Wie gestaltet sich die 3G-Nachweispflicht in Betrieben und kann 2G eine Alternative sein?
„Der Mittelstandsverband fordert 2G am Arbeitsplatz.“ tickerte es kürzlich über die einschlägigen Nachrichtenportale und auch aus den Justizministerien der Länder vernimmt man zusehends die Forderung, zumindest einmal auch über 2G-Regelungen in Deutschlands Betrieben nachzudenken. Insbesondere der Mittelstandsverband begründet seinen Ansatz vor allem mit den hohen administrativen und finanziellen Hürden, welche die geltenden 3G-Regelungen in den Betrieben mit sich bringen. Und auch der Gesetzgeber reagiert bereits: Jedenfalls für Beschäftigte in Gesundheitsberufen und Berufen, die Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen betreuen, gilt ab dem 15. März 2022 eine generelle Impfpflicht.
Vor diesem Hintergrund blicken wir zurück auf erste Erfahrungen mit der 3G-Nachweispflicht in deutschen Arbeitsstätten, betrachten mögliche Problemfelder, und fragen uns dabei auch, ob 2G-Regelungen ein gangbarer Weg sein könnten.
Was meint die 3G-Regelung eigentlich?
Das per § 28b des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eingeführte 3G begründet eine Einschränkung des Betretungsrechts zum Arbeitsplatz und setzt eine gesetzliche Kontrollpflicht des Arbeitgebers. Arbeitgeber und Beschäftigte dürfen Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte von Arbeitgebern und Beschäftigten untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur betreten, wenn sie Geimpft, Genesen oder Getestet („3G“) sind und einen entsprechenden Nachweis mit sich führen, zur Kontrolle verfügbar halten oder bei dem Arbeitgeber hinterlegt haben.
Wer ist zu kontrollieren?
Grundsätzlich sind alle Beschäftigten zu kontrollieren, welche die Arbeitsstätte betreten wollen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) vertritt hier die Ansicht, dass auch Beschäftigte im Außendienst, die nicht die eigene sondern die Arbeitsstätte Dritter betreten, mit einem 3G-Nachweis ausgestattet sein müssen. Hierfür wird einerseits mit dem Zweck des IfSG zum Schutz der gesamten Bevölkerung argumentiert sowie angeführt, dass sich der Begriff der maßgeblichen Arbeitsstätte seinem Wortlaut nach nicht bloß auf die Arbeitsstätten des Arbeitgebers beschränke.
Eine andere Auslegung der Regelung erscheint aus unserer Sicht allerdings jedenfalls nicht ausgeschlossen. Abseits rechtlicher Argumente sprechen auch praktische Hürden dafür, hier nicht ohne Weiteres eine arbeitgeberseitige Kontrollpflicht zu fordern. So gestalten sich die Kontrollen des Arbeitgebers bei ortsabwesenden Beschäftigten mitunter schwierig, insbesondere wenn diese einen Nachweis nicht auf Dauer hinterlegt haben. Rein digitale Sichtkontrollen über Videochat etc. sind zwar denkbar, geben aber kaum dieselbe Sicherheit wie Vor-Ort-Kontrollen in Präsenz.
Arbeitgeber befinden sich jedenfalls im Spannungsfeld: Kontrollieren sie nicht, riskieren sie Verstöße gegen das Infektions-, bei alternativ überobligatorischer Kontrolle wiederum gegen das Datenschutzrecht. Ein Ausweg könnte wohl jedenfalls die datenschutzrechtliche Einwilligung des Arbeitnehmers zur Kontrolle des 3G-Nachweises sein.
Dies gilt spiegelbildlich auch für Dritte (etwa Lieferanten), welche die betriebliche Arbeitsstätte betreten müssen. Auch hier trifft die Kontrollpflicht den Arbeitgeber der Dritten, auch wenn es Arbeitgebern grundsätzlich unbenommen sein dürfte, im Rahmen ihres Hausrechts 3G-Regelungen (oder auch ein strikteres Regime) bezüglich des Zugangs Dritter aufzustellen.
Wie ist zu kontrollieren?
Sichtkontrolle
Die Kontrolle hat sich – wegen des datenschutzrechtlichen Gebots der Datenminimierung – auf eine Sichtkontrolle zu beschränken. Es ist, auch hier wieder möglichst datensparsam, lediglich der Umstand, dass der Arbeitnehmer einen Nachweis vorgelegt hat, zu dokumentieren. Aus dieser Dokumentation sollte nicht einmal hervorgehen, welche Art von Nachweis erbracht worden ist.
Falls der Arbeitnehmer dem kontrollierenden Arbeitgeber (bzw. der mit der Kontrolle beauftragten Person) unbekannt ist, ist ein zusätzlicher Sichtabgleich des 3G-Nachweises mit einem Werksausweis oder einem amtlichen Ausweisdokument naheliegend. Auch hier ist jedoch Vorsicht geboten. Das IfSG verlangt nur die Vorlage des 3G-Nachweises an sich. Ob hiervon auch die Vorlage eines Ausweisdokumentes umfasst ist, ist nicht ohne Weiteres eindeutig zu beantworten. Dagegen spricht, dass der Arbeitgeber aufgrund der Treuepflicht des Arbeitnehmers davon ausgehen kann, dass der Arbeitnehmer keinen falschen 3G-Nachweis vorlegt.
Trotz der aufgrund datenschutzrechtlicher Anforderungen gebotenen Zurückhaltung können Arbeitgeber die im Rahmen der 3G-Kontrollen erhobenen Daten zur Anpassung ihrer Hygienekonzepte und damit der Verbesserung des Arbeitsschutzes nutzen. Dies ermöglicht der neu eingeführte § 28b Abs. 3 IfSG über eine ausdrückliche und zulässige Zweckänderung der erhobenen Daten. § 22 Absatz 2 des Bundesdatenschutzgesetzes gilt entsprechend.
Hinterlegung des Impfnachweises
Die Abläufe vereinfachen sich, wenn Arbeitnehmer bereit sind, ihre Impf- oder Genesenennachweise zu hinterlegen. Eine Pflicht hierzu besteht jedoch nicht. Die Beschäftigten genügen den zu kontrollierenden Verpflichtungen aus § 28b Abs. 1 IfSG schon dann, wenn sie einen ausreichenden Nachweis mit sich führen oder bloß zur Kontrolle verfügbar halten. Oft besteht aber bereits seitens der Arbeitnehmer der nachvollziehbare Wunsch, den Nachweis nur einmal erbringen zu müssen, um die täglichen Zugangskontrollen zu vermeiden oder abzukürzen. Auf dieses Angebot sollte der Arbeitgeber jedoch nicht vorschnell eingehen, denn auch hier warten datenschutzrechtliche Hürden, die es zunächst zu überspringen gilt.
Voraussetzung ist grundsätzlich eine ausdrückliche und informierte Einwilligung des Beschäftigten. Fallstrick kann hierbei sein, dass den Arbeitgeber – trotz der prinzipiellen Formfreiheit der Einwilligung – die Beweislast bezüglich des Vorliegens einer solchen Einwilligung trifft. Arbeitgeber sollten daher dafür Sorge tragen, dass über den Nachweis hinaus ein „paper trail“ besteht. Ohnehin steht es jedem Arbeitnehmer frei, die einmal erteile Einwilligung zur Speicherung seines Impfstatus ohne Angabe von Gründen jederzeit zu widerrufen. Auch hierauf ist der Arbeitnehmer, unter entsprechender Dokumentation, hinzuweisen.
Löschfristen
§ 28b Abs. 3 IfSG regelt schließlich auch, wann sich der Arbeitgeber der in Zusammenhang mit den 3G-Kontrollen erhobenen Daten zu entledigen hat. Diese Daten sind spätestens am Ende des sechsten Monats nach ihrer Erhebung zu löschen. Die Bestimmungen des allgemeinen Datenschutzrechts bleiben dabei unberührt, weshalb die Daten u.a. dann unverzüglich zu löschen sind, wenn kein berechtigtes Interesse mehr für deren Speichern besteht (z.B. bei Ausscheiden von Beschäftigten aus dem Unternehmen). Auch der einmal erfasste und hinterlegte Impf- bzw. Genesenenstatus dürfte zu löschen sein, wenn er keine Aussagekraft mehr entfaltet. Zuletzt vernommene Äußerungen der politischen Entscheidungsträger könnten vermuten lassen, dass Letzteres ggf. schon sechs Monate nach abgeschlossener Zweitimpfung und ohne eine zusätzliche Auffrischungsimpfung der Fall sein könnte.
Wer darf kontrollieren?
Kontrollbefugte Personen
Gerade bei größeren Unternehmen liegt es nahe, dass die Kontrolle im Rahmen der Delegation durch andere Personen im eigenen Mitarbeiterkreis durchgeführt wird. Diese Mitarbeiter müssten dann zur Verschwiegenheit im Umgang mit Gesundheitsdaten verpflichtet und im Umgang mit personenbezogenen Daten sensibilisiert werden. Arbeitgebern ist anzuraten, entsprechende schriftliche Arbeitsanweisungen für die kontrollbefugten Personen zu entwickeln, in denen der datenschutzkonforme Umgang mit den Kontrolldokumentationen klar und nachvollziehbar beschrieben wird.
Kontrolle durch Dritte
Eine Frage, die sowohl das große Industrieunternehmen mit durch Drittfirmen verrichtete Werkszugangskontrollen als auch das junge Start-Up, das sich den Empfangsbereich und die Ressourcen des Co-Working-Spaces mit anderen teilt, vereint, ist diese nach der Kontrolle der 3G-Nachweise durch Dritte. Das ist grundsätzlich möglich, allerdings muss darauf geachtet werden, dass den datenschutzrechtlichen Vorgaben an eine ordnungsgemäße Vereinbarung zur Auftragsdatenvereinbarung mit den Dritten, die die Kontrollen durchführen sollen, entsprochen wird. Bestehende Vereinbarungen sollten überprüft und, soweit nötig, angepasst werden.
Betriebsrat?
Grundsätzlich dürfen lediglich die kontrollbefugten Personen des Arbeitgebers Einsicht in die Nachweise nehmen. Dies umfasst auch die zur Kontrolldokumentation geführten Listen. Im Spannungsfeld hierzu bewegt sich die Frage, ob Betriebsräten ein Einsichtsrecht in die geführten Listen zusteht. Dagegen spricht die bisher vorgetragene Position einzelner datenschutzrechtlicher Aufsichtsbehörden, dass die Einsicht allein den „kontrollbefugten Personen“ vorbehalten sei (vgl. u.a. nur die Stellungnahme des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg vom 27. November 2021). Demgegenüber obliegt es aber auch den Mitarbeitervertretungen, die Wahrung der Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten zu überwachen (vgl. § 75 Abs. 2 BetrVG). Eine insbesondere für Arbeitgeber zumindest missliche Lage zwischen ordnungsgemäßer Einbindung des Betriebspartners und datenschutzrechtlicher Compliance. Eine Einsicht sollte insofern jedenfalls nur zurückhaltend und unter engen Voraussetzungen im Einzelfall ermöglicht werden.
Was kommt? 2G im Betrieb als Alternative?
In Anbetracht des gezeigten personellen, finanziellen und administrativen Aufwands, der mit den 3G-Kontrollen und hier insbesondere der Getestet-Komponente verbunden ist, stellt sich die eingangs aufgeworfene Frage, ob die Einführung von 2G-Zutrittsbeschränkungen für die Betriebe eine Lösung darstellen könnte.
Den Zutritt Dritter können Arbeitgeber, wie gezeigt, mittels ihres Hausrechts regelmäßig beschränken. Bezüglich der eigenen Arbeitnehmer stellt sich dies jedoch nach aktueller Rechtslage und in Anbetracht einer nicht gesetzlich verankerten Impfpflicht komplizierter dar. Gerade Gewerkschaften wie etwa die IG Metall postulieren dieser Tage, dass 2G im Betrieb der Einführung einer solchen Impfpflicht aber gleichkäme. Hiergegen spricht jedoch, dass Arbeitnehmer – ohne eine gesetzliche Impfpflicht und im Unterschied zum jetzigen 3G-Konzept – grundsätzlich auch bei Verweigerung der Vorlage eines 2G-Nachweises weiter ihr Entgelt beanspruchen könnten und somit jedenfalls keine finanzielle Zwangswirkung entstehen würde. Dass das Angebot eines Arbeitnehmers, der keinen 2G-Nachweis vorlegen kann oder möchte, nicht vertragsgemäß sei und der Arbeitgeber damit nicht in den entgeltfortzahlungsauslösenden Annahmeverzug gesetzt würde, kann nach der aktuellen Rechtslage schwerlich vertreten werden: Trotz der allgegenwärtigen Diskussion über eine Impfpflicht, lässt sich derzeit wohl keine (Neben-)Pflicht der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag ableiten, für ausreichende Immunisierung gegen COVID-19 zu sorgen.
Arbeitgeber, die bereit wären, diese finanzielle Last zu tragen, haben aber einen weiteren Punkt zu bedenken: Der Arbeitnehmer hat im bestehenden Arbeitsverhältnis grundsätzlich ein berechtigtes Interesse an seiner tatsächlichen Beschäftigung. Zur Durchsetzung desselben hat die Rechtsprechung einen Anspruch des Arbeitnehmers auf vertragsgemäße Beschäftigung entwickelt: Der Arbeitnehmer soll – als Ausdruck und in Achtung seiner Persönlichkeit und seines Entfaltungsrechts – nicht “nur” bezahlt werden, sondern auch tatsächlich arbeiten können.
Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Bonn vom 15. November 2021 (Az. 5 BVGa 8/21). Dort hatte sich ein Betriebsratsmitglied gegen den Gesamtbetriebsrat gewandt, der eine Betriebsräteversammlung nur unter 2G-Zutrittsregelungen durchführen wollte. Das Betriebsratsmitglied ersuchte einstweiligen Rechtsschutz, der auch ohne einen 2G-Nachweis (aber mit negativem PCR-Test) den Zugang zu der Versammlung sichern sollte. Das Gericht gab dem antragsstellenden Mitglied einstweilen Recht und argumentierte damit, dass das Erfordernis eines 2G-Nachweises unangemessen in das Recht zur freien Mandatsausübung aus § 78 BetrVG eingreife. Es erscheint jedenfalls nicht unwahrscheinlich, dass das Gericht im Falle des Beschäftigungsanspruchs eines Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber ähnlich entschieden hätte.
Auch der Beschäftigungsanspruch gilt jedoch nicht uferlos. Sollte im Einzelfall die Konstellation auftreten, dass der Arbeitgeber sich aufgrund externen Drucks gezwungen sieht, ein 2G-Konzept einzuführen, so ist es somit zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Beschäftigungsanspruch hinter das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Vermeidung von Konflikten zurückzutreten hat. In Anbetracht der verfassungsrechtlichen Aufladung des Beschäftigungsanspruchs dürfte es sich hierbei aber derzeit nur um seltene Ausnahmefälle handeln.
Nach der aktuellen Rechtslage ist die Einführung eines 2G-Konzeptes durch den Arbeitgeber mit Hindernissen und Risiken verbunden. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber hier noch (ggf. sogar weitergehend) tätig wird (und etwa wie die Stadt New York City eine Impfpflicht für alle Beschäftigten, die ihre Tätigkeit in Präsenz verrichten, im Rahmen eines 1G-Modells einführt). Jedenfalls partiell ist dies aktuell geschehen: Am 10. Dezember 2021 wurde eine ab dem 15. März 2022 gültige Impfpflicht für Beschäftigte in Gesundheitsberufen und Berufen, die Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen betreuen, von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Ausnahmen hiervon sind nur in Fällen medizinischer Kontraindikation vorgesehen.
Darüber hinaus könnte sich der Ruf nach betrieblichen 2G-Regelungen ohnehin durch die aktuell jedenfalls in Diskussion befindliche allgemeine Impfpflicht überholen. Auch für Arbeitgeber und Beschäftigte bleibt es damit spannend, auf wie viele “Gs” sie sich in Zukunft einzustellen haben.