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Verantwortung für Deutschland = Verantwortung für die Arbeitswelt? – Arbeitsrecht im Koalitionsvertrag 2025

van_portraits_840x840px_03_schuermann.png Malte Schürmann

April 2025

Lesedauer: Min

Die Welt hat sich seit der letzten Auseinandersetzung mit arbeitsrechtlichen Themen in einem Koalitionsvertrag Ende 2021 deutlich weitergedreht und die Herausforderungen sind sicherlich nochmal größer als vor dreieinhalb Jahren. Ging es damals zentral noch um Corona, Klimaschutz, Migration und Digitalisierung, stehen aktuell innere und äußere Sicherheit, wirtschaftliche Lage, die veränderten transatlantischen Beziehungen und weiterhin das Dauerbrenner-Thema Migration im Fokus. Ebenfalls Dauerbrenner in jeder Legislaturperiode sind aber auch Pläne für Veränderungen der Arbeitswelt, die nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass die deutsche Wirtschaft aus einer Rezession geführt und der Wirtschaftsstandort Deutschland wieder attraktiver werden muss, diesmal kein Schattendasein führen sollten.

Was also hat sich die neue Koalition vorgenommen?

Arbeits- und Fachkräftesicherung

Viele, wenn nicht alle nachfolgend noch im Einzelnen kurz dargestellten Themen können als dem hehren Ziel der Sicherung von Arbeits- und Fachkräften dienend subsumiert werden. Die Sicherung der Fachkräfte ist ein, wenn nicht der entscheidende Faktor für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands. Die Koalition hat vor, hier „alle Register“ zu ziehen. Bürokratische Hürden, sollen z.B. durch Digitalisierung abgebaut werden und die Fachkräfteeinwanderung gebündelt von einer „Work-and-stay-Agentur“ mit zentraler IT-Plattform betreut werden.

Mindestlohn

Die Koalition gibt ein klares Bekenntnis zur Notwendigkeit eines gesetzlichen Mindestlohns als Untergrenze für „Gute Löhne“ ab. Die Mindestlohnkommission soll unabhängig bleiben, sich aber an 60% des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten orientieren. Zudem nennt der Koalitionsvertrag für 2026 einen erreichbaren Mindestlohn von EUR 15,00 pro Stunde. Die Frage, wie unabhängig die Mindestlohnkommission tatsächlich ist, stellt sich hier dann doch.

Stärkung der Tarifbindung

Vergaben von Aufträgen des Bundes sollen ab einem Umfang von EUR 50.000 (bzw. bei Start-ups mit innovativen Leistungen in den ersten vier Jahren nach Gründung ab einem Umfang von EUR 100.000) künftig nur noch an Unternehmen erfolgen, die tarifgerechte Löhne zahlen. Ob dieser Ansatz tatsächlich zur Erhöhung der Tariftreue führt, bleibt abzuwarten.

Arbeitszeit

Bei der Arbeitszeit hat die Koalition gleich mehrere Ideen geäußert. So soll etwa die Möglichkeit einer wöchentlichen anstelle einer – wie derzeit im ArbZG vorgesehenen – täglichen Höchstarbeitszeit eingeführt werden. Diese grundsätzlich begrüßenswerte Flexibilisierung für Arbeitszeitmodelle bleibt aber pauschal und soll nun gemeinsam mit den Sozialpartnern weiter erarbeitet werden. Unklar also, ob und inwieweit es tatsächlich dazu kommt. Die Pflicht zur elektronischen Arbeitszeiterfassung will man unbürokratisch regeln, wobei für kleine und mittlere Unternehmen Übergangsregelungen gelten sollen. Gleichzeitig soll aber nach Vorstellung der Koalition die Vertrauensarbeitszeit ohne Zeiterfassung im Einklang mit der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglich bleiben. Ob und wie das funktionieren kann? Es bleibt spannend.

Steuervorteile für mehr Arbeit

Zuschläge für Überstunden, die über die tarifliche Vollzeit bzw. bei nicht tariflich festgelegten oder vereinbarten Arbeitszeiten über 40 Stunden pro Woche hinaus geleistet werden, sollen steuerfrei bleiben. Die Details will man auch hier gemeinsam mit den Sozialpartnern erarbeiten. Prämien, die zur Ausweitung der Arbeitszeit bei Teilzeitbeschäftigten gezahlt werden, sollen ebenfalls steuerlich begünstigt werden. Dies sind sicherlich interessante Ansätze, deren Umsetzung aber nicht einfach sein dürfte.

Digitalisierung

Die Koalition sieht steigende Herausforderungen bei Digitalisierung und insbesondere auch im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) in der Arbeitswelt. Hierfür will die neue Regierungskoalition die Rahmenbedingungen schaffen, um die Herausforderungen sozialpartnerschaftlich zu lösen. Interessant sind sicher die – die Mitbestimmung weiterzuentwickelnden – Vorhaben für Online-Betriebsratssitzungen oder Online-Betriebsversammlungen, die in Zeiten von remote Arbeit als zusätzliche gleichwertige Alternativen für Präsenzformate sinnvoll sind. Auch die Idee, eine Betriebsratswahl online möglich zu machen, ist vor dem Hintergrund technischer und gesellschaftlicher Entwicklung, sicherlich sinnvoll. Ob dies auch für das geplante digitale Zutrittsrecht zu Unternehmen für Gewerkschaften gilt, darf – genau wie die angedachten Steuervorteile für Gewerkschaftsmitglieder – diskutiert werden. Beim Einsatz von KI soll die Qualifizierung der Beschäftigten und der faire Umgang mit den Daten im Betrieb sichergestellt werden. Eigentlich ein No-Brainer.

Rente & Alterssicherung

Das gesetzliche Rentenniveau soll bis 2031 gesetzlich auf 48% abgesichert werden. Mehrausgaben werden durch Steuermittel ausgeglichen. Die Frühstart-Rente soll für jedes Kind zwischen dem 6. und 18. Lebensjahr, das eine Bildungseinrichtung in Deutschland besucht, durch Zahlung eines Betrages von EUR 10,00 pro Monat in ein Altersvorsorgedepot, einen Sockel für die später dann bis zum Rentenbeginn privat weiter besparbare zusätzliche Altersversorgung bereitstellen. Die betriebliche Altersversorgung soll gestärkt und – gerade in kleinen und mittleren Unternehmen, sowie bei Geringverdienern – weiter verbreitet werden. Hierfür hatte die vorherige Koalition mit dem Entwurf des zweiten Betriebsrentenstärkungsgesetz bereits Ideen vorgelegt, deren Weiterentwicklung ebenso wie die Verbesserung der Portabilität von Versorgungszusagen absolut begrüßenswert ist. Die Erwerbstätigkeit im Rentenalter soll z.B. durch die teilweise Steuerfreiheit des Gehalts (bis zu EUR 2.000,00 im Monat) bei freiwilliger Weiterarbeit sowie Aufhebung des Vorbeschäftigungsverbots bei befristeter Beschäftigung von Rentnern gefördert werden. Auch die Hinzuverdienstmöglichkeiten will die Koalition prüfen und ggf. verbessern. Die Absicherung von Selbstständigen im Alter soll durch „gründerfreundlichen“ Einbezug dieser Personen in die gesetzliche Rentenversicherung verbessert werden.

Fazit – Wird das auch alles Realität?

Ideen und Vorhaben sind das eine, die Umsetzung eine andere. Es bleibt im Grundsatz abzuwarten, ob den großen Plänen auch Taten in der Umsetzung folgen. An mancher Stelle mag dies dringender oder auch einfach umsetzbar sein und daher schneller gehen als an anderer. Es bleibt aber generell zu hoffen, dass die Koalition sich auch im Bereich des Arbeitsrechts an den selbst im Koalitionsvertrag formulierten Grundsatz für „Gute Gesetzgebung“ hält:

„Gesetze, Verordnungen und Regelungen, die nicht gemacht werden müssen, werden wir nicht machen.“

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