Die pandemiebedingten Verwerfungen sind als Ausprägung der angelegten Risikoteilung hinzunehmen
Bonusansprüche von Mitarbeitern bemessen sich vielfach nach verabredeten Zielvereinbarungen oder nach bestimmten Zielvorgaben des Arbeitgebers. Diese werden in der Regel zu Jahresbeginn, meist vor Ablauf des ersten Quartals, getroffen. Die COVID-19-Krise begann sich just zu dieser Zeit voll zu entfalten. In unzähligen Zielvereinbarungen und -vorgaben wird die Pandemie nicht „eingepreist“ sein. Das gilt erst recht für Bonusziele, die nicht jährlich neu festgelegt werden, sondern etwa fortlaufend an bestimmte Unternehmenskennzahlen anknüpfen.
Ziele verfehlt wegen Corona?
Es bedarf keiner besonderen Vorstellungskraft, dass die Pandemie über viele Bonusziele brachial hinweggefegt ist und diese praktisch unerreichbar geworden sind. Wie wirkt es sich auf die Verkaufserfolge eines Außendienstmitarbeiters aus, der monatelang keinen einzigen Kunden besuchen konnte? Was bleibt von Bonuszielen übrig, die am Unternehmenserfolg ausgerichtet sind, wenn die Umsätze des Arbeitgebers vorübergehend um 90 Prozent eingebrochen sind?
Die betroffenen Arbeitnehmer werden sich fragen, ob sie dies so hinnehmen müssen. Allerdings gilt, dass einmal wirksam vereinbarte oder festgelegte Bonusziele grundsätzlich nicht mehr abgeändert werden können – es sei denn, dass die Parteien sich darüber einigen. Arbeitgeber werden aber im Krisenjahr 2020 eher abgeneigt sein, zugunsten der Mitarbeiter in die Bonusarithmetik einzugreifen. Ein einmaliger „Corona-Bonus“ im mittleren dreistelligen Bereich markiert meist schon das Ende der Fahnenstange.
Nachträgliche Anpassung von Zielvereinbarungen?
Ggf. können Bonusziele aber nach den Grundsätzen über den Wegfall oder die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) an die pandemische Lage angepasst werden. Unter den verfügbaren schuldrechtlichen Instrumentarien handelt es sich dabei um das „letzte Mittel“, dem insbesondere Auslegung und gesetzliche Gefahrtragungsregeln vorgehen. Für einen Anpassungsanspruch nach den Grundsätzen über den Wegfall oder die Störung der Geschäftsgrundlage braucht es eine schwerwiegende Veränderung der Geschäftsgrundlage, hinsichtlich derer anzunehmen ist, dass die Parteien, hätten sie dies vorhergesehen, die Zielvereinbarung nicht oder jedenfalls nicht mit diesem Inhalt getroffen hätten. An der bestehenden Zielvereinbarung festzuhalten, müsste dem Mitarbeiter zudem unzumutbar sein, wobei dies angesichts der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung zu bemessen ist.
Diese Anforderungen sind bei Zielvereinbarungen oder -vorgaben vielfach nicht erfüllt. Dies gilt jedenfalls immer dann, wenn Bonusziele an Unternehmenskennzahlen wie Umsatz oder EBITDA anknüpfen; denn dort wollte der Arbeitgeber den Mitarbeiter gerade an den Geschäftschancen – und damit zugleich auch am entsprechenden unternehmerischen Risiko – beteiligen. Eine Anpassung der Bonusziele nach den Grundsätzen des Wegfalls bzw. der Störung der Geschäftsgrundlage kommt hier nicht in Betracht, weil die vertraglich vereinbarte Risikoverteilung gerade nicht gestört ist. Es spielt keine Rolle, ob der Arbeitgeber aufgrund einer Pandemie oder aus anderen Gründen, etwa eines Produktrückrufs oder Bilanzskandals, seine Jahresziele verfehlt. Dasselbe gilt erst recht, wenn die Bonusziele des Mitarbeiters an den Aktienkurs des Unternehmens gekoppelt sind, denn diesem wohnt zusätzlich noch ein spekulatives Element inne, welches ebenso Teil der vertraglich vereinbarten Risikoverteilung ist.
Als Kontrollüberlegung mag dienen, dass der Arbeitgeber auch keine Herabsetzung des Bonus nach den Grundsätzen des Wegfalls bzw. der Störung der Geschäftsgrundlage verlangen kann, wenn ein Geschäftsjahr unerwartet positiv verläuft und der Bonusanspruch entsprechend üppig ausfällt. Auch solche Fälle bringt die Pandemie wahrscheinlich hervor, etwa im Online-Versandhandel. Gegen übermäßige Ausschläge nach oben können sich Arbeitgeber im Voraus mit Deckelungsklauseln schützen.
Aber selbst wenn der Bonus nicht an Unternehmenskennzahlen anknüpft, ist zweifelhaft, ob die Voraussetzungen für eine pandemiebedingte Anpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls bzw. der Störung der Geschäftsgrundlage im Einzelfall erfüllt sein können. Man denke nochmals an den Außendienstmitarbeiter, der während des Lockdowns keine Kunden besuchen konnte, dessen Bonus sich aber an der Anzahl der Besuche bemisst.
In der juristischen Literatur wird etwa die grundsätzliche Änderung der Rechtslage als möglicher Fall für eine Anpassung genannt. Das Bundesarbeitsgericht hat zudem entschieden, dass ein Arbeitgeber, der sich in einer existenzgefährdenden Schieflage befindet und auf staatliche Notkredite angewiesen ist, den Bonus eines Mitarbeiters reduzieren darf. Im Vergleich hierzu sind die pandemiebedingten Verwerfungen in aller Regel wohl noch als Ausprägung der in der Zielvereinbarung angelegten Risikoteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hinzunehmen. Das zeigt sich auch am Beispiel des Außendienstmitarbeiters, denn nach allem Dafürhalten wird er Mittel und Wege finden, seine Kundenbesuche wieder aufzunehmen, und sei es in virtueller Form. Mit einer grundlegenden Änderung der Rechtslage, die etwa Kundenbesuche nur noch mit einer bestimmten Zertifizierung erlaubt, die der Mitarbeiter erst noch erwerben müsste, ist dies nicht vergleichbar.
Fazit:
Als Lektion aus dem „Seuchenjahr“ 2020 dürften bei künftigen Zielvereinbarungen wohl vermehrt Anpassungsklauseln in den Blick geraten, wonach die Parteien verabreden, bei grundlegender Veränderung der Rahmenbedingungen die Bonusziele einvernehmlich zu modifizieren. Die sich dem Arbeitgeber dabei stellenden Transparenzanforderungen sind allerdings signifikant.