichtungen?
Vermutlich nicht, denn der gesetzgeberische Wille und der Wortlaut des § 20a IfSG erfassen einen wesentlich weiteren Personenkreis: 

Grundsätzlich sind Personen zur Erbringung des entsprechenden Immunitätsnachweises gegen COVID-19 aufgefordert, sofern sie in Einrichtungen oder Unternehmen wie Krankenhäusern, Tageskliniken, Arztpraxen, Rehabilitationseinrichtungen uvm. tätig sind. Doch bezieht sich das Tätigwerden nur auf Angestellte der Einrichtungen selbst oder auch auf Beschäftigte von Drittunternehmen, etwa pharmazeutische Außendienstmitarbeiter bzw. Handwerker oder Techniker, die diese Einrichtungen besuchen?

Nach der Gesetzesbegründung soll bei der Einordnung der Tätigkeiten zur Sicherung des Infektionsschutzes allein auf ein zeitliches Element abgestellt werden und nicht auf die Art der Beschäftigung. Das heißt im Umkehrschluss: Es müssen nur solche Personen und Berufsgruppen keinen Nachweis erbringen, die zeitlich nur ganz vorübergehend (allenfalls für wenige Minuten) in den genannten Einrichtungen oder Unternehmen tätig werden. 

Das Bundesgesundheitsministerium sieht dieses Merkmal beispielsweise im Falle von Postboten oder Paketzustellern als erfüllt an. Davon abweichend sollen jedoch (externe) Handwerker, insbesondere Gesundheitshandwerker und medizinische Fußpfleger der Nachweispflicht unterfallen.

Diese pauschale Unterscheidung zeigt schon, dass eine zuverlässige und praktikable Abgrenzung allein über das Zeitmoment im Rahmen einer ex-ante Betrachtung schwer möglich sein dürfte, schließlich ist nicht immer im Vorhinein absehbar, wie lange ein Einsatz beim Kunden dauern wird. 

Folgen für Drittunternehmen und ihre Beschäftigten
Ausgehend von dem weiten Wortlaut des Gesetzes sowie der Gesetzesbegründung wird man festhalten müssen, dass die Erbringung eines Immunitätsnachweises gegen COVID-19 nicht nur typische Unternehmen im Gesundheits- und Pflegebereich wie Krankenhäuser und Arztpraxen trifft, sondern darüber hinaus auf alle Medizinproduktehersteller, Medizintechnikunternehmen, Pharmahersteller und weitere Serviceunternehmen (z.B. Küche, Reinigung, Handwerker etc.) anzuwenden ist, sofern diese Beschäftigte in erfasste Einrichtungen schicken.

Fraglich ist, wie sich die rechtlichen Folgen des § 20a IfSG auf diese Unternehmen auswirken. Hierbei wird besonders intensiv diskutiert, inwieweit diese Beschäftigten unter die Gruppe der Beschäftigten fallen, die bereits vor dem 15. März 2022 tätig sind (Alt-Beschäftigte) oder unter die Beschäftigten, welche (neu) ab dem 16. März 2022 tätig werden (Neu-Beschäftigte). Kann es hierbei tatsächlich darauf ankommen, ob eine Person irgendwann einmal zuvor in einer solchen Einrichtung – wenn auch nur für wenige Minuten – vor Ort gewesen ist? Dieses Abgrenzungskriterium dürfte sich in der Praxis als untauglich erweisen.

Dass diese Einordnung gleichwohl erhebliches Gewicht hat, zeigen bereits die unterschiedlichen Rechtsfolgen. Denn für Alt-Beschäftigte bestünde bei fehlendem Nachweis nur die Benachrichtigungspflicht gegenüber dem Gesundheitsamt, wohingegen die Neu-Beschäftigten ohne Nachweis automatisch einem Tätigkeitsverbot unterliegen würden. Sofern die entsprechenden Nachweise nicht vorgelegt werden, ergeben sich die bereits aufgezeigten arbeitsrechtlichen Fragen wie Lohnfortzahlung, Versetzung sowie Sanktionen von der Abmahnung bis hin zur Kündigung.

Zudem ist zu ermitteln, wer in einer solchen Konstellation die Kontrolle der Nachweise zu erbringen hat (Einrichtung/Unternehmen im Gesundheits- und Pflegebereich oder das Drittunternehmen als Vertragsarbeitgeber) und inwiefern ein Datenaustausch zwischen den Unternehmen ggfs. vor Ablauf des 15. März 2022 erfolgen kann.

Datenschutz
Dies wirft in der Praxis auch datenschutzrechtliche Fragen auf: War die gezielte Frage des Arbeitgebers nach dem Immunitätsstatus der Arbeitnehmer bislang nach nahezu einhelliger Meinung nicht zulässig, wird man dies in Anbetracht der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nun – je nach Einzelfall – neu beurteilen müssen: 

Ab dem 15. März 2022 werden Arbeitgeber mitunter gar keine andere Wahl haben, als den Immunitätsstatus bei der Planung der Einsätze ihrer Beschäftigten bei Kunden im Gesundheitssektor zu berücksichtigen. Grundsätzlich können Beschäftigte dann korrespondierend aus ihren vertraglichen Nebenpflichten auch zur Auskunft verpflichtet sein.

Die datenschutzrechtliche Rechtfertigung der Verarbeitung des Gesundheitsdatums ist über Art. 9 Abs. 2 lit. b) DS-GVO bzw. § 26 Abs. 3 BDSG denkbar. Die hierbei erforderliche Interessenabwägung lässt jedoch Unsicherheiten entstehen. Ist dem Arbeitgeber beispielsweise eine Umgestaltung seiner Schicht-/Einsatzpläne (soweit möglich) eher zuzumuten als den einzelnen Beschäftigten die Vorlage ihres Immunitätsnachweises? Für beide Seiten dürfte es je nach Einzelfall überzeugende Argumente geben. 

Das Bundesgesundheitsministerium nimmt an, dass eine Verarbeitungsbefugnis bereits unmittelbar aus § 28b Abs. 3 IfSG (also der Berechtigung zu 3G-Kontrollen) folgen kann. Ob dies nicht in Konflikt zu der strengen Zweckbindung im Rahmen von 28b Abs. 3 IfSG steht, darf bezweifelt werden. 

Fazit:
Mit diesen und weiteren Rechtsfragen hat der Gesetzgeber ganze Branchen vor eine ressourcenintensive Aufgabe gestellt, ohne dass er dies überhaupt ausdrücklich angesprochen hat. 

Betroffene Unternehmen sollten daher folgende Maßnahmen in die Wege leiten: 

  • Prüfung, ob Beschäftigte in den von § 20a IfSG erfassten Gesundheitseinrichtungen eingesetzt werden?

  • Trifft dies zu, ist zu prüfen, ob die eingesetzten Beschäftigten eine Tätigkeit erbringen, die über einen „nur ganz vorübergehenden“ Zeitraum hinausgeht, so dass ein Immunitätsnachweis erforderlich ist. 

  • Daraufhin ist der Immunitätsnachweis über Impfung oder Genesung dieser Beschäftigten durch das Unternehmen zu kontrollieren. 

  • Zusätzlich sollte der Kontakt mit der Gesundheitseinrichtung aufgenommen werden, um eine Absprache über den weiteren Einsatz und die Verwendung der Daten zu erzielen.

  • Für Beschäftigte, die keinen Immunitätsnachweis übermitteln, sind zunächst andere Einsatzmöglichkeiten unter Beachtung der arbeitsvertraglichen Regelungen zu suchen, bevor weitere arbeitsrechtliche Schritte erwogen werden.

Es ist denkbar, dass sich die gesetzlichen Pflichten aus § 20a IfSG der Entwicklung des Infektionsgeschehens anpassen und sich viele der hier aufgeworfenen Fragestellungen durch Zeitablauf, durch erneute gesetzgeberische Initiativen bzw. durch schlichtes „Nichtstun“ der Behörden klären werden. Ganz aktuell kündigte der bayrische Ministerpräsident an, dass die Regelung de facto vorerst nicht bzw. nur eingeschränkt vollzogen werde. Für Neu-Beschäftigte wird das Tätigkeitsverbot aber unabhängig vom behördlichen Vollzug gelten. Für den Moment sind daher gerade Unternehmen, die nicht unmittelbar unter den Anwendungsbereich des § 20a IfSG fallen, gut beraten, Vorkehrungen zu treffen.