Am 12. Mai 2023 hat der Bundesrat das ›Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarkts‹ gebilligt. Ziel des Gesetzes ist es, mehr Menschen mit Behinderungen in reguläre Arbeit zu bringen sowie Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen in Arbeit zu halten. Mit dem Gesetzentwurf hat die Bundesregierung einen Programmpunkt aus dem Koalitionsvertrag im Bereich Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderungen umgesetzt. Das Gesetz soll Unternehmen dazu bringen, künftig mehr Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Die Änderungen haben für Arbeitgeber vor allem finanzielle Auswirkungen.
Was sieht das Gesetz konkret vor?
1. Erhöhung der Ausgleichsabgabe (!)
Arbeitgeber, gleich ob privat oder öffentlich, mit jahresdurchschnittlich mindestens 20 Arbeitsplätzen sind gem. § 154 SGB IX bereits jetzt verpflichtet, wenigstens fünf Prozent davon mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Für jeden nicht mit einem schwerbehinderten Menschen besetzten Pflichtarbeitsplatz ist eine Ausgleichsabgabe zu zahlen, deren Höhe sich nach der Zahl der besetzten Pflichtarbeitsplätze richtet.
Die Ausgleichsabgabe ist gestaffelt und beträgt derzeit monatlich
EUR 140,00 bei einer Beschäftigungsquote von 3 bis 5 Prozent,
EUR 245,00 bei einer Beschäftigungsquote von 2 bis weniger als 3 Prozent
EUR 360,00 bei einer Beschäftigungsquote von weniger als 2 Prozent.
Das Gesetz sieht nunmehr eine weitere (vierte) Staffel vor: Liegt die Beschäftigungsquote bei 0 Prozent, d.h. beschäftigen beschäftigungspflichtige Arbeitgeber keinen einzigen schwerbehinderten Arbeitnehmer, beträgt die Ausgleichsabgabe EUR 720,00 pro Monat.
Die vierte Staffel wird mit Wirkung zum 01. Januar 2024 eingeführt. Sie gilt für Arbeitsplätze, die ab dem 01. Januar 2024 unbesetzt sind und ist erstmals zum 31. März 2025 zu zahlen, wenn die Ausgleichsabgabe für das Jahr 2024 fällig wird.
Für ›kleine‹ Arbeitgeber mit weniger als 60 bzw. weniger als 40 zu berücksichtigten Arbeitsplätzen gelten Sonderregelungen, die geringere Ausgleichsabgaben - EUR 410,00 resp. EUR 210,00 vorsehen, wenn sie ihrer Beschäftigungspflicht überhaupt nicht nachkommen.
2. Verwendung der Mittel aus dem Ausgleichsfonds
Die Mittel aus der Ausgleichsabgabe sollen sich künftig auf die Förderung der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt konzentrieren und ausschließlich für die Förderung deren Beschäftigung eingesetzt werden. Es entfällt die bisher vorgesehene Möglichkeit, Mittel der Ausgleichsabgabe auch zur Förderung von Einrichtungen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben (insbesondere Werkstätten für behinderte Menschen) zu verwenden.
3. Genehmigungsfiktion für Leistungen des Integrationsamts
Zur Beschleunigung und Verbesserung von Bewilligungsverfahren wird zudem eine Genehmigungsfiktion für Leistungen des Integrationsamtes eingeführt, auf die ein Anspruch besteht (z.B. Arbeitsassistenz und Berufsbegleitung im Rahmen der Unterstützen Beschäftigung). Anträge gelten künftig als genehmigt, wenn das Integrationsamt nicht innerhalb von sechs Wochen nach Antragseingang entscheidet. Hat das Integrationsamt ein Ermessen bei der Entscheidung, gilt die Genehmigungsfiktion nicht.
4. Lohnkostenzuschuss nicht mehr gedeckelt
Bislang ist beim Budget für Arbeit der vom Leistungsträger zu erstattende Lohnkostenzuschuss auf 40 Prozent der Bezugsgröße begrenzt. Das neue Gesetz sieht durch die Aufhebung der Deckelung für den Lohnkostenzuschuss beim Budget für Arbeit höhere Lohnkostenzuschüsse vor. Für Arbeitgeber wird es damit attraktiver, Menschen mit Behinderungen über das Budget für Arbeit einzustellen. Menschen mit Behinderungen können dieses als Alternative zu Leistungen in einer Werkstatt erhalten. Durch die Abschaffung der Deckelung soll sichergestellt werden, dass auch nach Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro bundesweit der maximale Lohnkostenzuschuss gezahlt werden kann.
5. Weiterentwicklung des Sachverständigenbeirats
Auch soll der Sachverständigenbeirat (derzeit: ›Ärztlicher Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizin‹, künftig: ›Sachverständigenbeirat Versorgungsmedizinische Begutachtung‹) neu ausgerichtet werden. Die Zusammensetzung des Sachverständigenbeirats soll einem teilhabeorientierten und ganzheitlichen Ansatz folgen und unter anderem Betroffene als Experten bei der Arbeit des Beirats mehr berücksichtigen.
Was müssen Arbeitgeber im Hinterkopf behalten?
Für Arbeitgeber mit mindestens 60 Arbeitsplätzen gilt künftig, dass sie pro nicht besetztem Pflichtarbeitsplatz EUR 720,00 monatlich zahlen müssen, wenn sie ihrer Beschäftigungspflicht gar nicht nachkommen.
Für kleinere Unternehmen gelten geringere Beträge.
Bei Verstößen wird die höhere Ausgleichsabgabe erstmalig zum 31. März 2025 zu zahlen sein.
Es gibt auch gute Nachrichten für Arbeitgeber: Das Bußgeld, welches die Bundesagentur für Arbeit beschäftigungspflichtigen Arbeitgebern bisher – in Höhe von bis zu EUR 10.000,- – zur Sanktionierung der Nichtbeschäftigung auferlegen konnte, wird abgeschafft (Streichung von § 238 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX).
Arbeitgeber sollen zudem durch einheitliche Ansprechpartner unterstützt und beraten werden.
Das Gesetz wird jetzt dem Bundespräsidenten zur Ausfertigung zugeleitet und kann dann im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Das Gesetz wird zum größten Teil am 01. Januar 2024 in Kraft treten. Einzelne Vorschriften entfalten bereits früher Geltung.