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"Einmal bitte impfen - arbeitgeberseitige Reaktionsmöglichkeiten, wenn Mitarbeiter eine Corona-Schutzimpfung ablehnen"

Marielouise Emmer

August 2021

Lesedauer: Min

Während vermehrt Unternehmen in den USA Mitarbeiter, die sich nicht impfen lassen wollen, entlassen, ihnen ohne vollständigen Impfschutz verbieten, die Büroräumlichkeiten zu betreten oder nur geimpfte Bewerber einstellen, stellt sich auch bei uns die Frage, welche arbeitsrechtlichen Möglichkeiten Arbeitgeber in Deutschland haben, wenn Arbeitnehmer keine Schutzimpfung durchführen lassen.

 

Keine gesetzliche Impfpflicht

Nach aktueller Rechtslage besteht keine gesetzliche Impfpflicht gegen COVID-19. Dies bedeutet für Arbeitgeber, dass sie sich bei einem Impfverlangen gegenüber ihren Arbeitnehmern nicht auf die Vollziehung einer öffentlich-rechtlichen Impfpflicht berufen können.

 

Impfverpflichtung im Arbeitsverhältnis?

Verfolgt man als Arbeitgeber das Ziel, die Infektionsgefahr in Betrieben und Produktionsstätten zu reduzieren und so der arbeitgeberseitigen Schutzpflicht gegenüber allen Beschäftigten nachzukommen, stellt sich die Frage, ob eine Impfpflicht im Betrieb einseitig kraft Direktionsrecht des Arbeitgebers, kollektivrechtlich durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag oder individualvertraglich eingeführt werden kann. 

 

Direktionsrecht

Die Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers muss nach billigem Ermessen erfolgen und insbesondere die gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten beachten (§ 106 GewO). Aufgrund des schwerwiegenden Eingriffs einer Impfverpflichtung in das Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiter tritt das Interesse des Arbeitgebers, nur solche Arbeitnehmer zu beschäftigen, die keine Gefahr für sich und andere darstellen, im Rahmen der Abwägung regelmäßig zurück. Es bleibt deshalb grundsätzlich Privatsache des Arbeitnehmers, ob man sich impfen lässt. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers kann die Anordnung einer Impfpflicht daher grundsätzlich nicht umfassen. Eine Impfung hat regelmäßig keinen unmittelbaren Bezug zu arbeitsvertraglichen Pflichten, so dass eine entsprechende Weisung als unwirksam anzusehen wäre.

 

Kollektivrechtliche Impfpflicht

Die Betriebsparteien sind nach § 75 BetrVG an die Grundsätze von Recht und Billigkeit gebunden und haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit zu schützen. Aus diesen gesetzlichen Vorgaben leitet das BAG eine mittelbare Grundrechtsbindung der Betriebsparteien ab. Daher ist auch die Einführung einer Impfverpflichtung per Betriebsvereinbarung aufgrund des erheblichen Grundrechtseingriffs unangemessen und nicht wirksam möglich. Gemäß der Rechtsnatur des Tarifvertrages gilt entsprechendes für die Einführung einer Impfpflicht durch Tarifvertrag.

 

Kündigung ungeimpfter Arbeitnehmer?

Als mögliche arbeitsrechtliche Sanktionen für Arbeitnehmer, die sich nicht impfen lassen, werden insbesondere der Ausspruch einer verhaltensbedingten oder personenbedingten Kündigung diskutiert. Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt die erhebliche und in der Regel schuldhafte Verletzung einer vertraglichen Pflicht voraus. Mangels bestehender Impfpflicht bzw. wirksamer Weisung zur Impfung kommt diese daher grundsätzlich nicht in Betracht. Allenfalls in Ausnahmenfällen kann eine personenbedingte Kündigung gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass der Mitarbeiter die erforderliche Eignung und Fähigkeiten nicht (mehr) besitzt, um die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Der Mitarbeiter müsste letztlich eine solche Gefahr für andere darstellen, dass er nicht mehr – auch nicht an anderer Stelle im Unternehmen – eingesetzt werden kann. Dies ist freilich nur in seltenen Fällen denkbar. 

 

Impfempfehlung und Impfangebot

Arbeitgebern ist es selbstverständlich erlaubt, ihren Mitarbeitern eine Impfung gegen COVID-19 zu empfehlen bzw. aufzurufen, sich impfen zu lassen. Hierbei sollte die Formulierung jedoch sorgfältig gewählt werden, damit die Empfehlung bzw. der Aufruf zur Impfung keinen verbindlichen Charakter hat. Daneben können auch Impfangebote im Betrieb, etwa durch den Betriebsarzt, unterbreitet werden.

 

Impfprämien

Durch die Gewährung von Impfprämien für den Nachweis einer COVID-19-Impfung haben Arbeitgeber zusätzlich die Möglichkeit, die Impfbereitschaft in der Belegschaft zu erhöhen. Arbeitgeber können beispielsweise den Mitarbeitern eine einmalige Sonderzahlung, einen zusätzlichen Urlaubstag oder Gutscheine und andere Sachleistungen gewähren. In diesem Zusammenhang wird allerdings die Frage der Vereinbarkeit mit dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Maßreglungsverbot (§ 612a BGB) kontrovers diskutiert. 

 

  • Zwar stellt die Gewährung einer Impfprämie für geimpfte Mitarbeiter eine Ungleichbehandlung dar. Diese wird aber gerechtfertigt, da sie auf einem sachlichen Grund basiert: Die Schutzimpfung wird allgemein empfohlen und dient zur Verwirklichung der Fürsorgepflichten des Arbeitgebers gegenüber seiner Belegschaft.

  • Ein Verstoß gegen das Maßreglungsverbot besteht hier nach unserer Auffassung in der Regel nicht, solange die Gewährung von Impfprämien verhältnismäßig bleibt und die Mitarbeiter nicht übermäßig zu einem Verzicht auf ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit drängt. Insbesondere bei der Zahlung eines Impfbonus sollte dessen Höhe deshalb so gewählt werden, dass der Bonus nicht dazu geeignet ist, einen mit einer Impfpflicht vergleichbaren Druck auf die Arbeitnehmer auszuüben.

 

Sollen Impfprämien gewährt werden, ist das Mitbestimmungsrecht eines im Betrieb bestehenden Betriebsrates zu berücksichtigen (vgl. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG).

Ausblick

Es bleibt abzuwarten, wie sich die aktuelle Diskussion über die Einführung einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen entwickelt und die genannten arbeitgeberseitigen Reaktionsmöglichkeiten – insbesondere die Gewährung von Impfprämien – von den Arbeitsgerichten beurteilt werden. Bei Interesse senden meine Kollegen Thorben Klopp und Julia Radau Ihnen gerne den EMEA vaccination guide zu.