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Die Gestaltung von Ampelkonten – Bei »grün« darfst du gehen, bei »rot« bleibst du stehen

Dezember 2019

Lesedauer: Min

In der Beratungspraxis stoßen wir immer wieder auf Mandanten, die nach wie vor ein großes Problem damit haben, dass viele Stunden auf Arbeitszeitkonten »gehamstert« werden. Dies ist neben der Tatsache, dass dies die Unternehmen viel Geld kostet, auch dann problematisch, wenn bei sehr großen Kontenständen Mitarbeiter den Anspruch ableiten, damit auch längere Auszeiten nehmen zu können. Arbeitszeitkonten mit einem Ampelsystem können hier Abhilfe schaffen. Schauen wir uns dies einmal etwas genauer an:

Eine kurze arbeitsrechtliche Einordnung von Arbeitszeitkonten

Ohne Arbeitszeitkonto kein Ampelsystem. Was aber ist ein Arbeitszeitkonto aus arbeitsrechtlicher Sicht? In einem Arbeitszeitkonto wird dokumentiert, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer seine Hauptleistungspflicht erbracht hat. Vergleichbar einem Girokonto zeigt es den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers in Zeitguthaben oder -salden an. Der Auf- und Abbau eines Arbeitszeitkontos und insbesondere dessen Belastung mit Minusstunden setzen voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine durchgehende sog. »verstetigte« Vergütung zahlt. Diese Vergütung wird als »Vorschuss« gezahlt, so dass zwischen den Arbeitsvertragsparteien (oder in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung) ausdrücklich vereinbart werden muss, dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist, wenn sein Arbeitszeitkonto ins Minus kommt. Anderenfalls ist eine Verrechnung durch den Arbeitgeber mit einem auf dem Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Arbeitszeitguthaben mit Minusstunden des Arbeitnehmers nicht möglich. Arbeitszeitkonten stehen daher im Spannungsverhältnis zum sog. Annahmeverzugslohn: Grundsätzlich dürfen Arbeitszeitsalden nämlich nicht zulasten des Arbeitnehmers gehen, wenn dies darauf zurückzuführen ist, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vorübergehend wegen Auftragsmangels nicht beschäftigen kann (§ 615 BGB). Die Zulassung von Minusstunden in einem Arbeitszeitkonto mit verstetigter Vergütung vermindert dieses Risiko des Arbeitgebers, da ein Minus erst zum Ende eines zu definierenden Ausgleichszeitraums bzw. der Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszugleichen ist. Dies eröffnet die von Arbeitgebern häufig erwünschte bedarfsorientierte Atmung.

Neben diesen Möglichkeiten zur bedarfsorientierten Steuerung der Arbeitszeit besteht der Vorteil eines Arbeitszeitkontos darin, dass Arbeitgeber damit bei entsprechender Ausgestaltung ihren gesetzlichen Aufzeichnungspflichten nach § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG nachkommen. Zu beachten ist allerdings, dass Arbeitszeitkonten, die lediglich dem Ausgleich kurzfristiger Arbeitsschwankungen dienen sollen, im Spannungsverhältnis zur Insolvenzsicherungspflicht nach § 7b SGB IV stehen. Verfolgen Arbeitszeitkonten nicht lediglich Ziel das Ziel der flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder den Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen, sondern dafür, es für Zeiten der (längeren) Freistellung von der Arbeitsleistung oder der Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit zu nutzen, ist das Arbeitszeitkonto als Wertguthabenkonto zu führen und gegen Insolvenz zu sichern.

Last but not least: Wurde im Unternehmen des Arbeitgebers ein Betriebsrat gebildet, unterliegt die Einführung eines Arbeitszeitkontos mit Ampelsystem der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG. Da Arbeitszeitkonten mit einem Ampelsystem zwangsläufig als elektronisches Konto geführt werden müssen, unterliegt die Einführung und Anwendung des elektronischen Zeiterfassungssystems ebenfalls der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

Ampelkonten als Lösungsansatz

In der Praxis stellt sich nun die Frage, wie sich Arbeitszeitkonten steuern lassen. Ein probates Mittel sind sogenannte Ampelkonten. Wichtig: Diese stellen für sich genommen kein Arbeitszeitsystem dar, sondern sind lediglich ein Verwaltungsinstrument zur Steuerung von Arbeitszeitsalden. Solche Ampelkonten sehen in der Regel drei Phasen vor: »grün«, »gelb« und »rot«.  In einer »grünen« Phase kann der Arbeitnehmer weitgehend selbstbestimmt arbeiten, ab der »gelben« Phase muss zwischen Mitarbeiter und Führungskraft darüber gesprochen werden, wie das Konto wieder zurückgeführt werden kann und ab einer »roten« Phase müssen verbindliche Abbaupläne durch die Führungskraft – ggf. unter Einbindung der Arbeitnehmervertretung – vorgegeben werden.

Diese Ausgestaltung eines Ampelkontos ist bei der Handhabung in der Praxis nicht immer einfach. Ein längerer Bedarfspeak kann einfach auch einmal dazu führen, dass Mitarbeiter bis in den roten Bereich Stunden aufbauen und ein Zwang zum zeitnahen Abbau kann komplett gegen den betrieblichen Bedarf oder auch die Wünsche des Mitarbeiters gehen.

Bei »grün« darfst Du gehen, bei »rot« bleibst Du stehen

Daher interpretieren und gestalten wir Ampelkonten mittlerweile etwas anders:

Die »grüne« Phase

»Grüne« Phase bedeutet, dass der Mitarbeiter weitgehend selbstbestimmt arbeiten kann, um die betrieblichen und persönlichen Belange miteinander auszubalancieren. Die Kontengrenzen dieser Phase sowie die Ausgleichszeiträume sollten so gewählt werden, dass ein Mitarbeiter innerhalb des regulären normalen Bedarfs nie die Kontengrenzen überschreiten kann.

Ein Beispiel: In einer Verwaltungstätigkeit gibt es Bedarfsschwankungen von 5 Stunden pro Woche, mal mehr mal weniger. In diesem Fall gibt es keinen Grund, warum die Kontengrenze +/- 10 Stunden überschritten werden sollte. Gibt es allerdings Zeiträume, wie z.B. im Controlling, wo durch Jahresabschlüsse pro Woche fünf Mehrstunden bis zu zehn Wochen lang anfallen können, dann machen auch Kontengrenzen von +/- 50 Stunden durchaus Sinn. In jedem Fall sollten sie aber im Zweifel immer so gewählt werden, dass ein verantwortungsbewusster Beschäftigter nie an die Grenzen stößt – und ein Arbeitszeitsaldo im ebenfalls festzulegenden Ausgleichszeitraum auch wieder auf- bzw. ein Arbeitszeitguthaben abbauen kann.

Mit »weitgehend« selbstbestimmt ist gemeint, dass es Regelungen geben muss, die einen Missbrauch eines durch den Mitarbeiter selbst gesteuerten Arbeitszeitkontos verhindern. Ein solcher kann vorliegen, wenn ein Konto durch den Mitarbeiter »freizeitbedarfsorientiert«, also zur Gestaltung der persönlichen Freizeit auf Kosten der betrieblichen Belange genutzt wird. Indizien dafür sind, wenn ein Konto einmal auf den oberen (oder auch unteren) Rand des Kontos hingesteuert wird und diese Grenze nicht mehr verlassen wird, es sei denn, der Mitarbeiter möchte einen Gleittag nehmen. Ein derartiges Verhalten kann dann im definierten »normalen« Geschäftsumfeld nicht bedarfsorientiert sein, bei dem es ja nur normal ist, dass es mal etwas mehr und auch etwas weniger zu tun gibt. Ein weiteres Indiz für Missbrauch ist, wenn das Zeitkonto einen sog. »Sägezahnverlauf« hat. Es wird regelmäßig an den oberen Rand der »grünen« Phase aufgebaut, um dann durch ein oder zwei Gleittage sofort wieder abgebaut zu werden und das Spiel beginnt von vorne.

Die »gelbe« Phase

Die »gelbe« Phase des Kontos dient dazu, außergewöhnliche Bedarfsspitzen abzudecken. Z.B. kommt zum Tagesgeschäft ein Projekt on Top hinzu. In diesem Fall wird der »gelbe« Bereich des Kontos aufgemacht und die Zeiten können angespart werden. Sowohl der Auf- als auch der Abbau erfolgt dann in Abstimmung zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter und wird im gegenseitigen Einvernehmen unter Berücksichtigung betrieblicher und persönlicher Belange geplant. Die obere Kontogrenze des gelben Bereichs sollte so gesetzt werden, dass es realistisch ist, angesparte Zeiten in dieser Höhe auch wieder innerhalb des Ausgleichszeitraums freinehmen zu können.

Die »rote« Phase

Alle Zeiten, die darüber hinaus gehen, sind automatisch der »rote« Bereich. Konkret heißt dies: Ein weiterer Aufbau von Zeitguthaben ist ohne Zustimmung der Führungskraft nicht möglich. Zeiten, die den roten Bereich übersteigen, werden gekappt. Zugleich ist ein Abbauplan mit konkreten Abbauschritten zu erstellen. Darüber hinaus sollte die Verwendung von absehbar nicht abbaubaren Guthaben geregelt werden, beispielsweise die unterjährige Auszahlung oder Übertragung in ein Lebensarbeitszeitkonto. Diese Zeiten werden damit aus dem Ampelkonto herausgelöst. Durch diese Verwendung der Guthaben kann zudem verhindert werden, dass auf dem nur dem kurzfristigen Ausgleich von Beschäftigungsschwankungen dienenden Arbeitszeitkonto Wertguthaben entstehen, die eine Insolvenzsicherungspflicht auslösen.

Die Abgrenzung zwischen Gleitzeitguthaben und Mehrarbeit

Bei der Ausgestaltung von Arbeitszeitkonten ist abzugrenzen zwischen Phasen des (selbstbestimmten, freiwilligen) Aufbaus von Arbeitszeitguthaben gegenüber durch den Arbeitgeber angeordneter Mehrarbeit. Im Anwendungsbereich von Tarifverträgen unterliegt der Auf- und Abbau und deren Vergütung (Zuschläge) häufig Sonderregelungen. Mehrarbeit liegt erst dann vor, wenn die im Rahmen der flexiblen Arbeitszeit für den jeweiligen Arbeitstag (oder eines anderen Bezugszeitraums der regelmäßigen Arbeitszeit) nach der Vereinbarung festgelegte Arbeitszeit aufgrund einer Anordnung durch den Arbeitgeber überschritten wird. Aus diesem Grund sollte in Arbeitszeitkonten zwischen Arbeitszeitguthaben und Mehrarbeit unterschieden werden. Dies erfordert regelmäßig zunächst eine Analyse bestehender arbeits- oder tarifvertraglicher Regelungen. Zudem sollte geregelt werden, dass ein Anspruch auf zusätzliche Vergütung von Mehrarbeit erst dann besteht, wenn individual- oder kollektivvertragliche Bestimmungen dieses ausdrücklich bestimmen. Häufig ist es in der Praxis daher sinnvoll, neben einem Gleitzeitkonto mit Ampelmodell und einem »kleinen« Flexibilisierungsrahmen ein Überstundenkonto einzurichten.

Jahresarbeitszeitkonten

Auf der anderen Seite bieten Arbeitszeitkonten mit einem Ampelmodell gerade in Jahresarbeitszeitsystemen den Vorteil, Guthaben bereits unterjährig ausgleichen zu können. Die hier beschriebene Ausgestaltung von Ampelkonten sorgt automatisch dafür, dass Mehrarbeit, die über ein gewisses Maß geht (> »gelbe« Phase) auch unterjährig ausbezahlt werden kann. Des Weiteren wird ein unkontrollierter Aufbau von betrieblich nicht benötigten Zeiten jenseits der »grünen« Phase und bei geeigneter Regelung auch innerhalb dieser unterbunden, ohne die Mitarbeiter bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit unnötig einzuschränken.

Fazit

Arbeitszeitkonten mit einem Ampelsystem bieten Arbeitgeber und Arbeitnehmern gleichermaßen ein hohes Flexibilisierungspotential. Zugleich bieten Arbeitszeitkonten mit einem Ampelsystem die Möglichkeit, Arbeitszeit bedarfsorientiert zu steuern, was vor allem positive Kosteneffekte hat. Auf der anderen Seite ist sicherzustellen, dass Arbeitszeitkonten nicht durch den Aufbau von »Leerzeiten« missbraucht werden. Basis hierfür ist die Ermittlung des zugrunde liegenden betrieblichen Bedarfs. Neben dieser Missbrauchskontrolle durch Einführung eines Ampelsystems sind der Auf- und Abbau von Arbeitszeitguthaben und -salden im Spannungsverhältnis zwischen Annahmeverzugslohn und in Abgrenzung zur (angeordneten) Mehrarbeit ausdrücklich zu regeln. Die erfolgreiche Einführung eines Arbeitszeitkontenmodells setzt daher eine vorherige Prüfung der (tarif-)vertraglichen und betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben im Unternehmen voraus, um später keine bösen Überraschungen zu erleben. Dieser Aufwand sollte es Arbeitgebern aber Wert sein: Denn ein Ampelkonto schafft Flexibilität für Mitarbeiter und Unternehmen, verhindert Missbrauch und sorgt zuletzt dafür, dass der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitsschutzbehörden die Einhaltung seiner Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit dokumentieren kann.

Co-Author: Guido Zander, SSZ Beratung, Feldkirchen (www.ssz-beratung.de)