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Nimm doch bitte Deinen Urlaub!

van_portraits_840x840px_02_viohl.png Julia Viohl

Dezember 2019

Lesedauer: Min

Die Aufforderung zur Urlaubsnahme. Praxistipps zur Umsetzung der neuen Rechtsprechung

Bereits in unserem Blogbeitrag aus November 2018 haben wir die beiden Entscheidungen des EuGH vom 06.11.2018 (C-619/16, Kreuziger; C-684/16, Shimizu) vorgestellt, mit welchen entschieden wurde, dass ein Arbeitnehmer seine Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb verlieren darf, weil er keinen Urlaub beantragt hat.

Bislang hatte das BAG in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass Arbeitnehmer in Sachen Urlaubsnahme ihres eigenen Glückes Schmied seien und im Falle nicht erfolgter Urlaubsbeantragung mit Ablauf des 31.12. eines jeden Kalenderjahres (bzw. mit Ablauf des 31.03. des Folgejahres) mit dem Verfall ihrer Urlaubsansprüche zu rechnen hätten.

Vor dem Hintergrund der obigen EuGH-Entscheidungen hat das BAG seine bisherige Rechtsprechung nun aufgegeben und entschieden, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nur dann am Ende des Kalenderjahres erlischt,

wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die Lage versetzt hat, den Urlaub zu nehmen und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat (Urteil v. 19.02.2019, 9 AZR 423/16).

Das LAG Niedersachsen hat im Übrigen entschieden, dass diese Mitwirkungsobliegenheit auch für den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte gilt.

Was bedeutet dies nun für Arbeitgeber in der Praxis?

Praxistipp 1:
Nachdem der EuGH lediglich abstrakt darauf hingewiesen hatte, der Arbeitgeber müsse den Arbeitnehmer »konkret und in völliger Transparenz« auffordern, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, hat sich das BAG glücklicherweise in seiner Folge-Entscheidung genauere Gedanken dahingehend gemacht, wie denn der Arbeitgeber diesen Mitwirkungspflichten in der Praxis gerecht wird. So weist das BAG beinahe „kochrezeptartig“ darauf hin, dass der Arbeitgeber diese Pflichten regelmäßig dadurch erfüllen kann, dass er dem jeweiligen Arbeitnehmer zu Beginn eines jeden Kalenderjahres Folgendes in Textform mitteilt:

  • Information darüber, wie viele Arbeitstage Urlaub dem Arbeitnehmer im Kalenderjahr zustehen

  • Aufforderung, den Jahresurlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann.

  •  Belehrung, dass der Urlaub grundsätzlich am Ende des Kalenderjahres verfällt, wenn der Arbeitnehmer in der Lage war, seinen Urlaub im Kalenderjahr zu nehmen, er ihn aber nicht beantragt.

Eine ständige Aktualisierung dieser Mitteilung – etwa anlässlich einer Änderung des Umfangs des Urlaubsanspruches – ist nach Auffassung des BAG nicht erforderlich.

Sollten die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG erfüllt sein, d.h. sollten der Urlaubsnahme im laufenden Kalenderjahr dringende betriebliche oder in der Person des jeweiligen Arbeitnehmers liegende Gründe entgegengestanden haben, so sieht das Gesetz vor, dass der Urlaubsanspruch nicht mit Ablauf des Kalenderjahres, sondern erst mit Ablauf des 31.03. des Folgejahres erlischt. Hier verlangt das BAG eine weitere Aufforderung durch den Arbeitgeber, den Urlaubsanspruch noch innerhalb des Übertragungszeitraumes zu nehmen, sowie den Hinweis, dass der Urlaubsanspruch andernfalls erlischt.

Wichtig: Abstrakte Angaben (»etwa im Arbeitsvertrag, in einem Merkblatt oder in einer Kollektivvereinbarung«) sind nach Auffassung des BAG nicht ausreichend!

Arbeitgeber sollten diesen »Praxistipp« des BAG in jedem Falle ernst nehmen: Bei Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit laufen sie Gefahr, künftig (insbesondere nach Beendigung von Arbeitsverhältnissen) mit der Geltendmachung von horrenden Urlaubs(abgeltungs)ansprüchen konfrontiert zu werden.

Ob der EuGH das vom BAG vorgeschlagene »Muster-Arbeitgeberverhalten« als ausreichend für eine »konkrete und völlig transparente« Aufforderung zur Urlaubsnahme erachtet, bleibt indes abzuwarten.

Praxistipp 2:
Da sich die dargestellte Rechtsprechung lediglich auf den gesetzlichen (Mindest-)Urlaubsanspruch bezieht, sollten arbeitsvertragliche Urlaubsregelungen in jedem Falle eine konkrete Aufsplittung des Gesamt-Urlaubsanspruches in den gesetzlichen Mindesturlaub (20 Tage bei einer 5-Tage-Woche) sowie den freiwilligen, vertraglichen Mehrurlaub vorsehen. Nur bei einer solchen ausdrücklichen Trennung kann – bei entsprechender arbeitsvertraglicher Regelung – ein Verfall des vertraglichen Mehrurlaubs auch dann eintreten, wenn der Arbeitnehmer seitens des Arbeitgebers nicht aktiv zur Inanspruchnahme seines Urlaubes aufgefordert wurde.