Wie können Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich nun verhalten?
Das Virus SARS- CoV- 2, bekannt als Coronavirus, hat nunmehr auch Europa und Deutschland erreicht.
Auch wenn das Coronavirus überwiegend (vor allem im Hinblick auf die Symptome und Verbreitung) mit einer Grippe verglichen wird, entsteht mit Blick auf die hohen Infektionszahlen weltweit und der täglich steigenden bekannten Fälle auch in Deutschland, eine zunehmende Besorgnis. Das Coronavirus ist aber nicht nur für das eigene gesundheitliche Wohlergehen von Bedeutung und beschäftigt derzeit die Behörden – auch die Weltwirtschaft ist zunehmend von dem Virus betroffen: Lieferketten werden unterbrochen, große Veranstaltungen wie Messen und Kongresse abgesagt, ganze Betriebe und Einrichtungen kurzfristig geschlossen oder abgeriegelt und mögliche Betroffene werden von den zuständigen Behörden unter Quarantäne gestellt. Trotz intensiver Bemühungen der Behörden sollten auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich Gedanken machen, was gilt, wenn das eigene Umfeld betroffen sein könnte.
Nachfolgend stellen wir dar, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer tun können und welche Auswirkungen behördliche Maßnahmen auf das Arbeitsverhältnis haben.
Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers – präventive Optionen
Hygiene- und Verhaltensmaßnahmen im Betrieb
Zum einen stellt sich für den Arbeitgeber bereits vor dem ersten Verdachtsfall im Betrieb die Frage, inwieweit er schützend gegenüber seiner Belegschaft vor einer Infektion handeln kann und – aufgrund der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht – auch muss.
Präventiv sollten insbesondere hinreichend Hygienemaßnahmen zur Verfügung gestellt werden, wie etwa:
ausreichend Seifen in Küchen / WCs
Desinfektionsmittel für die Hände, aber auch Oberflächen (Tastaturen & Telefone sollten bspw. regelmäßig gereinigt werden – vor allem bei Shared Desk Modellen!)
Wegwerfbare Einmal-Papiertücher
Handschuhe für Mitarbeiter, sofern angebracht
Aber auch die zeitweise Änderung der Umgangsformen in und außerhalb des Unternehmens sollte überdacht werden, z. B. eine „No Handshake Policy“, die auch den Geschäftspartnern und Kunden gegenüber kommuniziert wird.
Zudem sollten Arbeitgeber regelmäßig die behördlichen Informationen und Hinweise (vor allem die des Robert Koch Instituts) verfolgen und zur Kenntnis nehmen. Tritt ein erster Verdachtsfall im Betrieb auf, sollte – unabhängig von behördlichen Maßnahmen – eine generelle Information gegenüber der übrigen Belegschaft erfolgen, um der Rücksichtnahme- und Fürsorgepflicht gegenüber den Arbeitnehmern nachzukommen und sich nicht schadensersatzpflichtig zu machen.
Maßnahmen gegenüber einzelnen Arbeitnehmern
Gibt es beispielsweise im erweiterten Umfeld eines Arbeitnehmers einen bekannten (Verdachts-)Fall kann auch über weitergehende Maßnahmen nachgedacht werden, wie die Erbringung der Arbeitsleistung im Home Office (allerdings nur nach Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer).
Ist dies nicht möglich, kann kurzfristig darüber nachgedacht werden, Arbeitnehmer bezahlt von ihrer Arbeitsleistung freizustellen. Zwar hat ein Arbeitnehmer ein „Recht zur Arbeit“, im Einzelfall kann eine Beschäftigung für den Arbeitgeber aber unzumutbar sein. Geht nämlich von der Beschäftigung eine erhebliche Gefährdung für die Ordnung des Betriebs einher, kann der Arbeitgeber einseitig den Arbeitnehmer freistellen. Mit Blick auf die rasante Verbreitung des Coronavirus besteht im Verdachtsfall eine solche erhebliche Gefahr der Ansteckung gegenüber dem gesamten Umfeld, also auch der restlichen Belegschaft. Mit Blick auf die Verantwortung des Arbeitgebers für die Gesundheit seiner Arbeitnehmer insgesamt und die wirtschaftlichen Risiken für das Unternehmen, muss in diesem Fall dem Arbeitgeber das Recht zur Freistellung des (eventuell) infizierten Mitarbeiters eingeräumt werden. Selbst wenn der Arbeitnehmer aber dann aufgrund der Freistellung keine Arbeitsleistung mehr erbringen kann, bleibt sein Anspruch auf die Entgeltzahlung bestehen. Ebenso denkbar ist es aber, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam eine Freistellungsvereinbarung treffen. In dieser können sie dann auch die Entgeltfrage gesondert unter Berücksichtigung der besonderen aktuellen Lage klären und eine einvernehmliche, situationsangemessene Lösung finden.
Reaktion des Arbeitnehmers
Umgekehrt ist aber auch der Arbeitnehmer verpflichtet, den Arbeitgeber vor Schäden zu bewahren. Haben Arbeitnehmer daher den Verdacht einer Infektion im näheren Umfeld, ist es angezeigt, dies offen gegenüber dem Vorgesetzten oder den dafür zuständigen Stellen im Unternehmen zu kommunizieren.
Vermehrt erreichen uns Anfragen, ob Arbeitnehmer aus Angst vor einer Ansteckung vorsorglich der Arbeit fernbleiben können. Das Nichterscheinen bei der Arbeit stellt regelmäßig eine unberechtigte Leistungsverweigerung des Arbeitnehmers dar, das nicht nur zum Ausbleiben des Gehalts, sondern auch zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie einer Abmahnung oder Kündigung führen kann.
In Betracht kommt natürlich die Inanspruchnahme von Urlaub. Wenn der Arbeitnehmer allerdings kurzfristig Urlaub nehmen möchte, kann der Arbeitgeber dies ablehnen, wenn diesem Urlaubswunsch betriebliche Belange, wie bspw. ein hoher Krankenstand oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, entgegenstehen. Andererseits kann der Arbeitgeber selbst nicht einseitig Urlaub anordnen.*
Denkbar wäre es allerdings, dass Arbeitnehmer Geschäftsreisen in solche Gebiete verweigern dürften, für die es offizielle Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes gibt. Dies trifft derzeit auf die Provinz Hubei in China zu. Für das übrige Staatsgebiet China wird derzeit nur von Reisen abgeraten. Hier ist es sinnvoll, mögliche Erweiterungen der Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes im Auge zu behalten.
*Update vom 20. März 2020:
Angesichts der veränderten Sachlage, weisen wir darauf hin, dass es – je nach Fallgestaltung – möglich sein kann, dass der Arbeitgeber aufgrund dringender betrieblicher Belange auch einseitig Urlaub anordnen kann. Dies ist zumindest dann denkbar, wenn die Arbeitnehmer noch offene Urlaubsansprüche für das Jahr 2020 haben und die Urlaubserteilung nicht zum Erlöschen des gesamten Jahresurlaubs führt.
Weitergehende behördliche Maßnahmen und ihre Auswirkungen
Das Infektionsschutzgesetz ist in Deutschland ein Gesetz mit weitreichenden Befugnissen und Eingriffsmitteln, die enorme Auswirkungen auf die Lebens- und Arbeitsrealität haben können.
Coronavirus – meldepflichtige Krankheit?
Mittels Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit wurde die Meldepflicht von Krankheiten nach dem Infektionsschutzgesetz auch auf das Coronavirus erweitert. Meldungen sind an das Gesundheitsamt (Kreise und kreisfreien Städte) zu richten, in dessen Bezirk eine möglicherweise infizierte Person ihren Wohnsitz hat. Die Meldepflicht trifft dabei insbesondere Ärzte.
Behördlich verhängte Quarantäne und berufliches Tätigkeitsverbot
Städte und Gemeinden können eine Quarantäne oder ein berufliches Tätigkeitsverbot anordnen. Von diesem Mittel wurde unlängst in Nordrhein-Westfalen Gebrauch gemacht.
Sorgen ergeben sich für betroffene Arbeitnehmer dann, wenn sie einer solchen behördlichen Anordnung unterliegen und etwa aufgrund einer Quarantänemaßnahme nicht mehr zur Arbeit erscheinen können oder sie selbst infiziert oder erkrankt sind.
Im Falle einer länger andauernden Quarantäne oder eines Berufstätigkeitsverbots nach dem Infektionsschutzgesetz müssen Arbeitgeber das Entgelt bis zu einer Höchstdauer von sechs Wochen weiterzahlen. Nach sechs Wochen besteht dann für die Arbeitnehmer ein Anspruch auf Krankengeld. Der Arbeitgeber kann die geleistete Entgeltfortzahlung allerdings von dem jeweiligen Bundesland erstattet bekommen. Für nur sehr kurzfristige z.B. tageweise Maßnahmen dürfte dies allerdings nicht in Betracht kommen: Dann haben Arbeitnehmer einen Anspruch nach § 616 BGB auf Fortzahlung ihres Gehalts, der Arbeitgeber allerdings keinen Anspruch auf Erstattung.
Ist ein Arbeitnehmer dagegen in Folge einer Virusinfektion akut erkrankt und führt dies zu seiner Arbeitsunfähigkeit, ergibt sich sein Entgeltfortzahlungsanspruch direkt aus § 3 Abs.1 EfZG.
Weitere wirtschaftliche Folgen & Reaktionsmöglichkeiten
Eine Vielzahl an Erkrankungen oder in Quarantäne befindlicher Arbeitnehmer kann im Extremfall zu einer die operative Leistungsfähigkeit des Betriebs oder Unternehmens bedrohlichen Lage führen. Um hierbei die wirtschaftlichen Nachteile für das Unternehmen möglichst gering zu halten, besteht für den Arbeitgeber zunächst die Option, für die verbliebenen Arbeitnehmer Überstunden anzuordnen. Auch können Arbeitgeber überprüfen, ob für sie in Betracht kommt, den Betrieb kurzzeitig zu schließen und dafür die verbliebenen Arbeitnehmer unter Nutzung bestehender Guthaben in Arbeitskonten freizustellen. Auch das Mittel der Kurzarbeit kann überprüft und in Erwägung gezogen werden, um Personalkosten zu reduzieren. Die Agentur für Arbeit hat insoweit mit einer Mitteilung vom 28. Februar 2020 bestätigt, dass eine Arbeitszeitreduzierung wegen der Folgen des Coronavirus im Einzelfall durch Kurzarbeitergeld gefördert werden kann.
Erfahren Sie mehr zum Thema Kurzarbeit im Zusammenhang mit dem Coronavirus in diesem Beitrag.
Fazit:
Vor allem Arbeitgeber sollten die Entwicklungen aufmerksam beobachten, um auch kurzfristig Maßnahmen zum Schutz der Mitarbeiter und zur Sicherung der betrieblichen Prozesse ergreifen zu können. Doch auch wenn eine Viruserkrankung nicht nur Medien und Behörden in Atem hält, sondern auch im Arbeitsrecht zahlreiche Fragestellungen aufwirft, besteht kein Grund zu vorschnellen und unüberlegten Reaktionen. Vielmehr sollte zunächst der kontinuierlichen Aufforderung des Robert Koch Instituts gefolgt werden, um einen eigenen Beitrag zur Verbreitungsvermeidung zu leisten: Hände waschen – und zwar so oft und gründlich wie möglich.