Die aktuelle Entscheidung des BAG zum betrieblichen Eingliederungsmanagement
Bereits Ende letzten Jahres hatten wir über die veränderte Rechtslage im Zusammenhang mit der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) berichtet: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser? In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun einen weiteren Aspekt im Hinblick auf das bEM geklärt: Ein abgeschlossenes bEM hat kein „Mindesthaltbarkeitsdatum“ für ein Jahr.
Ausgangslage – Bedeutung des bEM für eine krankheitsbedingte Kündigung
Will der Arbeitgeber eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen, hat er regelmäßig vor Ausspruch einer solchen Kündigung ein ordnungsgemäßes bEM anzubieten und – wenn der Arbeitnehmer dies wünscht - durchzuführen. Nach der Rechtsprechung ist die Durchführung eines bEM zwar keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht nach, muss er aber im Kündigungsschutzprozess darlegen und ggf. beweisen, dass auch mit Hilfe eines bEM keine milderen Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkannt oder entwickelt hätten werden können. Diese Anforderungen können Arbeitgeber häufig nicht erfüllen. Die Folge: Die Kündigung ist unverhältnismäßig und damit unwirksam.
Entscheidung des BAG – kein „Mindesthaltbarkeitsdatum“ für ein Jahr
Das Gesetz sieht vor, dass ein bEM immer dann durchgeführt werden soll, wenn der Arbeitnehmer „innerhalb eines Jahres“ länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt.
Umstritten war in diesem Zusammenhang bislang, ob es genügt, wenn der Arbeitgeber nur einmal innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr ein bEM durchführt und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer erneut sechs Wochen lang arbeitsunfähig erkrankt ist.
Die – für Arbeitgeber wenig erfreuliche – Antwort des BAG: Die einmalige Durchführung des bEM innerhalb eines Jahres genügt in einem solchen Fall nicht. Ist der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres nach Abschluss eines bEM erneut länger als sechs Wochen durchgängig oder wiederholt arbeitsunfähig, muss der Arbeitgeber wieder ein bEM durchführen, und zwar auch dann, wenn seit Abschluss des letzten bEM noch nicht wieder ein Jahr vergangen ist.
Aber: Kein weiteres bEM während des laufenden bEM
Allerdings stellte das BAG auch klar: Kommen während eines noch nicht abgeschlossenen, laufenden bEM weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten von mehr als sechs Wochen hinzu, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, parallel ein weiteres bEM zu initiieren. Vielmehr genügt es dann, wenn der Arbeitgeber die neu aufgetretenen Arbeitsunfähigkeitszeiten sowie mögliche Veränderungen mit Blick auf die Krankheitsursachen oder die betrieblichen Verhältnisse in das laufenden bEM-Verfahren einbezieht.
Abschluss des bEM als Tag „Null“
Nun stellt sich dem aufmerksamen Leser die Folgefrage: Wann ist ein bEM denn abgeschlossen, d.h. wann wird der neue Sechs-Wochen-Zeitraum in Gang gesetzt? Hierzu hat das BAG lediglich einen Hinweis gegeben, der ausdrücklich keine Vollständigkeit beansprucht: Das bEM ist jedenfalls dann beendet, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich darüber einig sind, dass das bEM als „ergebnisoffener Suchprozess“ beendet ist bzw. nicht weiter durchgeführt werden soll oder der Arbeitnehmer einseitig nicht mehr mit der Durchführung des bEM einverstanden ist. Ein einseitiger Abschluss durch den Arbeitgeber soll dagegen nicht möglich sein. Ein bEM kann erst dann ordnungsgemäß abgeschlossen sein, wenn auch der Arbeitnehmer und alle weiteren Beteiligten (z.B. Betriebsrat, Schwerbehindertenvertretung etc.) keine weiteren Ansätze für eine erfolgreiche Durchführung mehr aufzeigen können. Hierzu ist ihnen ggf. eine bestimme Frist zu setzen.
Fazit:
Aus dieser Entscheidung folgt für Arbeitgeber:
Ist der Arbeitnehmer nach Abschluss eines bEM länger als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt, sollte ihm vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung in jedem Fall erneut ein betriebliches bEM angeboten und ordnungsgemäß abgeschlossen werden. Dies erhöht zumindest die Chancen der Wirksamkeit einer später ausgesprochenen krankheitsbedingten Kündigung, wenngleich die übrigen Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer solchen Kündigung bekanntlich enorm hoch sind.
Da das BAG in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hinweist, dass seine Ausführungen zum Abschluss des bEM keine Vollständigkeit beanspruchen, bleibt abzuwarten, inwieweit die Rechtsprechung diese künftig konkretisiert. Jedenfalls eine einseitige Feststellung des Arbeitgebers, dass er das bEM als abgeschlossen ansieht, genügt nicht für einen ordnungsgemäßen Abschluss. Der Arbeitgeber sollte dem Arbeitnehmer und allen weiteren am bEM Beteiligten Personen (z.B. dem Betriebsrat, der Schwerbehindertenvertretung etc.) zumindest schriftlich eine Frist zur abschließenden Stellungnahme setzen.