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No money for old men – Begrenzung von Sozialplanabfindungen und Klageverzichtsprämie

van_portraits_840x840px_03_ritter.png Insa Ritter

März 2022

Lesedauer: Min

Das Urteil des BAG zu Höchstbetragsklauseln in Sozialplänen

In einem aktuellen Urteil hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) seine Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Höchstbetragsklauseln in Sozialplänen sowie in Bezug auf Klageverzichtsprämien aktualisiert. Der nachfolgende Beitrag hat die wichtigsten Aspekte des Urteils zum Gegenstand.

Grundsatz
Besteht in Betrieben ein Betriebsrat und kommt es zu einer Betriebsänderung (z.B. einer Betriebsschließung), haben die Betriebsparteien einen Sozialplan zu verhandeln, welcher die sich aus der Betriebsänderung ergebenen Nachteile der Arbeitnehmer ausgleicht oder zumindest abmildert. Bei den in einem Sozialplan vorgesehenen Leistungen (z.B. Abfindungen), handelt es sich nicht um Entgelt für die in der Vergangenheit geleistete Arbeit, sondern diese haben eine zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion. 

Ziel der Betriebsparteien ist es somit, einen fairen Ausgleich für die Arbeitnehmer zu erreichen und zugleich auch das vorhandene Sozialplanbudget des Arbeitgebers einzuhalten. Dabei sind die Betriebsparteien grundsätzlich frei darin zu entscheiden, ob und welche Nachteile, die die Betriebsänderung mit sich bringt, durch Sozialplanleistungen ausgeglichen oder in welchem Umfang diese zumindest gemildert werden sollen. Den Parteien kommt dabei ein weiter Gestaltungsspielraum zu.

Die Berechnung der Sozialplanabfindung erfolgt üblicherweise nach der Formel:  

Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatseinkommen x Faktor.

Darüber hinaus werden in Sozialplänen häufig Zuschläge vereinbart, wenn eine Schwerbehinderung/Gleichstellung vorliegt oder Unterhaltsverpflichtungen bestehen.

Höchstbetragsklausel
Da das für Sozialplanabfindungen zur Verfügung stehende Budget des Arbeitgebers Abfindungszahlungen begrenzt, finden sich in Sozialplänen häufig sog. Höchstbetragsklauseln. Durch diese wird die Sozialplanabfindung auf den vereinbarten Maximalbetrag begrenzt, wenn die nach der Formel berechnete Abfindung zzgl. etwaiger Zuschläge den Höchstbetrag übersteigt. 

In dem durch das BAG entschiedenen Fall hatte ein Arbeitnehmer eine höhere Abfindung eingeklagt, da er die Höchstbetragsklausel wegen Diskriminierung älterer Arbeitnehmer für unzulässig hielt.

Das BAG entschied, dass durch die Höchstbetragsklausel keine unmittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer vorliegt. Die Klausel knüpfe gerade nicht an das Alter der Arbeitnehmer an, sondern sie begrenze die Abfindung für alle Arbeitnehmer gleichermaßen altersunabhängig auf einen Maximalbetrag.

Jedoch erkannte das BAG, dass eine Benachteiligung vorliegt, da bei der genannten Berechnungsformel für Sozialplanabfindungen die Sozialplanabfindung höher ausfällt, je länger die Betriebszugehörigkeit war. Eine längere Betriebszugehörigkeit geht wiederum – allein aufgrund der dafür erforderlichen Dauer des Erwerbslebens- regelmäßig mit einem relativ hohen Lebensalter einher. Hieraus ergibt sich, dass vor allem ältere Arbeitnehmer typischerweise eine deutlich höhere Abfindung nach dem Sozialplan erhalten als jüngere Arbeitnehmer und damit eher von der Deckelung der Abfindung betroffen sein können.

Im Zuge dessen hat das BAG seine bisherige Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben, wonach es eine Begrenzung einer Sozialplanabfindung auf einen Maximalbetrag als zulässig erachtet hatte, mit der Begründung, dass eine Höchstbetragsklausel ältere Arbeitnehmer bereits schon deshalb nicht zu benachteiligen vermag, weil diese nicht anders, sondern genauso behandelt werden wie die jüngeren.

Im Ergebnis brachte dies dem Arbeitnehmer jedoch nicht den gewünschten gerichtlichen Erfolg, da das BAG dennoch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Alters verneint und damit die Höchstbetragsklausel für zulässig erachtet hat. Es hielt die Ungleichbehandlung für gerechtfertigt. 

Ziel der Höchstbetragsklausel sei die Sicherstellung von Verteilungsgerechtigkeit vor dem Hintergrund begrenzter Sozialplanmittel. Es solle möglichst allen vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmern eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe gewährt werden. Dies sei ein legitimes Ziel. Darüber hinaus sei die Höchstbetragsklausel auch geeignet, erforderlich und angemessen, da sie gewährleiste, dass auch für die anderen von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer noch Sozialplanvolumen zur Verfügung stünde. In der Sache beschränke die Höchstbetragsklausel daher lediglich die durch die Berechnungsweise der Abfindung bewirkte Begünstigung älterer Arbeitnehmer. Dies sei nicht zu beanstanden. Es sei jedoch zu gewährleisten, dass bei Zahlung der maximalen Abfindung eine substantielle Milderung der Nachteile durch die Betriebsänderung erfolge. In dem entschiedenen Fall sah das BAG jedoch keine Anhaltspunkte, dass dem nicht so war. Der maximale Abfindungsbetrag war auf 75.000 € festgelegt worden. 

Klageverzichtsprämie
Neben der Zulässigkeit von Höchstbetragsklauseln hat sich das BAG in dem aktuellen Fall auch zu der Zulässigkeit von Klageverzichtsprämien geäußert.

Die Parteien hatten insofern zusätzlich zu dem Sozialplan eine Betriebsvereinbarung „Klageverzichtsprämie“ abgeschlossen, in welcher vereinbart wurde, dass sich der für die Sozialplanabfindung heranzuziehende Faktor aus dem Sozialplan um 0,25 Prozentpunkte erhöht, wenn der Arbeitnehmer gekündigt wird und dieser keine Kündigungsschutzklage erhebt.

Der Arbeitnehmer machte nun die Auszahlung der Klageverzichtsprämie geltend, wohingegen der Arbeitgeber argumentierte, dass diese bereits in der maximalen Abfindung gemäß der Höchstbetragsklausel enthalten sei und dem Arbeitnehmer keine darüber hinausgehende Zahlung zustehe.

Das BAG sprach dem Arbeitnehmer die Klageverzichtsprämie zu, und zwar aus folgenden Erwägungen:

Grundsätzlich dürften Sozialplanleistungen, die dem Ausgleich oder der Abmilderung der mit der Betriebsänderung verbundenen Nachteile dienen, nicht vom Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden. Darüber hinaus stehe es den Betriebsparteien indes frei, neben einem Sozialplan eine (freiwillige) Betriebsvereinbarung zu treffen, die dem Interesse des Arbeitgebers an alsbaldiger Planungssicherheit Rechnung trage und für den Fall, dass der in Folge einer Betriebsänderung entlassene Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage erhebt, eine finanzielle Leistung vorsieht.

Indes sah das BAG die Klageverzichtsprämie als nicht bereits in der maximalen Abfindung enthalten an. Es stellte insofern klar, dass der beabsichtigte Anreiz zum Klageverzicht nur dann gesetzt werde, wenn er sich auch finanziell auswirke. Arbeitnehmer, denen trotz eines Klageverzichts kein finanzieller Vorteil zukäme, würden nicht von einer Klageerhebung abgehalten.

Zudem sah es den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz als verletzt an, wenn die Klageverzichtsprämie in den maximalen Abfindungsbetrag einbezogen wäre. Grund hierfür sei, dass Arbeitnehmer, deren Sozialplanabfindung bereits ohne oder jedenfalls unter Hinzurechnung der Klageverzichtsprämie bereits den Höchstbetrag übersteige, für den Klageverzicht keine oder nur eine geringere finanzielle Leistung erhalten würden als die Arbeitnehmer, deren Sozialplanabfindung niedriger sei. Diese Ungleichbehandlung sei insbesondere gemessen am Zweck der Klageverzichtsprämie, nicht gerechtfertigt.

Erfreulicherweise stellte das BAG jedoch fest, dass die Betriebsvereinbarung nicht gegen das Verbot verstößt, Sozialplanleistungen von einem Verzicht auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig zu machen, und hielt sie daher für zulässig. Insofern gab es zudem ausdrücklich seine bisherige Rechtsprechung auf, soweit es bisher angenommen hatte, dass eine etwaige Umgehung dieses Verbots vorliegen könne, wenn dem „an sich“ für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Finanzvolumen zum Nachteil der Arbeitnehmer Mittel entzogen und funktionswidrig eingesetzt würden. Das BAG stellte nun klar, dass es kein „an sich“ für den Sozialplan zur Verfügung stehendes Finanzvolumen gäbe, welches „funktionswidrig“ eingesetzt werden könne.

Die bisher bestehende Rechtsunsicherheit, ob Klageverzichtsprämien zulässiger Weise in einer zusätzlichen freiwilligen Betriebsvereinbarung vereinbart werden können, wurde mit dem Urteil des BAG behoben. Es herrscht somit nun Rechtsklarheit, dass solche Vereinbarungen zulässig sind, die Klageverzichtsprämie aber nicht auf die Abfindung des Sozialplans, insbesondere auf die Höchstbetragsklausel, deren Zulässigkeit ebenfalls bestätigt wurde, angerechnet werden darf. 

Gerne sind wir Ihnen bei allen Fragen rund um Sozialpläne behilflich und unterstützen Sie bei allen Schritten einer Restrukturierung, sodass Sie bestmöglich aufgestellt sind.